Anfang März ist in Bad Kissingen eine Frau von ihrem ehemaligen Lebensgefährten erstochen worden. Selbstverständlich haben wir über dieses Ereignis berichtet. Dabei hat sich wieder einmal gezeigt: Es ist auch für uns Journalisten nicht einfach, die richtigen Worte zu finden. Wir haben auf unserer Webseite und auf Facebook als Einleitung zum Text gefragt: „Was trieb den Mann zu der Tat?“ Schon wenn man die Frage liest, beschleicht einen ein diffuses Unbehagen.
Prompt haben wir dann auch auf Facebook von einem Leser die Antwort erhalten: „Vermutlich die Frau?!“. Spätestens hier zeigt sich: Wir haben die falsche Frage gestellt. So steht der Täter im Fokus, nicht das Opfer, und wir lassen den Emotionen des Täters zu viel Raum. Schlimmstenfalls suggeriert die Frage eine Mitschuld der Frau. Damit wird, wie die Grünen-Politikerin Anna Gallina sagt, „die Schuld vom Täter weg gelenkt und - zumindest in Teilen – auf das Opfer übertragen“. Diesen Eindruck zu erwecken, ist ein fataler Fehler. Aber einer, der immer wieder gemacht wird.
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Ähnlich verhält es sich, wenn wir von dem Begriff „Drama“, also beispielsweise von "Familiendrama" oder "Beziehungsdrama" sprechen. Dazu Gallina: „Er verharmlost die Tat, als sei zu Hause einfach etwas aus dem Ruder gelaufen und dann hat der Mann eben überreagiert.“ Selbst der Begriff „Beziehungstat“ ist nicht unproblematisch. Wir haben im Kreis der Kollegen darüber diskutiert.
Ein Argument für die Verwendung: So wissen Frauen in der Region, dass nicht irgendein Verrückter im Gebüsch lauere. Dennoch bleibt es schwierig. Der Mann war der ehemalige Partner, es bestand also keine Beziehung mehr. Die Journalistin Thembi Wolf schreibt beispielsweise auf "Bento", dem Web-Angebot von "Spiegel Online" für junge Leute: „Damit etwas als Beziehungstat in die Kriminalitätsstatistik eingeht, reicht ein gelegentliches gemeinsames Mittagessen im Büro.“ Das sollten wir uns bewusst machen, bevor wir von einer "Beziehungstat" schreiben.
Machtverlust als Motiv
Der Journalist Martin Steinhagen (Frankfurter Rundschau) hat die Frauenrechtlerin Alexandra Wischnewski interviewt. Damit ist Steinhagen übrigens einer der wenigen männlichen Kollegen, der über dieses Thema außerhalb der rein nachrichtlichen Berichterstattung geschrieben hat. Wischnewski erklärt im Interview, dass viele Täter dann töten würden, wenn sie die Macht über die Frau verlieren. „Die Gefährdung von Frauen, getötet zu werden, ist statistisch betrachtet in der Trennungsphase und danach besonders hoch.“ In der Phase nach der Trennung musste auch die Frau in Bad Kissingen sterben. Die Tat ist also in dieser Hinsicht kein Einzelfall.
Jeden zweiten bis dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder ehemaligen Partner getötet. Es ist also berechtigt, diese Taten in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen. Immer mehr Journalistinnen argumentieren in ihren Kommentaren, unter anderem im ORF, in der taz oder wie bereits erwähnt beim jungen Portal von "Spiegel Online", als Bezeichnung für diese Tötungen den Begriff „Femizid“ zu verwenden. Femizid bedeutet: Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Die Tötungen werden nicht mehr als Einzelfälle gesehen - sondern als strukturelles Problem.
Wir als Medienschaffende haben eine besondere Verantwortung. Durch kritisches Hinterfragen unserer Berichterstattung können wir im besten Fall dazu beitragen, ein Bewusstsein zu schaffen, in dem wir Gewalt an Frauen klar als solche bezeichnen. Damit wird auch gezeigt: Die Frau trifft keine Schuld. Dies kann man nicht deutlich genug sagen.
Das kritische Hinterfragen ist durchaus berechtigt, aber dabei sollten keine feministischen Wunschvorstellungen die Debatte übertünchen.
Nüchtern betrachtet wäre ein Mord an Frauen, weil sie Frauen sind, ja eindeutig dem „klassische Serienmörder“ zuzuschreiben, der sich bewusst Frauen aussucht.
Ein Mord, so schrecklich er auch sein mag, aus Gründen nicht (mehr) erwiderter Liebe hat ja wohl nichts damit zu tun ob das Opfer nun eine Frau ist, sondern eher darin, dass hier eine psychische Ausnahmesituation in einer Trennungsphase vorliegt.
Von Femizid zu sprechen würde außerdem sämtliche Taten unter Homosexuellen oder von Frauen gegen Männer ausschließen.