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Kommentar: Das Berliner Demo-Verbot ist eine Fehlentscheidung!
Auch wenn es manchmal schwer zu ertragen ist, welchen Unsinn Corona-Leugner verbreiten: Unsere Demokratie kann und muss das aushalten - und den öffentlichen Protest auch.
Blick auf die Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen in Berlin am 1. August. Die für das kommende Wochenende geplanten Demos sind verboten worden.
Foto: Christoph Soeder, dpa | Blick auf die Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen in Berlin am 1. August. Die für das kommende Wochenende geplanten Demos sind verboten worden.
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:49 Uhr

Natürlich war die Berliner Demonstration gegen Corona-Beschränkungen Anfang August eine pure Provokation. Tausende Menschen zogen ohne Mundschutz, ohne Abstand und ohne Rücksicht auf mögliche gesundheitliche Folgen für ihre Mitmenschen durch die Straßen der Hauptstadt und riefen "Wir sind die zweite Welle".

Die skurrile Schar von Corona-Leugnern, Impfgegnern, Reichsbürgern, Verschwörungsmythikern, Rechtsextremen und wer sich sonst noch so alles eingereiht hatte, scherte sich einen feuchten Kehricht um die Sicherheitsauflagen der Behörden. Zu Recht beendete die Polizei deshalb nach einiger Zeit diese groteske Protestveranstaltung. Eine für diesen Samstag geplante Neuauflage unter dem Motto "Versammlung für die Freiheit" hat die Berliner Polizei jetzt vorab schon untersagt. Eine Fehlentscheidung!

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht gewahrt

Vor allem die Begründung für das Verbot lässt aufhorchen: Bei dem zu erwartenden Teilnehmerkreis sei mit Verstößen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung zu rechnen, teilte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit. Es sei keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern für den Infektionsschutz. 

Was ist das für ein Demokratieverständnis? Ein so wichtiges Grundrecht wie die Versammlungsfreiheit einzuschränken, nur weil man aus Kreisen der Teilnehmer Verstöße gegen Auflagen befürchtet. Ist eine solche Maßnahme überhaupt noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar? Wohl kaum. Denn wenn sich die Demonstranten erneut nicht an Abmachungen halten sollten, gibt es ausreichend Möglichkeiten, den Aufmarsch vorzeitig und rasch zu beenden - so wie  schon einmal vor knapp vier Wochen. Wo also ist das Problem?

Bei allem Verständnis und aller unbestrittenen Notwendigkeit, dem Schutz der Gesundheit höchste Priorität einzuräumen - das Grundrecht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit ist für eine funktionierende Demokratie von ebenso herausragender Bedeutung. Im Einzelfall muss beides sehr sensibel miteinander abgewogen werden. Das Demonstrationsrecht bekommt nach den Worten des Berliner Rechtsprofessors Christian Waldhoff "dadurch besonderes Gewicht, weil es zwischen Wahlen der politischen Willensbildung dient und damit einen Demokratiebezug hat". Daher müsse streng geschaut werden, "ob etwaige Auflagen oder noch gravierender, etwa das Verbot einer Versammlung, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einhalten". 

Die Verantwortungslosigkeit einiger weniger ist ein Risiko für alle

Natürlich ist es manchmal schwer zu ertragen, welchen Unsinn Corona-Leugner in den sozialen Netzwerken, bei Demos oder in persönlichen Gesprächen verbreiten. Und sicher hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier recht, wenn er sagt, dass "die Verantwortungslosigkeit einiger weniger" ein "Risiko für uns alle" darstellt. Dennoch muss eine Demokratie auch abstruse und rücksichtslose Proteste aushalten. „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“ Dieser Grundsatz, den der französische Philosoph und Schriftsteller Voltaire im 18. Jahrhundert formuliert haben soll, ist heute noch so aktuell wie damals.

Durch das Demonstrationsverbot steht nun zu befürchten, dass diese Entscheidung zusätzlich Wasser auf die Mühlen all jener Verächter unserer freiheitlichen Gesellschaft ist, die den Staat ohnehin bereits als Totengräber von Freiheit und Demokratie ausgemacht haben. Die Initiatoren der Corona-Demo haben bereits angekündigt, sich dem Verbot der Berliner Behörden nicht beugen zu wollen: "Die Versammlungen werden stattfinden." Der Hauptstadt steht möglicherweise ein unruhiges Wochenende bevor. Man könnte es vermeiden.

 
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    So langsam wird mir klar, warum diese Zeitung den Coronaleugnern immer wieder derartig breiten Raum gibt!
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  • E. S.
    Und was wären Ihre Erkenntnisse?
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  • M. B.
    Durch diese Großveranstaltungen wird Corona erst Recht im ganzen Land verteilt. Ein Verbot wäre sinnvoll.
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  • E. W.
    Bisher dachte ich die "Verbotene Stadt" gäbe es nur in China. Aber jetzt scheint es auch ein Betretungsverbot für die Bundeshauptstadt zu geben.

    Als normaler Tourist, der nur die Stadt besuchen will muß man jetzt mit polizeilichen Maßnahmen rechnen.
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  • L. W.
    @ Aufgehende Sonne

    Wie kommen Sie denn auf diesen Unfug?

    Von einem Besuchs erbost der Hauptstadt hat doch keiner gesprochen!
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  • E. W.
    Prima, dann können ja alle, die demonstrieren wollen hinfahren und sich bei Nachfrage als Touristen zu erkennen geben. Dann kann kein Polizist etwas tun und es können keinerlei sonstigen Repressionsmaßnahmen gegen die "Touristen" ergriffen werden.

    So leicht und elegant kann man eine Demonstration zum "Spaziergang" umetikettieren und die Staatsmacht ist machtlos. Man muß halt nur eine Maske mit sich führen und die Sache läuft.
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  • E. S.
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar. Doppelter Kommentar.
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  • E. S.
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar.
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  • E. S.
    Der Aufruf keine MNS zu tragen ist doch auch ein Aufruf zu vorsätzlicher Körperverletzung, im Extremfall mit Todesfolge.
    Ist das erlaubt? - Ich denke eher nicht!
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  • T. M.
    Haben Sie sich wirklich vorher den Inhalt Ihres Kommentars überlegt? Um jemanden zu „verletzen“ in dem Fall anzustecken muss derjenige erstmal infiziert sein. Ist er das nicht und trägt keinen Maulkorb kann er auch niemanden Verletzen, ob vorsätzlich oder fahrlässig. Ich denke eher nicht!
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  • E. S.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • T. M.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • L. W.
    @ tommy 33

    Aber keiner kann sicher wissen ob er Virenschleuder ist oder nicht.

    Infizierte sind lange vor dem Spüren erster Symptome schon ansteckend!
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  • T. M.
    Deswegen ist das auch KEINE vorsätzliche Körperverletzung! Darum gehts in dem o.g. Kommentar.
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  • L. W.
    @ tommy33

    Doch, wenn diese Ansteckung mit einem Mundnasenschutz hätte vermieden werden können!

    Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht.
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  • H. M.
    ist, dass man das biligend in Kauf nimmt und da ist es Sch.. egal wie der Jurist drüber denkt!
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  • R. F.
    Geisel setzt sich über das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hinweg, beleidigt und verleumdet willkürlich politische Gegner. Eine krachende Ohrfeige für alle Demokraten und die meisten Kommentare hier feiern das - wir werden sehen wem das Gericht - Recht gibt. Michael Reinhard vielen Dank für Ihren Kommentar.
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  • U. A.
    Dieser Kommentar ist wieder so ein typischer MP-Kracher.
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  • J. G.
    Das Verbot ist überzogen und hier hat es sich Berlin zu einfach gemacht. Man kann die Grundrechte nicht einfach plattmachen. Man hätte z. B. die Teilnehmerzahl beschränken, ein Gelände absperren und natürlich die Verstöße ahnden können. Wenn das Schule macht, dann öffnet man Tür und Tor, dass man Veranstaltungen/Demos aus irgendwelchen Gründen verbietet. Unabhängig von Corona, aber auch in einer Krise zeigt sich, wie stark eine Demokratie ist. Problem in der heutigen Zeit ist, dass Meinungen gegen die Corona-Maßnahmen oft von der Politik und manchen Schreiberlingen nicht akzeptiert werden wollen, auch wenn diese begründet sind. Andere Meinungen zu akzeptieren, gehört auch zu einer Demokratie. Es scheint so, als wünschen sich einige die DDR oder die Zeit, wo ein gewisser Herr mit dem kurzen Schnurrbart "regiert" hat, zurück.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Warum gab es eigentlich keine Aufschrei als die Demo in Hanau untersagt wurde?
    War da die Demokratie nicht in Gefahr? Oder hab ich es nur einfach nicht mitbekommen?
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