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Berlin
Kommentar: Anne Spiegels Rücktritt als Familienministerin ist überfällig
Die Grünen-Politikerin hat ihre Fehltritte im Amt auch mit der Krankheit ihres Mannes und dem Gemütszustand ihrer Kinder erklärt. Sie ist der Führung eines Ministeriums nicht gewachsen, meint unser Autor.
Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat bei einem kurzfristig einberufenen Statement ihren vierwöchigen Familienurlaub nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer als Fehler bezeichnet und sich dafür entschuldigt.
Foto: Annette Riedl, dpa | Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat bei einem kurzfristig einberufenen Statement ihren vierwöchigen Familienurlaub nach der Flutkatastrophe im ...
Stefan Lange (51) ist neuer Leiter des Hauptstadtbüros unserer Zeitung. Zuvor arbeitete er als Teamleiter Politik im Berliner Büro von Dow Jones Newswires und dem Wall Street Journal. Lange ist seit 2001 in Berlin und hat dort unter anderem bei verschiedenen Nachrichtenagenturen gearbeitet. Davor war der gebürtige Friese zwölf Jahre lang als Volontär und Redakteur bei einer Tageszeitung in Jever beschäftigt.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:06 Uhr

Mit der Politik ist es wie beim Fußball. Alle können mitreden oder mitspielen, aber nur bei den Wenigsten reicht es für die Bundespolitik oder die Bundesliga. Selbst talentierte Menschen scheitern, wenn ihnen der unbedingte Drang an die Spitze fehlt. Denn der Weg dorthin führt für alle, die ihn mitgehen, nur über Verzicht. Verabredungen mit Freunden, der Kinobesuch mit dem Ehegatten, der Ausflug mit den Kindern – ein geregeltes Privat- und Familienleben ist nicht mehr drin, will man im politischen Berlin Karriere machen. Das zieht sich durch die vergangenen Jahrzehnte, besonders Frauen sind davon betroffen. Familienministerin Anne Spiegel wusste also, was auf sie zukommt.

Der Politikbetrieb in Deutschland ist unerbittlich - und nicht familienfreundlich

Da hilft es auch nichts, dass dieser Befund bedauerlich und ärgerlich ist. Andere Länder haben ihren Politikbetrieb familien- und partnerfreundlich umgebaut, in Deutschland hingegen ist er unerbittlich und wird es zunächst leider auch bleiben. Eine Änderung könnte nur aus dem System selbst kommen, aus einem Kabinettsposten heraus kann er nicht gelingen. Sollte die Grünen-Politikerin Spiegel vorgehabt haben, einen Umschwung herbeizuführen, käme bei ihr neben dem Vorwurf der Unfähigkeit noch der der Naivität hinzu.

Kabinettsmitglieder wie Anne Spiegel haben geschworen, ihre Kraft "dem Wohle des deutschen Volkes" zu widmen. Die Familie hat dabei das Nachsehen, Spiegel hätte nur ihre Parteifreundin Annalena Baerbock fragen müssen. Die war schon während ihrer Spitzenkandidatur kaum zu Hause, als Außenministerin ist sie es noch weniger. Dass ein Kind krank wird und gepflegt werden muss, ist nicht vorgesehen. Genauso wenig, dass sich ein Minister oder eine Ministerin auskurieren kann, sollte der eigene Körper geschwächt sein.

Anne Spiegel hat sich wohl einfach zu viel zugetraut

Ministerinnen und Minister haben gegenüber anderen bei der Jobwahl allerdings einen Vorteil. Sie sind niemals gezwungen, einen solchen Posten anzunehmen. Wenn sie es tun, dann nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil Einfluss und Macht in Aussicht stehen. Kabinettsmitglieder müssen auch keine langen Kündigungsfristen einhalten, wenn sie im Job unglücklich sind oder nicht klarkommen. Ein Rücktritt ist binnen weniger Minuten erklärt. Bei Anne Spiegel ist er überfällig.

Ihr Auftritt vor den Kameras zeigte die 41-Jährige in einem erschütternd desolaten Zustand. Sie ist der Führung eines Ministeriums nicht mehr gewachsen, war es vielleicht nie. Ihre familiären Probleme bestanden schon vor der Ernennung. Spiegel hat sich wohl einfach zu viel zugetraut.

So begründete Anne Spiegel ihren Urlaub nach der Flutkatastrophe

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  • L. W.
    Na ja,

    jetzt ist dieser Appell des Kommentators ja auf fruchtbaren Boden gefallen.
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  • R. N.
    Vielen Dank für den, wie ich finde, sehr differenzierten Kommentar!
    Sie unterscheiden sehr klar zwischen der real existierenden Situation, die Sie zurecht kritisieren, und dem Verhalten von Frau Spiegel genau unter diesen Bedingungen.
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  • S. T.
    Selten so einen schlechten Artikel gelesen. Natürlich muss jemand der Bundesminister*in besondere Opfer bringen und natürlich muss man dann darauf achten, wie man sich pietätvoll und angemessen verhält , wenn Krisen im Land herrschen. Aber erstens hat das mit ihrem jetzigen Amt nichts zu tun und zweitens ist ein Herr Laschet von einem Herrn Merz nach seinem Lachanfall am Krisenort auch nicht zum Rücktritt aufgefordert worden. Was haben CDUlerinnen schon alles verbockt und wieviele sind zurückgetreten???!!! Herr Merz sucht und zieht an den Haaren herbei. Und doch auch das Familienleben hat eine Berechtigung neben der Politik zu existieren und nur das macht es menschlich. Wir beklagen uns doch, dass die Politiker immer soweit weg sind von uns. Frau Spiegel ist reuig, offen und ehrlich, das ist mir sehr recht. Sie soll bleiben, wenn die Familie das hinbekommt.
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  • L. W.
    Der Klebstoff

    mit dem Politiker/innen an ihren Ämtern kleben, sollte patentiert und vermarktet werden.
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  • R. B.
    Jetzt sind die GRÜNEN in der Realität angekommen, waren sie es, die in der Vergangenheit Politiker der Regierungsparteien bei kleinsten Unregelmäßigkeiten zum Rücktritt aufgefordert haben. Ich sehe noch den hochroten Kopf von Herrn Hofreiter, als er mit Schaum vor dem Mund den sofortigen Rücktritt von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit forderte. Jetzt, in der Regierung angekommen, zeigen sich Politiker der GRÜNEN im gleichen Gewand wie Jene, welche sie einst so vehement attackierten. Ob geschönte Lebensläufe, absolutes Versagen einer Umweltministerin im Ahrtal, Macht ist süß und wird mit jedem Mittel verteidigt. Anstand, Moral, all dass, was man einst von den Regierenden eingefordert hat, ist Schnee von gestern. Und plötzlich sind sie alle gleich, ob rot, grün, gelb, schwarz oder braun, der Machterhalt wird mit allen Mitteln verteidigt.
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  • A. F.
    Egal, welcher Partei Anne Spiegel angehört:

    Sie ist für mich deshalb unglaubwürdig, weil sie sich letztes Jahr einen 4 wöchigen Urlaub mit ihrer Familie gegönnt hat, mit dem Argument, ihr Mann braucht nach einem Schlaganfall Ruhe, kann keinen Stress (mehr) vertragen.

    So weit, so gut.

    Warum aber tritt diese Frau dann überhaupt dass Amt der Bundesfamilienministerin an, ein Amt, dass mehr Stress für sie selbst als auch für ihre Familie bedeuted, als ihr Amt als Umweltministerin RPL?

    Und wenn es stimmt, was "heute.de" gestern (zeitweise) geschrieben hat, dass sie in den Urlaub geflogen (!!!) ist, ist sie für mich als grüne Politikerin sowie nicht glaubwürdig, weil die Grünen ja eine andere Verkehrspolitik propagieren und sie deshalb mit gutem Beispiel voran gehen sollte.

    Deshalb sollte sie zurück treten.
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