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Kommentar: Am Brenner wird es künftig noch enger
Christian Grimm
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 04.10.2019 02:11 Uhr

Die beiden Worte Stau und Brenner bilden ein Paar. Sie gehören zusammen wie Amen und Kirche. Dass sich daran so schnell etwas ändert, ist in beiden Fällen nicht zu erwarten. Deutschland und Österreich haben zwar vor einigen Wochen einen Zehn-Punkte-Plan verabschiedet, um die überlastete Alpenquerung zu entlasten. Eine rasche Verbesserung bringt er aber nicht.

Denn einerseits lassen sich die Versäumnisse von Jahrzehnten nicht über Nacht aufholen, andererseits kämpfen die zuständigen Verkehrspolitiker mit einer machtvollen Entwicklung: Der Verkehr wird immer mehr. Das liegt vor allem daran, dass sich in der Wirtschaft die Produktion immer stärker spezialisiert und die Unternehmen ihre Lager weitgehend abgebaut haben.

In der Folge wird mehr Fracht auf den Autobahnen quer durch Deutschland und Europa in alle Himmelsrichtungen transportiert. Schon heute beschleicht einen das Gefühl, dass der gewaltige Strom nicht noch breiter werden kann. Doch er wird weiter anschwellen, sollten die Experten recht behalten. Bis 2030 wird der Güterverkehr um knapp 40 Prozent zulegen, der Autoverkehr um über zehn Prozent.

In Bayern passierte anderthalb Jahrzehnte nichts

Der Brenner hingegen kann nicht mitwachsen. Vergangenes Jahr quälten sich auf der Route zweieinhalb Millionen Lkw über die Alpen. Erweitert werden soll sie durch einen Eisenbahntunnel, der 65 Kilometer in den Fels gehauen wird. Der Brennerbasistunnel soll 2028 fertig werden. Dann soll endlich das Versprechen wahr werden, dass mehr Güter und Reisende den Zug nehmen.

Von der Straße auf die Schiene: Den lärm- und abgasgeplagten Anwohnern wird das seit Jahrzehnten zugesagt, bislang blieben es Worte. In Österreich und Italien wird immerhin schon seit geraumer Zeit an der Röhre gebohrt und geschachtet. Schwachstelle des gigantischen Projekts ist die Anbindung im Norden.

In Bayern passierte anderthalb Jahrzehnte nichts. Im aufgeheizten politischen Klima dieser Tage ist es nun weit schwieriger als früher, eine neue Strecke von München über Rosenheim bis nach Kufstein durchzusetzen. In Anlehnung an Stuttgart 21 machen Bürgerinitiativen gegen die Trasse mobil. Sie wollen nicht das gleiche Schicksal erleiden wie die Tiroler, die heute am Brenner wohnen. Die Region südlich von München ist reich, weshalb die Gegner der Gleise nicht mit wirtschaftlichen Vorteilen zu ködern sind. Selbst wenn es gelingt, ihren Widerstand zu brechen, wird die Strecke nach Einschätzung von Planern frühestens 2040 fertig werden. Stimmen die eingangs erwähnten Prognosen, ist die Blechkarawane, die sich dann über die Berge wälzt, deutlich größer als heute.

Trübe Aussichten für Anwohner, Touristen und Lkw-Fahrer

Immerhin hat die Bestandsstrecke auf bayerischer Seite noch freie Kapazität, um zumindest einen Teil der Touristen und der Fracht aufzunehmen. Für die Gemeinden am Brenner, für Urlauber und Lkw-Fahrer sind die Aussichten gleichsam trübe. Für die einen, weil die Belastung eher zu- als abnimmt, für die anderen, weil die freie Fahrt passé ist.

Denn zum Schutz der Tiroler wird Österreich die Barrieren – Abfahrtsperren und Blockabfertigung – nur zurücknehmen, wenn Besserung greifbar ist. Dazu wird es aber frühestens auf mittlere Sicht kommen. Deutschland, Österreich und Italien müssten dafür die Maut für den Korridor gemeinsam kräftig anheben, damit die Bahn konkurrenzfähig wird. Die Alpenrepublik müsste außerdem ihr stattliches Dieselprivileg abschaffen, um den Kraftstoff teurer zu machen. Ob beides gelingt, ist alles andere als sicher. „Süden voraus, hinter Tunnels und Staus“, sang einst Udo Jürgens mit der Nationalmannschaft zur WM 1990 in Italien. Es dürfte dabei bleiben.

 
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