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Kommentar: 75 Jahre nach dem D-Day ist das Bündnis in Gefahr
Von Simon Kaminski red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 01.07.2019 02:11 Uhr

Staatsmännisch schüttelte der US-Präsident in der britischen Hafenstadt Portsmouth die Hände europäischer Politiker. Feierlich wurde des D-Days, der Landung alliierter Truppen an den Stränden der Normandie und der vielen Tausend Soldaten, die dabei starben, gedacht. Wie es Donald Trumps Amtsvorgänger zuvor auch schon getan hatten. Doch die Bilder aus Südengland sind Fassade. Das transatlantische Band droht zu reißen. In den Hauptstädten Europas wird darüber diskutiert, ob der US-Präsident noch ein Freund oder schon ein Gegner ist.

Hollywood prägt die kollektive Erinnerung an die Landungsmanöver „Overlord“ mit Filmen wie „Der längste Tag“ oder „Der Soldat James Ryan“ nachhaltig. Die Kino-Hits verfestigten in den USA den Eindruck, die gewaltige Militäraktion wäre der Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg gewesen und es seien in erster Linie US-Soldaten gewesen, die die Landung in Frankreich erkämpft hätten. Beides stimmt nicht. Der Krieg wurde durch die Niederlagen gegen die Sowjet-Truppen im Osten entschieden. Und an der beispiellosen Militäraktion, die am 6. Juni 1944 losbrach, waren mehr britische als US-Schiffe beteiligt.

Europa hat sich zu sehr auf die Macht der USA verlassen

Richtig ist, dass der Kampf der Briten und der USA gegen Nazi-Deutschland die beiden Nationen zusammenschweißte. Mehr noch: Die USA waren – anders als im Ersten Weltkrieg – nach Europa gekommen, um zu bleiben. In der Sprache Hollywoods: Es war „der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“. Und das nicht nur mit den westlichen Alliierten, sondern später auch zum Westteil des zunächst geächteten Kriegsgegners Deutschland. Auch wenn diese Freundschaft allerdings – wie in der Politik so häufig – Züge einer Zweckgemeinschaft aufwies. Der Westen war nie ein homogener Block. Doch es gab das Bekenntnis der Atlantischen Allianz zu Multilateralismus und zum freien Handel. Das klingt nach Pathos. Doch es steckt mehr dahinter. Natürlich wurden diese Prinzipien im Laufe der Jahrzehnte – nicht selten auch durch die USA – immer wieder verletzt. Sicher, Europa hat sich zu sehr auf die Militärmacht USA verlassen. Letztlich aber konnten sich die Partner am Ende auf die transatlantische Grundlage einigen.

Unter Trump wird es immer um „America first“ gehen

Diese Basis ist jetzt in Gefahr. Europa interessiere Trump nicht, hieß es. Er wolle nur schöne Bilder mit Queen Elisabeth im Buckingham-Palast. Letzteres mag sein. Ersteres ist Unsinn. Trump hat eine klare Strategie: Sein Ziel ist es, die EU zu schwächen, er sehnt ihren Niedergang herbei. Jedes Mittel ist ihm recht, die Institution zu schleifen, die mithalf, über viele Jahrzehnte lang den Frieden zu sichern. Mit Einzelstaaten, so das Kalkül, kann die USA bessere „Deals“ abschließen – denn Washington wäre stets in der Position des Stärkeren.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet macht es Sinn, sich penetrant und pöbelnd in innere Angelegenheiten der Briten einzumischen. Die Anhänger eines harten Brexits bejubeln Trumps Versprechen, einen „großartigen“ Handelsvertrag mit London abzuschließen, hoffen auf Gespräche auf Augenhöhe. Das ist naiv. Denn solange Trump im Weißen Haus sitzt, wird nach dem Motto „America first“ verhandelt werden – auch mit den Briten.

Europa wird auf unabsehbare Zeit mit dem sprunghaften, mitunter feindseligen Donald Trump leben müssen. Zusammenhalt, das wäre eine kluge und unaufgeregte Art, ihm die Stirn zu bieten. Denn die Hoffnung bleibt, dass eines Tages ein US-Präsident in Europa des D-Days gedenkt, der über das nötige Geschichtsverständnis verfügt, um die Bedeutung des 6. Juni 1944 zu verstehen.

 
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