Viele reden über den Klimawandel, er erforscht ihn: Der Würzburger Professor Heiko Paeth arbeitete als Geograph auch lange in der Meteorologie. Was erwartet er vom Klima der Zukunft?
Prof. Heiko Paeth: Vor 50 Jahren hatten wir keine Klimavorhersagen. Der Erste, der darüber nachgedacht hat, dass wir durch die Industrialisierung den Strahlungshaushalt der Erde verändern, war der schwedische Chemiker und spätere Nobelpreisträger Svante Arrhenius, der interessanterweise einen Teil seiner Habilitationsarbeit in Würzburg schrieb. Arrhenius Gedanken hat man damals nicht sonderlich ernst genommen. Die allerersten Klimamodelle in den späten 50er Jahren waren sehr, sehr einfach. Richtig los ging es erst in den 80er Jahren, als es die Computerkapazität gab, um ein so komplexes System wie das Klimasystem mit sehr einfachen Modellen zu simulieren. Wenn man die heutigen Simulationen mit diesen ersten Klimamodellen vergleicht, haben wir uns mittlerweile fast ein bisschen nach unten korrigiert mit der Erwärmungsrate. Die ersten Modelle hatten etwas drastischere Treibhausgas-Szenarien, weil man beispielsweise nicht damit gerechnet hat, dass der Ostblock zusammenbricht. Außerdem hat es einiges an technologischem Fortschritt gegeben.
Paeth: Wenn wir das so genau wüssten. Wahrscheinlich nicht. Es ist eine Gretchenfrage, weil sie darauf abzielt, ob die jetzige Erwärmung maßgeblich vom Menschen verursacht wurde. Vor ungefähr 10 000, 11 000 Jahren stieg in einer Phase zwischen Eiszeit und der aktuellen Warmzeit die Temperatur relativ schnell an, allerdings über Hunderte von Jahren. Über Kanada lag damals ein relativ großer Eispanzer, der schmolz und einen Süßwassersee bildete. Irgendwann trat der See über die Landschwelle in den Nordatlantik, das veränderte die Ozeanzirkulation und bewirkte in wenigen Jahrzehnten noch einmal die Rückkehr in die Eiszeit. Dieser Klimasprung war einer der wenigen relativ schnell abgelaufenen Klimaprozesse. In den letzten 10 000 Jahren finden wir nichts Vergleichbares zum derzeitigen Trend.
Wann ist ein Temperaturanstieg wirklich gravierend? Wieso heißt es immer, mehr als zwei Grad Celsius dürfte die Erwärmung nicht mehr betragen?
Paeth: Wir haben wenig Vergleichswerte. Es ist nicht leicht zu bemessen, was genau auf uns zukommt und was ertragbar und was nicht ertragbar ist im Hinblick auf die Lebensbedingungen. Untersuchungen von Biologen haben ergeben, dass die Tier- und Pflanzenwelt bei einer Erwärmung von einem Grad Celsius pro 100 Jahre noch anpassungsfähig ist. Also könnten zwei Grad in den nächsten 100 Jahren schon zu viel sein. Und man muss unbedingt regional differenzieren. Es gibt Regionen, die zu den großen Verlierern gehören werden – vor allem die sowieso schon ärmsten Regionen der Erde wie die Sahelzone.
Paeth: Wohl weniger. Die Schreckensszenarien von einem Anstieg des Meeresspiegels von mehreren Metern sind vom Tisch. Im ungünstigsten Fall, also einer Erwärmung von 6,4 Grad Celsius, hätten wir einen Anstieg von 80 bis 100 Zentimetern. Es hat einen gewissen Paradigmenwechsel gegeben, weil man festgestellt hat, dass die Antarktis keinen so großen Beitrag zum Meeresspiegelanstieg leistet. Die Küsten könnten natürlich durch eine Veränderung von Extremereignissen betroffen sein.
Der Einfluss des Menschen ist inzwischen unbestritten, oder?
Paeth: Politisch ist er unbestritten, das ist auch gut so. Sie werden allerdings keinen seriösen Wissenschaftler finden, der behaupten würde, er hätte einen Beweis für den anthropogenen Einfluss. Es gibt in den Beobachtungsdaten eine Menge Indizien – wir führen einen Indizienprozess gegen den Menschen.
Paeth: Treibhausgase haben eine ziemlich lange Verweilzeit. Selbst für den Fall, dass wir von heute an kein einziges Treibhausgas mehr emittieren und auf die Bäume zurückklettern, hätten wir die hohen Konzentrationen für Jahrhunderte in der Atmosphäre. Deswegen sollte man freilich nicht fatalistisch denken: Wenn wir wegkämen, von der Kohle und dem Erdöl, wäre schon mal eine Menge geholfen.
Paeth: Wovor wir hier in den mittleren Breiten, wo selbst ein Rückgang der Niederschlagsmengen kein so großes Problem darstellt, am meisten Angst haben, sind Extrem-Ereignisse: Wirbelstürme, Tornados und Witterungsanomalien wie ein Hitzesommer 2003 oder der vergangene Winter. Da sind die Voraussagen in den Klimamodellen aber erheblich unsicherer als für die Temperatur, die man einigermaßen vernünftig simulieren kann. Auch wenn es unserer Wahrnehmung widerspricht, gibt es in den Beobachtungsdaten keine Tendenz zu mehr Extrem-Ereignissen.
Paeth: Ja, aber man darf nicht dem Irrglauben erliegen, dass in den nächsten 100 Jahren jeder Sommer so wird wie 2003. Klimawandel vollzieht sich nicht von Jahr zu Jahr gleichmäßig. Auch im Jahr 2100 kann in Mitteleuropa mal ein richtig strenger Winter herrschen. Aber die Wahrscheinlichkeit verschiebt sich hin zu den trockenen, heißen Sommern und den milden, verregneten Wintern.
Paeth: Wir sind nicht gefeit vor Problemen, aber wir werden Möglichkeiten haben, uns anzupassen. Allerdings wird das viel Geld kosten.
Professor Heiko Paeth Der 36-Jährige befasst sich seit Jahren mit dem Nachweis von Klimaänderungen, die auf den Menschen zurückgehen. Seit 2006 ist Paeth, der am Meteorologischen Institut der Uni Bonn promovierte, Professor für Physikalische Geographie an der Uni Würzburg.