Während der vergangenen Jahrzehnte hat jeder US-Präsident versucht, die Mutter aller Krisen, den Nahost-Konflikt, zu lösen. Es mag überraschen, aber in diese Tradition will sich nun auch Donald Trump einreihen. Mehr noch, er will es nicht nur versuchen, sondern er will es auch schaffen. Das hat er jedenfalls im Wahlkampf gesagt – eine Ankündigung, die unter all den aggressiven und teilweise geschmacklosen Attacken untergegangen ist, mit denen er auf Stimmenfang ging. Und wie er es genau anstellen will, hat Trump auch nicht verraten.
In Israel fühlen sich viele Politiker seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten richtiggehend befreit. Hatte Barack Obama kurz vor dem Ende seiner Präsidentschaft der Regierung in Jerusalem noch einen Warnschuss verpasst, indem er im UN-Sicherheitsrat eine Resolution gegen den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland passieren ließ, so schürte Trump die Hoffnung, Washington werde künftig bedingungslos an der Seite Israels stehen.
Israels Parlament sorgt für eine beispiellose Provokation
Im Vertrauen darauf wurde in den vergangenen gut zwei Wochen der Bau von tausenden weiteren Siedlerwohnungen angekündigt. Jetzt haben die politische Rechte und die Siedler-Parteien im Jerusalemer Parlament, der Knesset, dem Ganzen auch noch die Krone aufgesetzt. Mit knapper Mehrheit brachten sie ein Gesetz durch, das Siedlerunterkünfte, die ohne Genehmigung auf palästinensischem Privatland errichtet wurden, nachträglich legitimiert.
Das ist eine beispiellose Provo-kation: Sie richtet sich einerseits gegen die israelische Justiz, die zuletzt die Räumung eines illegalen Außenpostens durchgesetzt hat. Sie fordert aber andererseits auch die arabische Welt heraus und stößt die internationale Gemeinschaft vor den Kopf.
Der Friedensprozess ist damit um Jahre zurückgeworfen. Selbst US-Präsident Donald Trump, der den israelischen Siedlern große Hoffnung gemacht hat, scheint mittlerweile zurückzurudern.
Vergangene Woche ließ er seinen Sprecher Sean Spicer erklären, Siedlungen seien aus seiner Sicht kein Hindernis für den Frieden, aber neue Siedlungen oder die Erweiterung bestehender Anlagen könnten sich als „nicht hilfreich“ für einen Nahost-Frieden erweisen.
Zuvor war der US-Präsident mit Jordaniens König Abdullah zusammengetroffen. Vielleicht hat dieser ihn vor einer rücksichtslosen israelischen Expansion gewarnt.
Ist Trump fähig zu feinfühliger Diplomatie?
Erfahrene US-Außenpolitiker wie der Republikaner James Baker, Außenminister unter dem älteren George Bush, glauben, niemand könne den Nahost-Konflikt lösen, wenn er „als Anwalt Israels“ auftritt. Vielmehr gelte es, die Interessen beider Seiten zu verstehen und „als Vermittler“ zusammenzubringen. Ob Donald Trump in der Lage ist, solch feinfühlige Diplomatie zu betreiben, ist offen. Andererseits haben all die Pendelmissionen, Gesprächsrunden und Gipfelkonferenzen der Vergangenheit bisher auch keinen endgültigen Frieden gebracht.
Dennoch kann wohl nur die Zwei-Staaten-Lösung den Konflikt beenden. Davon rückt Israels Regierung aber leider immer mehr ab. Der radikale Chef der an der Regierung beteiligten Siedlerpartei „Jüdisches Heim“, Naftali Bennett, fordert sogar, weite Teile des Westjordanlands zu annektieren.
Wohin soll das führen? Eine solche Politik macht einen eigenen Palästinenserstaat unmöglich. Die Alternative, die Ein-Staat-Lösung, bedeutet für Israel aber eine andere Gefahr: Aufgrund der demografischen Entwicklung könnten die Juden am Ende eine Minderheit im eigenen Land sein.
Die Vereinigten Staaten werden sich wohl in der Tat nur Verdienste erwerben, wenn sie mit beiden Seiten reden. Und wenn sie vorsichtig zu Werke gehen: Denn die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem könnte den nächsten Sprengsatz darstellen.