Zu teuer, zu bürokratisch, nicht rentabel genug: Von allen Seiten hagelt es Kritik. Aber Walter Riester, der Erfinder der privaten Zusatzvorsorge, macht jetzt die Gegenrechnung auf. Danach profitieren gerade Geringverdiener von den Zulagen.
Walter Riester: Schief läuft nur eines: Durch diese Debatte werden die Menschen verunsichert, sie fragen sich, ob sie überhaupt noch einen Riester-Vertrag abschließen sollen oder ob sie einen bestehenden Vertrag nicht besser kündigen sollen. Sozialpolitisch betrachtet ist das eine Katastrophe. Bei Horst Seehofer überrascht mich das nicht, von ihm kennen wir solche Parolen. Dass aber auch Teile der SPD die Riester-Rente madig machen, empört mich. Ein Blick in die Zahlen der Rentenversicherer zeigt: 25 Prozent der Menschen, die riestern, verdienen weniger als 10 000 Euro im Jahr.
Zwei Drittel liegen unter dem Durchschnittslohn, wie kann ein Mann wie SPD-Vize Ralf Stegner da behaupten, die Riester-Rente sei nichts für Geringverdiener? Eine alleinerziehende Mutter, mit zwei Kindern, die in einem Teilzeitjob um die 800 Euro im Monat verdient, muss selbst nur 60 Euro aufwenden, um mit Hilfe der staatlichen Zulagen jedes Jahr 814 Euro zur Seite legen zu können.
Riester: Natürlich ärgert mich das auch persönlich, das leugne ich nicht. Aber darauf kommt es nicht an. Die Rente ist ein komplexes Thema – und sie ist ein sehr emotionales Thema. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen Vertrauen in dieses System haben und die Politik nicht ständig neue Verunsicherung sät. Alle paar Jahre eine Rentendebatte: Das ist unverantwortlich.
Riester: Schauen wir uns die Vorwürfe doch mal genau an: Beim Wohn-Riester verlangen die Bausparkassen wie bei anderen Verträgen auch eine Abschlussgebühr von einem Prozent, haben aber einen größeren Aufwand, weil sie ja auch die Zulagen beantragen und verbuchen müssen. Bei Rentenversicherungen ist das ähnlich. Ein Banksparplan kostet, wenn überhaupt, zehn Euro pro Jahr. Und bei Investmentfonds wie dem Uni Global, mit dem 1,8 Millionen Menschen riestern, zahlen Sie, wie jeder andere Kunde auch, beim Kauf eines Anteils einen Ausgabeaufschlag von fünf Prozent und eine jährliche Verwaltungsgebühr von einem Prozent. Wie überall gibt es auch bei Riester-Verträgen gute und schlechte Angebote. Aber der Vorwurf, sie seien zu teuer, ist ebenso absurd wie der mit der übertriebenen Bürokratie. Als wir damals das Gesetz gemacht haben, hat jedenfalls kein Verbraucherschützer laut aufgeschrien.
Riester: Ja natürlich war das ein Fehler – aber bitte nicht mein Fehler. Ich wollte damals das sogenannte Obligatorium, also eine Pflicht, auch privat vorzusorgen. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Finanzminister Hans Eichel und SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte ich damals hinter mir. Dann aber hat die „Bild“-Zeitung mit der Schlagzeile von der „Zwangsrente“ massiv Stimmung gegen mich gemacht – und die Grünen, unser Koalitionspartner, haben sich davon ebenso anstecken lassen wie ein Teil der SPD. Im Bundestag hätte ich für eine verpflichtende Zweitrente damit keine Mehrheit mehr gehabt.
Riester: Das war sogar eine Blaupause für mich! Kurz bevor ich Minister wurde, hat Schweden dieses Modell mit sechs oder acht Fonds eingeführt, in die man einzahlen kann. Wer sich für keinen entscheiden kann oder will, landet dann automatisch in einem staatlich betriebenen Fonds. Bizarrerweise sind es heute die Grünen, die sich für eine Vorsorge nach schwedischem Vorbild starkmachen. Damals haben sie mir nur Steine in den Weg geworfen. Den Mut, ihre Zusatzrente auch für alle zur Pflicht zu machen, haben sie allerdings noch immer nicht.
Riester: Wenn die Beiträge nicht in die Höhe schießen sollen, gibt es nur zwei Alternativen: Entweder Sie bezahlen das aus Steuermitteln oder Sie heben das Rentenalter in Richtung der 70 Jahre an, von denen Wolfgang Schäuble gesprochen hat. Wer das nicht dazusagt, wenn er ein höheres Rentenniveau verspricht, täuscht die Menschen. Schon jetzt kommt mit 83 Milliarden Euro im Jahr rund ein Drittel der Einnahmen aus der Steuerkasse. Sollen wir daraus 130 Milliarden machen?
Riester: Vieles von dem, was ich zurzeit so aus der SPD höre, ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir damals vertreten haben. Da fragt sich auch jeder, der es noch gut mit uns meint: Wofür steht diese Partei denn jetzt? Und die, die uns kritisch gegenüberstehen, sagen: Typisch SPD. Beides ärgert mich.
Riester: Ich möchte, dass aus jedem Erwerbseinkommen Rücklagen für die Rente gebildet werden, also auch aus den Einkommen von Selbstständigen und Beamten. In der Schweiz und Österreich, das nur als Beispiel, zahlen auch Selbstständige in die Rentenkassen ein. Außerdem haben wir seit 20 Jahren eine gravierende Veränderung des Arbeitsmarktes mit immer mehr Niedriglöhnern und immer mehr Teilzeitbeschäftigten. Das heißt, bis zu 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, haben heute nur ein halbes Einkommen – mit entsprechend niedrigen Renten später. Auf diese Entwicklung sind unsere Sozialsysteme noch immer nicht eingestellt.
Walter Riester
In der rot-grünen Koalition war Walter Riester von 1998 bis 2002 Sozialminister. Der gebürtige Kaufbeurer hat nach der Volksschule den Beruf des Fliesenlegers gelernt und auch seinen Meister gemacht, ehe er Jugendsekretär beim DGB-Landesbezirk Baden-Württemberg wurde und bis zum zweiten Vorsitzenden der IG Metall aufstieg. SPD-Mitglied ist der 72-Jährige seit 1966. Von 1988 bis 2005 saß er auch im Bundesvorstand der Partei. Text: rwa/FOTO: Alexander Kaya
war Carsten Maschmeyer damit unzufrieden. Sie sei zu kompliziert und
bedürfe einer langen Erklärung durch die Finanzvermittler. Zudem bringe
sie nur wenig Provision ein. Dann haben seine Spezl in der Politik offenbar den gravierendsten Mangel beseitigt.