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In der Abgasaffäre greift die Justiz endlich durch
Harald Korb       -  Harald Korb
Harald Korb
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:29 Uhr

Wer sich in den zurückliegenden Jahren einen Diesel aus der Fahrzeugpalette von VW, des größten deutschen Autobauers, gekauft hat, muss sich ganz schön über den Tisch gezogen fühlen. Weite Teile des Motorensortiments der Selbstzünder weisen manipulierte Abgaswerte auf. Das hat erhebliche Auswirkungen für die Kunden: starker Wertverlust samt Einbußen beim Weiterverkauf, Unsicherheit über die Nutzung wegen möglichen Dieselfahrverboten und Ungemach, wenn der Diesel wegen Softwarenachrüstung in die Werkstatt muss. Das alles hatten sich die Käufer der Ölbrenner bestimmt anders vorgestellt.

Dabei hatten Politik und Autoindustrie hierzulande viel unternommen, um das positive Umweltimage des Diesels zu fördern, ihn als wegweisende Technologie gegen steigende CO2-Belastung gepriesen. Zugegeben: Die Fahrleistungen der Selbstzünder sind bemerkenswert – erhebliche Beschleunigung bei niedrigen Drehzahlen, satte Zugkraft beim Anhängerbetrieb und vergleichsweise günstiger Verbrauch. Nicht umsonst ist die große Mehrzahl der beliebten SUV mit Dieselaggregat unterwegs.

Nur: Die Abgaswerte, insbesondere der Ausstoß an Stickoxiden, sind nur bei sehr verhaltener Fahrweise tolerabel. Und das hat Folgen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Werte für die Zulassung eines Autos wurden bislang auf dem Prüfstand ermittelt – und da tat die Betrugssoftware ihren Dienst. Was später auf der Straße passierte, war nebensächlich – bis die US-Umweltschutzbehörde bei VW genauer hinschaute und die Manipulation aufdeckte.

VW wollte in den USA nicht unter die Räder kommen

Der Hintergrund für deren Einsatz ist schnell erklärt: Mitte der 2000er Jahre startete der japanische Autobauer und Weltmarktführer Toyota seine große Hybridoffensive in den USA. Um auf dem wichtigen US-Markt nicht unter die Räder zu kommen, konterte VW mit dem „Clean Diesel“. Die gesetzlichen Abgaswerte waren allerdings nur mit der Betrugssoftware einzuhalten – also wurde sie, wie jetzt klar ist, maßgeblich bei Audi entwickelt und auch konzernweit eingesetzt. Denn lange hatte VW ja das Ziel, weltweit größter Autohersteller zu werden. Und das geht ohne den US-Markt nicht. Was dann über dem Großen Teich funktionierte, schwappte flugs ins Land der Ingenieurskunst zurück.

Vertrauensverlust wird nur schwer aufzufangen sein

Grundsätzlich muss man sagen, dass auch die Politik mit ihrem Verhalten das betrügerische Vorgehen rund um der Deutschen liebstes Kind begünstigte. Da wurde nicht genau hin- oder gar weggeschaut, um diese Schlüsselindustrie nicht zu belasten. Und jetzt noch das die Verbraucher verunsichernde Gezerre um Dieselfahrverbote und Hardware-Nachrüstung, die die Selbstzünder wieder in die Spur bringen würde – deren Kosten die Autoindustrie aber nicht übernehmen will. Sie wird den Vertrauensverlust deshalb nur schwer verkraften können: Die Diesel-Verkäufe sind schon bisher um 17 Prozent zurückgegangen.

Mit der U-Haft von Audi-Chef Rupert Stadler wegen Verdunkelungsgefahr in der Abgasaffäre greift die Justiz nun endlich durch. Erstmals sitzt ein aktiver Vorstandschef der deutschen Autoindustrie ein. Die Festnahme Stadlers ist ein schwerer Schlag für den VW-Konzern und dessen Ansehen in der Öffentlichkeit. Zugleich muss man es als eine Quittung für die mangelnde Kooperationsbereitschaft im Skandal um die Abgasmanipulation sehen. Nicht zu vergessen: Auch gegen den ehemaligen VW-Konzernchef Martin Winterkorn besteht ein Haftbefehl in den USA. Auch einige BMW- und Daimler-Modelle sind inzwischen ins Gerede gekommen – und das wird noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Übrigens: Rudolf Diesel, der Erfinder des Dieselmotors, soll ein wirklicher Ehrenmann gewesen sein. Von manchen seiner Nachfolger in der Autoindustrie kann man das wohl weniger behaupten.

 
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