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„Ich bin ein Sozialliberaler“
Kruck oder Burkard?
Das Gespräch führte Michael Stifter
 |  aktualisiert: 16.07.2013 19:32 Uhr

Wolfgang Kubicki gilt als Quertreiber in der FDP. Im Gespräch mit dieser Zeitung äußert er sich über die Chancen der FDP bei der Bundestagswahl, darüber, was passiert, wenn die Partei scheitert, über missglückte Flirts und Konsequenzen aus dem Tod seines Freundes Jürgen Möllemann.

Frage: Sie haben mal gesagt, Sie könnten nicht nach Berlin gehen, weil Sie dort zum Trinker oder Hurenbock würden. Wie haben Sie Ihrer Frau denn erklärt, dass Sie im Herbst für den Bundestag kandidieren?

Wolfgang Kubicki (lacht): Ich bin ja sittlich und moralisch gefestigt. Meine Frau hat natürlich darauf bestanden, dass sie einen Schlüssel zur Wohnung bekommt und mich auch unangemeldet besuchen darf. Wissen Sie, das ist meine dritte Frau und sie sagt: „Mehr kannst du dir eh nicht leisten.“ Da hat sie recht. Die Gefahr, dass ich in Berlin unter die Räder komme, besteht also nicht.

Sie rechnen mit mindestens acht Prozent für die FDP bei der Bundestagswahl. In den Umfragen liegt die Partei gerade mal bei der Hälfte.

Kubicki: Ich sehe Ihren skeptischen Blick. Mich beeindruckt das überhaupt nicht. Wir hatten im Mai 2012 am Tag der Landtagswahl noch einen Umfragewert von vier Prozent und haben dann 8,2 Prozent geholt.

Wie erklären Sie sich das anhaltende Stimmungstief der Liberalen?

Kubicki: Wir sind denunziert worden als Mövenpick-Partei, wir sind denunziert worden als kaltherzige Egomanen. Dieses Image ändert sich nur langsam, aber es ändert sich.

Sie haben sich für Lohnuntergrenzen und einen höheren Spitzensteuersatz ausgesprochen. Da liegt ein Bündnis mit der SPD nahe, oder?

Kubicki: Ich bin tatsächlich ein Sozialliberaler, und ich könnte mit Peer Steinbrück sofort eine Koalition eingehen. Ich kenne ihn sehr lange, wir haben zusammen studiert. Als er in Schleswig-Holstein Minister gewesen ist, war er mehr mit mir zusammen als mit seiner eigenen Truppe. Das Problem ist nur, die SPD-Linie ist nicht die Steinbrück-Linie. Er wollte Beinfreiheit und hat eine Zwangsjacke bekommen.

Die FDP hat sich auch von der Union distanziert, als es um teure Wahlversprechen ging. Hat sich Schwarz-Gelb auseinandergelebt oder geht es darum, eigenes Profil zu zeigen?

Kubicki: Es gehört zu unseren Kernkompetenzen, dass man der FDP immer noch mehr als anderen zutraut, wirtschaftliche Vernunft walten zu lassen. Wir müssen gegen die Union gar nichts tun, das machen die schon selbst.

Wie denn?

Kubicki: Ich bin fast aus dem Bett gefallen, als ich gehört habe, dass CDU und CSU plötzlich nichts mehr von der Vorratsdatenspeicherung wissen wollen. Herr Seehofer weiß ja abends oft schon nicht mehr, was er morgens gesagt hat.

Der Datenschutz ist ja ein Lieblingsthema der FDP: Jetzt kommt heraus, dass die USA massenhaft Daten aus Deutschland ausspionieren. Was sagen Sie dazu?

Kubicki: Das ist eine extreme Schweinerei. Aber ich wundere mich, dass sich alle darüber wundern. Das haben die Amerikaner gemacht, als sie uns besetzt hatten. Das haben sie gemacht, nachdem wir souveräner Staat wurden. Und selbstverständlich nutzen sie ihre Möglichkeiten, um das auch heute zu tun. Wir können das nur beenden, wenn wir als EU mit den USA verhandeln.

Würden Sie Edward Snowden Asyl in Deutschland gewähren?

Kubicki: Nein, er ist ja kein politisch Verfolgter. Ich halte folgenden Vorschlag für klüger: Wir sollten alle – notfalls auch Staaten – Geld zur Verfügung stellen, damit sich der Mann die besten Anwälte der Welt leisten kann, wenn er in den USA vor Gericht steht. Es wäre für Barack Obama ein Super-GAU, wenn das Oberste Gericht feststellen würde, dass diese Form des Abgreifens von Daten verfassungswidrig ist. Dann wäre Edward Snowden ein Held.

Apropos Helden: Schauen Sie zur Entspannung immer noch Kriegsfilme?

Kubicki: Für mich ist es das Größte, mit Vollmilch-Nuss-Schokolade und einem Glas Milch Kriegsfilme zu gucken. Ich spiele in jedem Film mit und bin anschließend so erschöpft, dass ich sofort einschlafe. Ich empfehle Ihnen „Sniper“. Wenn Sie den bis zu Ende sehen, sind Sie nachher auch schweißgebadet. Und diese Filme erinnern mich jedes Mal daran, alles dafür zu tun, dass sie nicht Wirklichkeit werden.

Im Krieg geht es um Kämpfen, Durchhalten, Überleben. In der Politik auch?

Kubicki: Aus den Kriegsfilmen lernen Sie zwei Dinge. Erstens: Sie sind immer auf sich allein gestellt. Und zweitens: Allein können Sie trotzdem nichts bewirken. Das gilt auch für die Politik.

Sie sagen, über den Kampf entstehe politisches Profil. Ist Politik heute zu weich gespült?

Kubicki: Niemand will heute mehr wirklich klare Kante zeigen, aus lauter Angst, er könnte irgendwo anecken oder Angriffsfläche bieten.

Ihnen kann man in der politischen Auseinandersetzung jedenfalls keine Zimperlichkeit unterstellen.

Kubicki: Das stimmt. Wobei ich seit dem Tod von Jürgen Möllemann nicht mehr ganz so bösartig bin.

Weil Sie miterlebt haben, wie Ihr Freund dem Druck und den Anfeindungen nicht mehr standhalten konnte und sich das Leben nahm?

Kubicki: Ja. Ich versuche, wenn ich jemanden vors Brett nehme, das immer so zu gestalten, dass es für den anderen noch verkraftbar ist. Man sagt zwar gern, Politiker müssten das doch aushalten können. Aber es sind eben immer noch Menschen und keine Maschinen.

Wird Christian Lindner Parteichef, wenn die Liberalen nicht mehr in den Bundestag kommen?

Kubicki: Wenn die FDP, was ich wirklich ausschließe, den Einzug in den Bundestag verpasst, wird die Partei implodieren. Dann könnten wir nackt Samba tanzen und würden trotzdem beim nächsten Mal keine fünf Prozent mehr holen.

Interessante Vorstellung.

Kubicki: Bevor Sie das jetzt falsch verstehen: Das sollte natürlich kein Angebot sein.

Wolfgang Kubicki

Der gebürtige Braunschweiger Wolfgang Kubicki ist zum dritten Mal verheiratet. Er ist 61 Jahre alt und hat zwei Kinder. Neben seiner politischen Karriere arbeitet er als Rechtsanwalt. Sein Examen machte er in Kiel, wo er gemeinsam mit Peer Steinbrück studierte. Kubicki ist seit 1971 Mitglied der FDP. Er war sechsmal Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein. Seit 1996 führt er die Fraktion der Liberalen im Kieler Landtag. Im September kandidiert er für den Deutschen Bundestag. Er war bereits zweimal kurzzeitig Mitglied des Parlaments. TEXT: msti

 
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