Wolfgang Kubicki gilt als Quertreiber in der FDP. Im Gespräch mit dieser Zeitung äußert er sich über die Chancen der FDP bei der Bundestagswahl, darüber, was passiert, wenn die Partei scheitert, über missglückte Flirts und Konsequenzen aus dem Tod seines Freundes Jürgen Möllemann.
Wolfgang Kubicki (lacht): Ich bin ja sittlich und moralisch gefestigt. Meine Frau hat natürlich darauf bestanden, dass sie einen Schlüssel zur Wohnung bekommt und mich auch unangemeldet besuchen darf. Wissen Sie, das ist meine dritte Frau und sie sagt: „Mehr kannst du dir eh nicht leisten.“ Da hat sie recht. Die Gefahr, dass ich in Berlin unter die Räder komme, besteht also nicht.
Kubicki: Ich sehe Ihren skeptischen Blick. Mich beeindruckt das überhaupt nicht. Wir hatten im Mai 2012 am Tag der Landtagswahl noch einen Umfragewert von vier Prozent und haben dann 8,2 Prozent geholt.
Kubicki: Wir sind denunziert worden als Mövenpick-Partei, wir sind denunziert worden als kaltherzige Egomanen. Dieses Image ändert sich nur langsam, aber es ändert sich.
Kubicki: Ich bin tatsächlich ein Sozialliberaler, und ich könnte mit Peer Steinbrück sofort eine Koalition eingehen. Ich kenne ihn sehr lange, wir haben zusammen studiert. Als er in Schleswig-Holstein Minister gewesen ist, war er mehr mit mir zusammen als mit seiner eigenen Truppe. Das Problem ist nur, die SPD-Linie ist nicht die Steinbrück-Linie. Er wollte Beinfreiheit und hat eine Zwangsjacke bekommen.
Kubicki: Es gehört zu unseren Kernkompetenzen, dass man der FDP immer noch mehr als anderen zutraut, wirtschaftliche Vernunft walten zu lassen. Wir müssen gegen die Union gar nichts tun, das machen die schon selbst.
Kubicki: Ich bin fast aus dem Bett gefallen, als ich gehört habe, dass CDU und CSU plötzlich nichts mehr von der Vorratsdatenspeicherung wissen wollen. Herr Seehofer weiß ja abends oft schon nicht mehr, was er morgens gesagt hat.
Kubicki: Das ist eine extreme Schweinerei. Aber ich wundere mich, dass sich alle darüber wundern. Das haben die Amerikaner gemacht, als sie uns besetzt hatten. Das haben sie gemacht, nachdem wir souveräner Staat wurden. Und selbstverständlich nutzen sie ihre Möglichkeiten, um das auch heute zu tun. Wir können das nur beenden, wenn wir als EU mit den USA verhandeln.
Kubicki: Nein, er ist ja kein politisch Verfolgter. Ich halte folgenden Vorschlag für klüger: Wir sollten alle – notfalls auch Staaten – Geld zur Verfügung stellen, damit sich der Mann die besten Anwälte der Welt leisten kann, wenn er in den USA vor Gericht steht. Es wäre für Barack Obama ein Super-GAU, wenn das Oberste Gericht feststellen würde, dass diese Form des Abgreifens von Daten verfassungswidrig ist. Dann wäre Edward Snowden ein Held.
Kubicki: Für mich ist es das Größte, mit Vollmilch-Nuss-Schokolade und einem Glas Milch Kriegsfilme zu gucken. Ich spiele in jedem Film mit und bin anschließend so erschöpft, dass ich sofort einschlafe. Ich empfehle Ihnen „Sniper“. Wenn Sie den bis zu Ende sehen, sind Sie nachher auch schweißgebadet. Und diese Filme erinnern mich jedes Mal daran, alles dafür zu tun, dass sie nicht Wirklichkeit werden.
Kubicki: Aus den Kriegsfilmen lernen Sie zwei Dinge. Erstens: Sie sind immer auf sich allein gestellt. Und zweitens: Allein können Sie trotzdem nichts bewirken. Das gilt auch für die Politik.
Kubicki: Niemand will heute mehr wirklich klare Kante zeigen, aus lauter Angst, er könnte irgendwo anecken oder Angriffsfläche bieten.
Kubicki: Das stimmt. Wobei ich seit dem Tod von Jürgen Möllemann nicht mehr ganz so bösartig bin.
Kubicki: Ja. Ich versuche, wenn ich jemanden vors Brett nehme, das immer so zu gestalten, dass es für den anderen noch verkraftbar ist. Man sagt zwar gern, Politiker müssten das doch aushalten können. Aber es sind eben immer noch Menschen und keine Maschinen.
Kubicki: Wenn die FDP, was ich wirklich ausschließe, den Einzug in den Bundestag verpasst, wird die Partei implodieren. Dann könnten wir nackt Samba tanzen und würden trotzdem beim nächsten Mal keine fünf Prozent mehr holen.
Kubicki: Bevor Sie das jetzt falsch verstehen: Das sollte natürlich kein Angebot sein.
Wolfgang Kubicki
Der gebürtige Braunschweiger Wolfgang Kubicki ist zum dritten Mal verheiratet. Er ist 61 Jahre alt und hat zwei Kinder. Neben seiner politischen Karriere arbeitet er als Rechtsanwalt. Sein Examen machte er in Kiel, wo er gemeinsam mit Peer Steinbrück studierte. Kubicki ist seit 1971 Mitglied der FDP. Er war sechsmal Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein. Seit 1996 führt er die Fraktion der Liberalen im Kieler Landtag. Im September kandidiert er für den Deutschen Bundestag. Er war bereits zweimal kurzzeitig Mitglied des Parlaments. TEXT: msti