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Hollandes Visionen für Frankreich
Strategien für die Zukunft: Frankreichs Präsident François Hollande.
Foto: afp | Strategien für die Zukunft: Frankreichs Präsident François Hollande.
Von unserer Korrespondentin Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 19.08.2013 19:20 Uhr

Anders als die meisten seiner Landsleute gönnt sich Frankreichs Präsident Francois Hollande kaum Urlaub: In einer Tour de France umwirbt er sie und versucht Optimismus zu versprühen, denn im Herbst warten unpopuläre Reformen, vor allem die des Rentensystems.

Frankreich im Jahr 2025 wird stark und selbstbewusst sein, technologisch fortgeschritten und industriell gut aufgestellt. Es wird seine Schwächen bekämpft und seine Vorzüge ausgeschöpft haben. Und die Bürger werden endlich wieder an ihr Land glauben. So skizzieren die Mitglieder des französischen Kabinetts ihre Visionen von der Zukunft, die sie am Montag bei der Klausur „Frankreich im Jahr 2025“ vorstellten.

„Alles wird besser“ – das ist die Quintessenz der Überlegungen zu den kommenden zwölf Jahren, die sich jeder der 37 Minister machen sollte. Präsident François Hollande hatte ihnen diese „Hausaufgabe“ für die ohnehin knapp bemessenen 14 Tage Ferien aufgetragen. Er selbst gönnte sich gar nur eine Woche Auszeit, um nicht in den Verdacht zu kommen, er erhole sich, während Frankreich an der Krise leidet. Sein zweiwöchiger Urlaub im vergangenen Jahr war der Anfang seines Absturzes in den Umfragen. Denn dass er, gerade frisch gewählt, eine Auszeit mit Lebensgefährtin Valérie Trierweiler nahm und Magazine unvorteilhafte Fotos in Urlaubskluft zeigten, brachte seine Beliebtheitswerte ins Fallen. Seither traut ihm nicht einmal noch jeder dritte Franzose zu, das Land aus der Krise zu führen.

Nun tritt der Präsident der miesen Stimmung im Land mit unverbesserlichem Optimismus entgegen. Rückenwind bekommt er durch die jüngsten Zahlen, nach denen die französische Wirtschaft die Rezession verlassen und im zweiten Quartal des Jahres sogar überraschend stark um 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zugelegt hat. Und nun auch von seinen Ministern. Es brauche eine „nationale Strategie“ und ein „kollektives Objekt“, um sich nicht nur in der Reaktion auf tagesaktuelle Probleme zu erschöpfen, erklärte Hollande. Drei Prioritäten machte er aus: Frankreichs politische, diplomatische und militärische Souveränität, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft und der Zusammenhalt der Gesellschaft.

Auch die Minister-Vorschläge erhalten statt detaillierter Reformvorhaben vor allem fromme Wünsche. So verspricht Wohnungsbauministerin Cécile Duflot, dank der Schaffung von sechs Millionen Sozialwohnungen sei die Wohnungssuche 2025 „nicht mehr ein Stress- oder Unsicherheitsfaktor, sondern eine erfreuliche Lebensetappe“. Innenminister Manuel Valls sieht „effiziente Ordnungskräfte 3.0 auf Höhe des technologischen Fortschritts“ voraus, ohne zu präzisieren, was genau er damit meint. Wirtschaftsminister Pierre Moscovici hält eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung und einen ausgeglichenen Haushalt 2025 für realistisch, sieht aber den Abstieg vom fünften auf den achten oder neunten Platz der Weltwirtschaften voraus und warnt davor „zu vergessen, unsere Versprechen für fünf Jahre zu halten, bevor wir uns Ziele für zehn Jahre setzen“.

Das mahnt auch die Opposition an. Laurent Wauquiez, Vize-Präsident der bürgerlich-konservativen UMP, nennt die Klausur „surreal“ angesichts der dringlichen aktuellen Probleme: „Sie sollte sich eher mit der Frage beschäftigen, wie man weitere Steuererhöhungen vermeidet.“ Der Zentrums-Politiker François Bayrou beklagt, die Regierung habe noch keine einzige echte Reform angepackt.

Die EU-Kommission fordert tiefgreifende Strukturreformen und Ausgabenkürzungen statt ständiger Steuererhöhungen. Eine Arbeitsmarktreform für mehr Flexibilität der Unternehmen wurde beschlossen, die die Wirtschaft als Schritt in die richtige Richtung, aber längst nicht ausreichend bezeichnet. Ende August wird die Regierung den Sozialpartnern die Umrisse einer Rentenreform vorstellen, die wohl keine generelle Erhöhung des Renteneintrittsalters, aber eine Verlängerung der Beitragslänge vorsieht, um die volle Rente zu erhalten. Es könnte die Zusatzsteuer zur Finanzierung der Sozialversicherung CSG steigen, die wiederum die Kaufkraft beschneidet. Alle, auch die Rentner, müssten einen Beitrag leisten, erklärte der Präsident, der versucht, die Menschen mit seiner Charme-Offensive für sich einzunehmen. Zwei Gewerkschaften haben bereits einen Protesttag für den 10. September angekündigt. Nach einem wenig erholsamen Sommer steht Hollande ein heißer Herbst bevor.

Für den Herbst stehen nämlich konkrete Verhandlungen an, vor allem die für das Budget 2014 und die Rentenreform. Heikle Themen, auf die die Bürger eingestimmt werden sollen mit positiven Zukunftsvisionen. Doch auch die Regierungsmitglieder selbst gilt es zu motivieren, nachdem es wiederholt starke Verstimmungen unter ihnen gab. Schlimmer als das erste Jahr könne dieses zweite gar nicht werden, zitiert die Zeitung „Libération“ einen Mitarbeiter im Elysée-Palast: „Ist Hollande ein Diesel, der noch in Gang kommt, oder geht das Durcheinander weiter? Das ist die Frage, die jeder sich stellt.“ Eine Frage für das Jahr 2013, das die Menschen mehr umtreibt als 2025.

 
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