Nach etlichen kritischen Büchern über den Islam lebt der ägyptischstämmige Islamkritiker und Erfolgsautor Hamed Abdel-Samad in Deutschland unter Polizeischutz. Auch mit seinem neuen Buch provoziert Abdel-Samad. Denn er spricht dem Koran den Status einer „Offenbarung Gottes“ ab und beschreibt ihn als „menschengemachtes Produkt“.
Frage: Sie haben in früheren Büchern bereits den „Islamischen Faschismus“ beleuchtet und mit dem Propheten Mohamed abgerechnet. In ihrem neuen Buch setzen Sie sich extrem kritisch mit dem Koran auseinander. Was treibt Sie an?
Hamed Abdel-Samad: Ich versuche in diesem Buch, die innerste Schicht des Islam freizulegen, versuche den Koran zu enthüllen wie eine Zwiebel, um zu zeigen, was er wirklich ist. In einer Zeit wie dieser ist das Verlangen groß nach einer historisch-kritischen Analyse des Koran. Natürlich haben schon viele Kritiker vor mir betont, dass man den Koran im historischen Kontext sehen müsse. Für mich aber bedeutet eine historisch-kritische Analyse auch, dass man Kritik üben muss, üben soll. Da traut sich niemand heran. Ich mache es. Irgendjemand muss es ja machen.
Warum aber tun Sie es?
Abdel-Samad: Sehen Sie, ich bin mit dem Koran praktisch aufgewachsen. Seit ich drei Jahre alt bin, kenne ich Koransuren – mein Vater war ein ägyptischer Imam. Ich kenne den Koran so gut wie meine zehn Finger.
Was ist neu in ihrem Buch?
Abdel-Samad: Viele andere Autoren beleuchten den Koran durchaus im historischen Kontext und ordnen ihn zeitgeschichtlich ein, lassen ihm aber den Status als Offenbarung Gottes. Meine These ist, dass die Botschaften des Koran Mohameds persönlichen Werdegang spiegeln. Brauchte der Prophet zu Beginn seiner Karriere Frieden, weil seine Gemeinde aus wenigen Anhängern bestand und klein und schwach war, rief Allah zum Frieden auf. Findet sich Mohamed im Konflikt mit Andersgläubigen, offenbart ihm sein Gott Koransuren, in denen der Krieg praktisch als Gottesdienst überhöht wird.
Sie nehmen dem Koran also seine Göttlichkeit.
Abdel-Samad: Wie soll es denn anders gehen? Ich glaube, eine Analyse des Koran kann erst Früchte tragen, wenn man sich von der Macht des Textes als ewiges und allgemeingültiges Wort Gottes löst. Für mich ist der Koran keine Offenbarung Gottes, sondern ein menschengemachtes Produkt. Der Koran ist, wenn man so will, ein Supermarkt, aus dem sich jeder heraussuchen kann, was er gerade braucht. Er ist eine lose Sammlung von Textpassagen, die in keinem inneren Zusammenhang stehen. Der Zusammenhang erschließt sich dann, wenn man sie chronologisch liest und erkennt, dass die Suren Reaktionen auf politische und militärische Entwicklungen der Zeit und auf Mohameds Lebensumstände waren.
Der Koran präsentiert sich ja nun auch den Gläubigen selbst als äußerst widersprüchliches Werk. Moderate Muslime verweisen auf Suren, in denen Allah zur Barmherzigkeit aufruft und heben das Toleranzpotenzial des Koran hervor. Mit ebendiesem Koran rechtfertigen aber auch gewalttätige Fundamentalisten ihre Taten. Wie erklärt sich das?
Abdel-Samad: Man kann den Koran grob unterteilen in eine mekkanische und eine medinensische Phase. In der frühen Phase, in der Mohamed in Mekka lebte und nur den Anspruch hatte, als Prophet anerkannt zu werden, gibt sich der Koran mild. Auf diese mekkanischen Teile berufen sich Muslime, die die Barmherzigkeit des Koran hervorheben wollen. Später, als Mohamed nach Medina gezogen war und Juden und Christen von der arabischen Halbinsel vertreiben wollte, entstanden Suren, die zum totalen Krieg aufrufen. Diese letzten Suren des Koran fordern Gläubige auf, Ungläubige zu töten. Auf diese Suren berufen sich natürlich die Terroristen heute.
Ihrer Meinung nach ist der Koran für moderne Muslime kein moralisch legitimiertes Handlungssystem mehr. Als was sollen moderne Muslime dann den Koran sehen? Was bleibt von ihm?
Abdel-Samad: Die meisten Regeln des Koran waren konkrete Antworten auf bestimmte zeitgeschichtliche Ereignisse. Diese Passagen können wir heute nicht mehr verwenden. Den juristischen Teil des Koran können wir nicht mehr verwenden – die Scharia ist undenkbar als Handlungsanweisung heute. Was bleibt, sind die allgemeinen Lebensprinzipien. Allgemeine ethische Grundsätze wie das Streben nach Solidarität und Gerechtigkeit, nach Ehrlichkeit und nach Bewahrung der Schöpfung.
Was bleibt, sind lyrische und spirituelle Passagen, in denen Gläubige Halt finden und aus denen sie Hoffnung schöpfen können.
Sehen Sie bei den deutschen Muslimen die Bereitschaft, sich auf Ihre kritischen kontextgebundenen Korananalysen einzulassen – oder nicht?
Abdel-Samad: Mir ist bewusst, dass fundamentalistische Kreise und auch vielleicht moderatere Muslime das Werk ablehnen. Aber ich sehe mein Buch als Appell an die Muslime, sich auf eine kritische Analyse einzulassen, um des Friedens willen. Denn sehen Sie: Die Muslime, die weiterhin auf eine Unantastbarkeit des Koran pochen und auf einer Unantastbarkeit des Propheten beharren, unterstützen doch dadurch die Fundamentalisten. Sie unterstützen dadurch Terroristen, die im Namen von Mohamed morden. Solange alles, was der Prophet gesagt hat, als heilig gilt und damit auch die Kriegssuren als heilig gelten – solange können die Terroristen des Islamischen Staates ihre Taten damit rechtfertigen.
Wie soll Ihrer Meinung nach die deutsche Gesellschaft mit jenen Muslimen umgehen, die mit Bezug auf den Koran das Recht auf Kopftuchtragen und eventuell Burkatragen ableiten? Ihnen entgegenkommen und ihre Religionsfreiheit achten? Oder auf die Werte einer säkularisierten Welt pochen?
Abdel-Samad: Ich stehe ganz klar für Säkularisierung; mein Buch soll dazu beitragen. Nicht alles, was religiös ist, ist automatisch gut und zu akzeptieren. Wenn ein Muslim mit Verweis auf den Koran seiner Tochter den Schwimmunterricht verweigert oder sie zwingt, Kopftuch zu tragen, dann ist das für mich nicht Religionsfreiheit, sondern ein Verstoß gegen Artikel 2 des Grundgesetzes. Artikel 2 steht für die freie Entfaltung der Persönlichkeit – unabhängig von der Gesellschaft, unabhängig auch von der Familie. Dieses Recht steht für mich höher als die Religionsfreiheit.
Auch die Bibel (speziell das Alte Testament) ist ein Sammelsurium von Schriften, die in ihrer Zeit je nach Interessenlage der Propheten und anderen Autoren entstanden sind.
Das Problem mit den Strenggläubigen war schon immer, dass einzelne Passagen allzu wörtlich genommen werden, ungeachtet des Zusammenhangs in dem sie entstanden.
Daher sind alle Prediger, die in unser Land gesandt werden (egal ob katholische Pfarrer oder Imame in den Moscheen) abzulehnen, da sie sich schwer tun, die bundesdeutsche Lebens-Wirklichkeit zu erfassen und zu akzeptieren.
Seelsorger und Religionslehrer sollten in unserem Land ausgebildet und auf unser Grundgesetz vereidigt werden in Anbetracht der Tatsache, dass sie großen Einfluss auf unseren Alltag haben.
Nur gewissenlose Politiker haben das noch nicht begriffen, sie überschlagen sich nur gegenseitig mit den Worten, dass der Islam zu Deutschland gehört. Warum wohl?
Zu faul, sich wirlich kundig zu machen oder schielen nach neuen Wählergruppen?