Ein legeres Jackett, Freizeithemd und dunkle Jeans, ganz locker betritt Karl-Theodor zu Guttenberg den Konferenzraum im Schlosshotel Elmau, in dem sich in fünf Wochen sieben Staats- und Regierungschefs zum G7-Gipfel treffen werden. Ein akkurat gestutzter Vollbart und die dicke modische Brille lassen auch auf den zweiten Blick den ehemaligen Wirtschafts- und Verteidigungsminister kaum mehr erkennen.
Auf Einladung der Deutschen Presseagentur ist Karl-Theodor zu Guttenberg aus New York angereist, um mit bayerischen Journalisten über den bevorstehenden G7-Gipfel zu diskutieren. Und als er anhebt, die Hintergründe des Gipfels zu erläutern, seine Sätze geschliffen formuliert und gestenreich unterstreicht, da ist er wieder ganz der alte Karl-Theodor zu Guttenberg, wie man ihn kennt und wie ihn 38 Prozent der Deutschen wieder in der Politik sehen möchten.
Zunächst gibt sich der Gast auch sehr staatsmännisch. Zwar kalauert er, der G7-Gipfel sei der „hochrangigste Deklarationsklub der Welt“. Im Abschlussdokument würden Verben wie „wir begrüßen, wir erklären, wir unterstützen“ tatsächliche Beschlüsse ersetzen. Dennoch sei die Bedeutung derartiger Treffen nicht zu unterschätzen. Dabei seien die Gespräche der Teilnehmer am Rande des Gipfels und außerhalb der Tagesordnung oft wichtiger als das offizielle Programm. Hier könnten sich Regierungschefs in entspannter Atmosphäre austauschen. Über was dann geredet werde, sei keineswegs dem Zufall überlassen. Er selbst habe als Wirtschafts- und Verteidigungsminister den einen oder anderen Gipfel mit vorzubereiten gehabt. Auch die Themen am Rande, etwa beim Spaziergang am Abend, würden genau geplant.
Deutschland sei bei diesem Gipfel nicht nur Gastgeber, sondern eigentlich der stärkste und mächtigste Partner, baut von Guttenberg eine gewisse Erwartungshaltung auf. Aus amerikanischer Sicht sei die Bundesrepublik mit Angela Merkel als Kanzlerin die letzte echte Führungskraft in Europa. Der italienische Regierungschef Matteo Renzi bestehe kaum vor seinen eigenen Leuten, bei Frankreichs Präsident François Hollande warte man auf eine „Schröderisierung“ seiner Politik, habe dies aber längst aufgegeben. Großbritannien hat am 5. Mai Wahlen, es sei folglich gar nicht klar, ob David Cameron noch eine Mehrheit im eigenen Land hat. Aber auch die nicht-europäischen Regierungschefs seien geschwächt. Kanadas Premier Stephen Harper stecke mitten im Wahlkampf, Japans Regierungschef Shinzo Abe sei aktuell vor allem mit dem japanisch-chinesischen Spannungsfeld beschäftigt und Barack Obama sei die „lamest duck“ (lahmste Ente), die es je in der zweiten Amtszeit eines amerikanischen Präsidenten gegeben habe. Der G7 sei auch längst nicht mehr das Treffen der wichtigsten Industrienationen. Rußland wurde erneut und laut zu Guttenberg zu Recht wegen der Ukraine-Krise ausgeladen.
Es sei nicht viel außer hehren Absichtserklärungen zu erwarten. Und es werde viele Enttäuschungen geben, so zu Guttenberg, der jetzt richtig in Fahrt kommt. „Lesen Sie doch mal die Gipfelerklärungen der vergangenen Jahre durch“, fordert der die Journalisten auf. Aus den „roten Linien“, die man Syriens Bascha Al-Assad noch vor einem Jahr markierte, seien doch fast schon rote Teppiche geworden, weil man ihn für das kleinere Übel hält.
Theodor zu Guttenberg, wie man ihn kennt, wie man ihn schätzte und auch überschätzte. Und dann blitzt auch die Überheblichkeit wieder durch, die dem zur „Lichtgestalt“ überhöhten Politiker letztlich genauso zum Verhängnis wurde wie seine über weite Teile abgeschriebene Doktorarbeit. Deutschland sei ja auch nur so stark, weil die anderen so schwach seien, sagt zu Guttenberg. Und dann kommt die Frage, ob er denn ausschließen könne, wieder in die Politik zu gehen. Zu Guttenberg grinst gequält: „Ich dachte, diese Art zu fragen hat der deutsche Journalismus überwunden“, um doch zu antworten: „Aus jetziger Sicht kann ich es ausschließen und in die jetzige Sicht dürfen Sie hineininterpretieren, was Sie wollen.“ Er macht es dann doch lieber selbst. Er habe alle Höhen und Tiefen als Politiker erlebt, sei jetzt frei und mit einer eigenen Beratungsfirma für Start-ups in den USA sehr erfolgreich. Ja, er verbringe die Urlaube weiterhin in seiner fränkischen Heimat, nur falle er jetzt nicht mehr auf Feuerwehr- und Vereinsfesten rum. Er genieße das Mehr an Freizeit mit seiner Familie und seinen Kindern und wisse jetzt, was man verpasse, diese wichtige Zeit in einem Spitzenamt zu verbringen.
Er sei weiterhin ein politischer Mensch und genieße die Freiheit, sich ohne Rücksicht äußern zu dürfen. Dazu gibt er dann auch noch eine weitere Kostprobe. Zu Guttenberg vergleicht die Europäische Union mit einem „Patienten auf dem Operationstisch, um den 28 mehr oder weniger begabte Operateure stehen, die gelegentlich über den Stecker der Herz-Lungen-Maschine stolpern, ihn aber gerade noch rechtzeitig immer wieder reinstöpseln“.
Dann gibt er den Gipfelteilnehmern noch eine sehr ernste Mahnung mit auf den Weg: Es mache ihn sprachlos, dass die Digitalisierung unserer Gesellschaft noch immer kein Thema auf derartigen Treffen sei. Auch über ihre „wild gewordenen Geheimdienste“ sollten sich die Staats- und Regierungschefs mal unterhalten.
G7-Gipfel
Am 7. und 8. Juni 2015 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 (Gruppe der Sieben) zu ihrem Gipfel in Schloss Elmau in Oberbayern. Neben Fragen der Weltwirtschaft, der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik beraten sie dort auch über die 2015 anstehenden UN-Konferenzen zum internationalen Klimaschutz und zur Post 2015-Agenda. Um die Staats- und Regierungschefs zu schützen, werden 15 000 bis 17 000 Polizeibeamte im Dienst sein, sagt Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Schon jetzt werde rund um das Tagungshotel Schloss Elmau eine Sicherheitszone errichtet, die zum Gipfel nicht mehr betreten werden darf. Im nahe gelegenen Garmisch-Partenkirchen erwartet Schmidbauer die zentrale Gegendemonstrationen mit bis bis zu 10 000 Teilnehmern. Experten schätzen die Gesamtkosten des Gipfels auf bis zu 100 Millionen Euro. Text: fqu
Er vermag ein Lebensgefühl zu vermitteln, wie es nur wenige aus dem Stegreif heraus hinkriegen. Er ist ein Politjunkie und wird es immer wieder auf die Reihe kriegen oben auf zu schwimmen. Er ist es wert, dass man ihn mag.