Angela Merkel ist bekannt dafür, einmal eingeübten Gesten und Bewegungen eisern die Treue zu halten. So ist es mit ihrer inzwischen weltweit bekannten Raute, die sie akkurat mit ihren Händen zu formen pflegt. Auch ihre Jubelpose gelingt ihr seit Jahren nahezu deckungsgleich: Den Mund weit aufgerissen, mit den Armen einen rechten Winkel beschreibend, der dazu führt, dass sich die Schulterpolster ihres bedenklich gespannten Blazers zu kleinen Höckern auftürmen. So auch ihre Pose, als Mario Götze in der 113. Spielminute die Argentinier mitten ins Herz traf.
Fotos kommen gut an
Kritik an den publicityträchtigen Auftritten der Kanzlerin auf den Tribünen und in den Umkleidekabinen dieser Welt perlen an ihr ab wie Wasser vom Gefieder eines Erpels. Vielleicht, weil sie weiß, dass die meisten Deutschen ihr die nicht durch tiefergehende Sachkenntnis getrübte Begeisterung für den Fußball abnehmen. So ein spontaner Sprudel-Jubel kann nicht gespielt sein. Bleiben ihre Fotos mit den Spielern nach dem Match auf dem Rasen, die freilich nicht überall gut ankommen. Doch am Ende spricht nichts dafür, dass sie sich nur im Amt halten kann, weil sie sich im Zwei-Jahres-Rhythmus mit einer Meute halb nackter junger Männer fotografieren lässt.
Außerdem kann es auch schiefgehen, wenn Politiker Fußball als Bühne nutzen wollen – oder müssen. Die brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff hätte, so konnte man unschwer an ihrer Miene absehen, darauf am liebsten ganz und gar verzichtet. Schon beim Eröffnungsspiel wurde sie von ihren Brasilianern aufs Obszönste beschimpft. Sie werde die Beleidigungen ignorieren, erklärte sie trotzig: um von nun an ein Gesicht aufzusetzen, dass so viel sagte wie: Das schaffe ich aber nicht. Die Schmähgesänge, auch wenn sie nicht überraschend kamen, wirkten nach bis zum Finale.
Der Pokal, ein welker Blumenstrauß
Als Rousseff dem deutschen Mannschaftskapitän Philipp Lahm den Weltpokal überreichte, sah es so aus, als drücke sie ihrer Putzfrau einen verwelkten Blumenstrauß in die Hand. Schon als Angela Merkel beim Siegtreffer neben ihr förmlich explodierte, hatte sie sich fast demonstrativ von ihrer Kollegin abgewandt. Der Trost für die Präsidentin, die sich ja mitten im Wahlkampf befindet, kam in Form einer Umfrage, nach der sie – warum auch immer – während der WM wieder deutlich in der Akzeptanz der Brasilianer zulegen konnte. Immerhin blieben die befürchteten schweren Ausschreitungen auch nach der sportlichen Demontage der favorisierten Heimmannschaft erst durch das DFB-Team und dann auch noch durch die Holländer aus.
Gebeutelt von einer „Halsentzündung“?
Wo aber war die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, als das Finale in Rio de Janeiro angepfiffen wurde? Sie hatte kurzfristig abgesagt. Wegen einer „Halsentzündung“?! Hatte sie vielleicht nach dem beängstigenden 7:1-Kantersieg der Deutschen gegen Brasilien erstmals ein leichtes Kratzen im Hals verspürt? Fürchtete sie, dass ihre Anwesenheit bei einer möglichen deutlichen Niederlage ihrer Mannschaft auch auf sie zurückfallen könnte? Oder hat sie der Umstand, dass Argentinien wieder Mal nicht allzuweit von einer Staatspleite entfernt zu sein scheint, von einem Auftritt abgehalten. Wer weiß.
Was man weiß, ist, dass sie ihren verdutzten Landsleuten bei der Rückkehr der geschlagenen Mannen um Lionel Messi erklärt hat, nicht eines der sieben Spiele ihres Teams verfolgt zu haben. Nicht im Stadion, aber auch nicht via Fernsehen. Um dann nachzuschieben, wie stolz sie auf die Spielweise der Mannschaft sei. Seltsam. Frau Kirchner muss es schon sehr, sehr schlecht gehen. Politische Beobachter attestieren ihr sogar schon länger Anzeichen eines beginnenden Realitätsverlustes. Sicher ist jedenfalls, dass sie die positive Stimmung, die die Siege der Elf ausgelöst hatten, nicht für sich nutzen konnte. Im Gegenteil, sie blieb mit ihrem zur Schau getragenen Desinteresse außen vor – in einem Meer von 40 Millionen fanatischen Fußballfans wohlgemerkt.
Und dann geht's nach Russland
Fußball und Politik. Das hat jede Menge miteinander zu tun, auch wenn Fifa-Funktionäre das bestreiten. Einiges spricht dafür, dass die nächste Weltmeisterschaft in Russland noch mehr mit Politik zu tun haben wird. Wladimir Putin – daran gibt es nach den Olympischen Spielen in Sotschi keinen Zweifel – wird auch die Fußball-WM als Möglichkeit zu schätzen wissen, sich und seine Autokratie im besten Licht erscheinen zu lassen. An Katar möchte man erst gar nicht denken.
Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner hat momentan andere Sorgen, als sich um den Fußball zu kümmern. Muss man ein Liebhaber dieses Ballsports sein, um als Repräsentant eines Landes gelten zu können, oder zählen im Regierungsgeschäft andere Qualitäten? Eine Liebeserklärung in Sachen Fußball entscheidet leider immer noch über die Popularität eines Politikers, obwohl die Kunst des Regierens unabhängig von der Präferenz und der Vorliebe für den Fußball ist.
Kirchner macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Sie ist zumindest in dieser Ange-
legenheit durch und durch ehrlich.