Hans-Peter Friedrich ist zufrieden. Obwohl es im Vorfeld der vierten und letzten Plenarsitzung der „Deutschen Islamkonferenz“ (DIK) in dieser Legislaturperiode massive Kritik von Vertretern der muslimischen Verbände sowie der Oppositionsparteien an der Arbeit der im September 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufenen Konferenz gab, zieht er eine „außerordentlich positive“ Bilanz. „Die Islamkonferenz hat eine praxisorientierte Arbeit geleistet.“ Ausdrücklich verweist der Innenminister von der CSU dabei auf den Leitfaden zur Imam-Fortbildung oder die Erklärung gegen häusliche Gewalt und Zwangsverheiratung. Gleichwohl gebe es noch viel zu tun. „Ich denke hier insbesondere an Fragen der Lebenshilfe, Lebensberatung und der freien Wohlfahrtspflege.“ Nach seiner Ansicht müsse sich die Islamkonferenz in Zukunft stärker regionalisieren, damit die Ergebnisse „noch besser vor Ort verankert werden“.
Doch mit seiner positiven Bilanz steht der CSU-Mann am Dienstag im Berliner Humboldt-Carré ziemlich alleine auf weiter Flur. Vor, während und nach der Konferenz hagelt es an Kritik am Innenminister und seiner Themensetzung. Lautstark monieren die Türkische Gemeinde in Deutschland und der Verband Islamischer Kulturzentren, Friedrich reduziere die Debatte ausschließlich auf Fragen der inneren Sicherheit, des islamischen Extremismus und der Terrorbekämpfung. Stattdessen müsse in der Runde auch offen über die Islamfeindlichkeit und die unausgesprochenen Ressentiments der Gesellschaft gegenüber Ausländern gesprochen werden. In dieser Form habe die Islamkonferenz „keinen großen Sinn“ mehr. Auch SPD und Grüne schließen sich diesem Vorwurf an. So bemängelt der nordrhein-westfälische Innenminister Guntram Schneider (SPD): „Die Deutsche Islamkonferenz ist keine Konferenz zu Fragen der inneren Sicherheit.“
Gleichwohl, an einem Ende des Dialogs ist niemand interessiert, alle Beteiligten wünschen sich eine Fortsetzung auch in der nächsten Legislaturperiode, allerdings in anderer Form. So schlägt die „Junge Islamkonferenz“ in einer Empfehlung eine Entflechtung von Integrations- und Sicherheitspolitik vor, was in der großen Runde auf offene Ohren stößt. So fordert der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, dass die Zuständigkeit für die Islamkonferenz zukünftig nicht mehr beim Bundesinnenministerium liegen solle, „sondern bei einem neu zu schaffenden Integrationsministerium“. Ähnlich argumentiert Bekir Alboga, der Vorsitzende der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“ (DITIB). Der Dialog sei unentbehrlich, müsse aber anders ablaufen, zudem müsse die Auseinandersetzung mit dem Islam aus dem Innenministerium ausgelagert werden. Er regt an, dass nach der Bundestagswahl ein Dialog mit dem Kanzleramt über die Fortsetzung der Islamkonferenz geführt werden solle.
Diese Forderung kann Friedrich allerdings nicht nachvollziehen. Das Innenministerium sei zuständig für alle Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und damit auch für die Islamkonferenz, sagt er nach der Sitzung. Ausdrücklich weist er die Kritik der muslimischen Verbände zurück. Der Vorschlag, Sicherheitsthemen künftig auszuklammern, sei „völlig unsinnig“. Die Themen Terror und Sicherheit hätten in der DIK noch nie eine besondere Rolle gespielt.
Ein Ergebnis gibt es auch. Die seit 2010 tagende Arbeitsgruppe „Präventionsarbeit mit Jugendlichen“ legt Eckpunkte zur Förderung von Projekten vor, die sich mit den Phänomenen Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamismus beschäftigen. Zur Unterstützung ruft die Islamkonferenz einen Förderkreis ins Leben, dem das Innen-, das Familien- und das Außenministerium angehören, zudem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Bundeszentrale für politische Bildung und die Robert-Bosch-Stiftung. Auch mit diesem Ergebnis ist Hans-Peter Friedrich zufrieden. „Ich unterstütze die Initiative, die neben der Verhinderung von islamistischem Extremismus und Muslimfeindlichkeit auch die Verhinderung von Antisemitismus zum Ziel hat.“
Deutsche Islamkonferenz
Die Integration der Muslime in Deutschland soll die Deutsche Islamkonferenz voranbringen und den Austausch zwischen Staat und Muslimen verbessern. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief das Gesprächsforum 2006 ins Leben. Es tagt einmal im Jahr in großer Runde. Mit am Tisch sitzen Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen – und auf muslimischer Seite mehrere Verbände, wie etwa die Türkische Gemeinde in Deutschland, und Einzelpersonen, vor allem Wissenschaftler. Themen der vergangenen Jahre waren unter anderem islamischer Religionsunterricht an Schulen, der Bau von Moscheen, islamisch-theologische Lehrangebote an Hochschulen oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Immer wieder kam es jedoch zum Streit. Kritiker bemängeln, die Runde trete nach Fortschritten in der Anfangsphase auf der Stelle. Hinzu kommt der Vorwurf, die Veranstaltung sei zu sehr von staatlicher Seite dominiert. TEXT: dpa