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Gastbeitrag: „Target“: Die tickende Zeitbombe
Von Lüder Gerken
 |  aktualisiert: 26.07.2012 13:07 Uhr

Kaum jemand blickt durch, was es mit den „Target“-Salden auf sich hat – obwohl Sie eine tickende Zeitbombe sind. Stark vereinfacht, geht es um Folgendes:

Ein deutscher Autohersteller verkauft zum Beispiel ein Auto für 50 000 Euro nach Athen. Die Überweisung des Kaufpreises muss, da Auslandszahlung, über die Zentralbanken laufen. Die Bank des griechischen Käufers überweist daher den Kreditbetrag zunächst an die griechische Zentralbank.

Früher ging es so weiter: Die griechische Zentralbank überweist den Betrag an die Bundesbank, und die überweist ihn an den Autohersteller. Heute ist das anders. Denn die Zentralbanken der Eurozone haben zur Beschleunigung des Zahlungsverkehrs eine Regelung vereinbart, die sie Target nennen. Die Bundesbank überweist das Geld zwar an den Autohersteller. Die Überweisung zwischen den Zentralbanken wurde jedoch abgeschafft.

Im Target-System fließt also kein Geld mehr zwischen den Zentralbanken! Stattdessen wird „angeschrieben“: Es wird notiert, dass die griechische Zentralbank der Bundesbank noch 50 000 Euro schuldet. Die Idee dahinter: Es gibt ja auch Zahlungen von Deutschland nach Griechenland. Die kann man damit verrechnen.

Alle 24 Stunden schaltet sich dafür die Europäische Zentralbank (EZB) ein und saldiert die Beträge: Wenn es keine anderen Zahlungen gab, schuldet die griechische Zentralbank der EZB und die EZB der Bundesbank 50 000 Euro.

Im Klartext: Das Geld bleibt in Griechenland. Griechenland bezahlt seine Importe nicht, sondern verschuldet sich über Target. Deutschland erhält für seine Exporte kein Geld, sondern nur eine Target-Forderung. Das Geld, das die Exportunternehmen erhalten, ist Geld der Bundesbank, keines aus Griechenland.

Problem nur: Griechenland hat seine Wettbewerbsfähigkeit verloren. Deshalb exportieren deutsche Unternehmen viel mehr dorthin als umgekehrt. Daher müsste das Land konstant mehr Geld nach Deutschland zahlen, als es erhält. Da aber Target die Überweisungen zwischen den Zentralbanken durch Kredite ersetzt, steigen die deutschen Target-Forderungen immer weiter an.

„Wenn die Eurozone zerfällt, sind 730 Milliarden Euro – und von Woche zu Woche mehr – verloren.“

 

Von Target profitieren neben Griechenland auch die anderen wettbewerbsschwachen Euro-Länder, vor allem Portugal, Spanien, Italien. Allein diese vier Länder haben bis heute Target-Schulden von 850 Milliarden Euro aufgebaut. Umgekehrt türmen sich die offenen deutschen Target-Forderungen inzwischen auf 730 Milliarden Euro. Und wöchentlich werden es mehr.

Was bedeutet das für das Geld der deutschen Sparer? Einen Großteil davon legen die Banken heute bei der vermeintlich sicheren Bundesbank an. Verzinsung: null Prozent. Und: Bei der Bundesbank stehen diesem Geld als Gegenwert inzwischen überwiegend Target-Forderungen gegenüber. Die Spareinlagen sind daher nur so sicher, wie es die Target-Forderungen sind. Ein Blick auf Südeuropa zeigt, was davon zu halten ist.

Wenn die Eurozone zerfällt, sind 730 Milliarden Euro – und von Woche zu Woche mehr – verloren. Das ist einer der Gründe, warum die Bundesregierung immer größeren „Kredithilfen“ für die maroden Südländer, die nie zurückgezahlt werden dürften, zustimmt: Sie ist erpressbar, denn sie will und muss diese Länder um jeden Preis in der Eurozone halten. Wir werden bluten, entweder als Sparer durch den Verlust eines Großteils unserer Ersparnisse oder als Steuerzahler durch „Kredithilfen“, die nie zurückgezahlt werden.

Lüder Gerken

Der 52-jährige Ökonom studierte Wirtschaftswissenschaft (Diplom in Volkswirtschaftslehre 1985, Promotion 1988) und Rechtswissenschaft (Erste juristische Staatsprüfung 1991). Anschließend leitete Lüder Gerken von 1991 bis 2001 das Walter-Eucken-Institut in Freiburg im Breisgau. Er habilitierte sich 1998 an der Universität Bayreuth. Von 2001 bis 2004 war Gerken Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft in Berlin. Seit 1999 ist er Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung Ordnungspolitik, seit 2006 Direktor des Centrums für Europäische Politik. Die in Freiburg ansässige Stiftung wurde 1999 gegründet. Sie versteht sich als parteipolitisch unabhängige Denkfabrik, die in der Tradition der sogenannten Freiburger Schule steht. Dem Kuratorium der Stiftung gehören Altbundespräsident Roman Herzog und der frühere Bundesbankchef Hans Tietmeyer an. Auch in der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft war Gerken aktiv. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen nationale und internationale Ordnungspolitik und europäische Integration. FOTO: CEU

 
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Kommentare
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    Ich will auch so ein Target Verfahren. Dann kann ich nach Wunsch einkaufen und die Verkäufer erhalten eine Gegenforderung, falls sie mal was bei mir kaufen.

    Kann nicht funktionieren?

    Eben!

    Sitzen in den Zentralbanken nur Schulabbrecher?
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  • P. D.
    so wie der Autor des Beitrags.

    Leute die sich in Vereinigungen wie: " Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" zusammentun die in ihrem Namen schon lügen.

    Leute die in abgesicherten Institutionen wie
    - Hochschulen
    - Banken
    - Parlamenten
    sitzen und von dort aus gerne die Vorteile des freien Marktes preisen.

    Mehr Infos zu Target-2-Salden auf querschüsse
    http://www.querschuesse.de/target2-salden/
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  • H. S.
    Dank an Lüder Gerken, der in seinem Gastbeitrag endlich einmal klar und auch für den Laien verständlich dargestellt hat, wohin unsere Exportstärke unter der Einheitswährung des Euro zwangsläufig führen muß. Unsere Exporte an die wirtschaftlich schwachen Südländer in der Eurozone können von diesen nur unter Aufnahme von Schulden noch bezahlt werden. Die Folge: Deutschland erwirbt immer mehr Forderungen gegen diese Länder, der Export brummt, ein Ende ist nicht abzusehen. Abzusehen indes ist, daß diese immer höher werdenden Schulden nie zurückgezahlt werden. Das sind heute schon 730 Milliarden Euro und täglich werden es mehr. Und die zwangsläufige Folge: Wir Deutsche, die jetzige Generation und Generationen nach uns, müssen diese Forderungsabschreibung sei es als Steuerzahler, sei es als Sparer, sei es als fleißiger Arbeiter zahlen. Das alles haben uns die Waigels und andere Europagläubige mit der Aufgabe der D-Mark eingebrockt.
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    der natürlich AUCH zeigt, dass wir in Deutschland über alle Maßen hinaus auf Pump leben. - Denn bei jemand einzukaufen, der nicht zahlen kann, IST Pump.
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