„Für mich ist es ausgeschlossen, dass Sozialdemokraten diesen Weg gehen.“ Während sich die Linkspartei noch darüber echauffiert, dass zwei Dutzend ihrer Abgeordneten vom Verfassungsschutz beobachtet werden, schafft Sigmar Gabriel Fakten. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ hat der SPD-Chef jetzt allen Spekulationen über ein Dreierbündnis mit den Grünen und der Linken nach der Bundestagswahl eine unmissverständliche Absage erteilt.
Eine der größten Volkswirtschaften der Welt, warnt er, könne man nicht mit einem Partner regieren, bei dem man nie wisse, ob gerade die Pragmatiker oder die Sektierer den Ton angeben. Eine solche Koalition „wäre für Deutschland unverantwortlich“.
So oder so ähnlich hat Gabriel sich in der Vergangenheit zwar immer wieder mal geäußert – wirklich glauben aber wollten ihm das bisher nicht alle in der SPD. Während Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier, die beiden anderen denkbaren Kanzlerkandidaten, seit jeher auf größtmögliche Distanz zur Linkspartei im Allgemeinen und Oskar Lafontaine im Speziellen achten, galt der frühere Umweltminister vielen noch immer als Option für den Fall B. Erst in der vergangenen Woche hatten in Berlin Gerüchte die Runde gemacht, die SPD-Linke plane für den Sommer in Frankfurt eine große Podiumsdiskussion mit Gabriel, dem Grünen Jürgen Trittin und Dietmar Bartsch von der Linkspartei. Thema der Veranstaltung: „Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert – Impulse für eine linke Regierungspolitik.“ Nach einem Grundsatzpapier der Parteilinken, das unserer Zeitung vorliegt, soll die SPD sich 2013 den Wählern als „linke sozial-ökologische Alternative“ empfehlen.
In dieses Fahrwasser will Gabriel offensichtlich nicht geraten. Vor den Wahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein bestätigt sein kategorisches Nein zu einer Allianz mit der Linkspartei auch die Genossen in Saarbrücken und Kiel.
Selbst Ralf Stegner, einer der profiliertesten Linken im Bundesvorstand der SPD und im Zweitberuf Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein, sagt inzwischen: „Die gehen an der Realität vorbei.“ Heiko Mass, sein Kollege aus dem Saarland, hat alle rot-roten oder rot-rot-grünen Gedankenspiele ebenfalls schon beerdigt: Solche Bündnisse hätten im Moment „keine Chance“.
Wenn ein Landespolitiker wie Lafontaine die Schuldengrenze nicht einhalten wolle, sekundiert Gabriel nun, „ist das Erklärung genug. Die SPD kann mit niemandem regieren, der unsolide mit Finanzen umgehen will.“ Der SPD-Chef ist fest entschlossen, die nächste Bundestagswahl zu einem Richtungswahlkampf zu machen: Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb.
Versuche, die SPD stärker nach links zu zwingen, hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. In der sogenannten Denkfabrik zum Beispiel treffen sich regelmäßig junge Sozialdemokraten mit Kollegen von den Grünen und der Linkspartei – organisiert, unter anderem, vom früheren Juso-Chef Björn Böhning, der heute für Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit arbeitet, und der ehemaligen PDS-Vorständlerin Angela Marquardt, die inzwischen zur SPD gewechselt ist und dort unter anderem für die heutige Generalsekretärin Andrea Nahles gearbeitet hat. Die 40-jährige Mecklenburgerin hält noch immer Kontakt zu früheren Parteifreunden wie Gregor Gysi und Dietmar Bartsch und plädiert für einen „konstruktiven Dialog“ mit Grünen und Linken.
Viele Mitglieder des „Instituts solidarische Moderne“ denken ähnlich – in ihm haben sich linke Politiker wie die hessische SPD-Frau Andrea Ypsilanti, der grüne Globalisierungskritiker Sven Giegold und die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie „über Parteigrenzen hinweg Alternativen zum Neoliberalismus entwickeln“.
Sigmar Gabriel verfolgt diese Planspiele mit eher mäßigem Interesse. In praktische Politik, eine Koalition gar, sollen sie auf absehbare Zeit ohnehin nicht münden.