Als die Verantwortlichen des FC Barcelona und die Berater von Neymar da Silva Santos Júnior einmal festlegten, für welche Ablösesumme der brasilianische Fußballer den Klub schon vor Vertragsablauf verlassen könnte, saß ihnen offenbar der Schalk im Nacken. Sonst hätten sie einen glatten Betrag festgeschrieben. Und nicht 222 Millionen Euro, eine Schnapszahl, und dazu absurd hoch. Es kam allen Beteiligten wohl utopisch vor, dass ein Klub das zahlen würde.
Nun ist doch einer gekommen. Paris St.-Germain mit seinen Besitzern aus dem Emirat Katar investiert diese 222 Millionen, um mit Neymar, einem der besten Stürmer der Welt, endlich die Champions League zu gewinnen. Mit seinem Gehalt, das 30 Millionen netto pro Jahr betragen soll, stößt der 25-Jährige auch persönlich in neue Fußball-Dimensionen vor. Vorsicht jedoch vor zu viel Empörung: Die Superstars der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA werden ähnlich dotiert.
Der Profifußball ist so zügellos wie die Weltwirtschaft
Schon die bisherige Fußball-Rekordablösesumme, mit 105 Millionen Euro nicht einmal halb so hoch und von Manchester United für den Franzosen Paul Pogba bezahlt, hatte Befremden ausgelöst. Kein Sportler kann so viel Geld wert sein. Doch der Profifußball ist in seiner Zügellosigkeit längst Bestandteil der globalisierten Weltwirtschaft. Vorreiter bei finanziellen Exzessen ist die englische Premier League. Hier haben schon 18-Jährige ausgesorgt fürs Leben.
Vielen geht es wie dem Freiburger Trainer Christian Streich, der den Fußball mit dem Neymar-Wechsel endgültig in einem irrealen Bereich angekommen sieht und fürchtet, dass der „Gott des Geldes“ alles verschlingen werde. Die 222 Millionen sind moralisch verwerflich, aber wird wirklich passieren, was der häufig ums Grundsätzliche bemühte Streich fürchtet? Fußball an der Basis und Fußball an der Spitze bewegen sich längst in verschiedenen Welten. Doch sie existieren gut nebeneinander.
Die Faszination des Spiels neutralisierte bisher alle abstoßenden Entwicklungen. Sind wir doch mal ehrlich: Der Genuss geht den Fußball-Konsumenten über das Gewissen. Und so wird es bleiben. Selbst wenn der gebrandmarkte Neymar demnächst den Ball traumhaft ins Tor setzt, sind Vorbehalte schnell vergessen. Fußball ist ein Zufluchtsort, den man sich nicht nehmen lassen will. Nur wenige Fans, die grundsätzlicher denken, haben sich von der Leistungsspitze abgewendet und orientieren sich regional und lokal. Vielleicht werden es mehr, eine Massenbewegung ist nicht zu erwarten.
Wie soll das gehen mit dem Financial Fairplay?
Wie Neymar, Paris St.-Germain und Katar bei diesem Deal dem Financial Fairplay (FF) des europäischen Fußball-Verbandes Uefa gerecht werden wollen, müssen sie noch zeigen. FF soll den Fußball vor zügellosen Investoren und Klubs schützen. Im Kern darf kein Verein über längere Zeit mehr ausgeben, als er eingenommen hat. Tut er es doch, drohen Strafen wie ein Verbot, neue Spieler zu verpflichten, oder sogar der Ausschluss aus europäischen Wettbewerben.
Klubchef Nasser al-Chelaifi sagte bei Neymars Vorstellung, Paris habe die Ablösesumme selbst bezahlt. Da muss er viele andere Profis abgeben, um die Bilanz halbwegs auszugleichen. Tagelang ging das Gerücht um, Neymar würde sich selbst aus seinem Vertrag herauskaufen, um FF auszutricksen. Das Geld bekomme er wieder und einiges obendrauf, indem er als Werbeträger für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar verpflichtet werde. Das hätte bedeutet, die Hüter des Fußballs würden sich auf der Nase herumtanzen lassen. Es wäre nicht das erste Mal.
Seit Football Leaks die schmutzigen Geschäfte der Branche ans Tageslicht holt, kann es eigentlich kaum noch negative Überraschungen geben. Eine positive wäre für viele, wenn Cristiano Ronaldo, der größte Star der Branche, tatsächlich wegen Steuerhinterziehung ins spanische Gefängnis müsste. Aber auch das wird kaum passieren.