Griechenland ist für ihn vor allem ein griechisches Problem – und weniger ein europäisches. Michael Kemmer (58) ist seit Oktober 2010 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Nach einer Banklehre hat Kemmer an der Universität in München Betriebswirtschaft studiert und dort auch promoviert. Über die damalige Vereinsbank, die DG Bank und die Hypovereinsbank kam er 2006 zur BayernLB, deren Vorstandsvorsitzender er im März 2008 wurde. Im Dezember 2009 trat er nach dem Debakel um die Hypo Alpe Adria zurück.
Michael Kemmer: Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Denn die politische Unsicherheit hat dazu geführt, dass die griechischen Bürger in einer Art Misstrauensvotum am Geldautomaten ihre Euros von der Bank geholt haben. Ein Ansturm der Bürger auf die Banken würde nun dazu führen, dass den Geldinstituten schlicht und ergreifend das Bargeld ausgeht und die Existenz einzelner Banken gefährdet sein könnte. Zudem soll mit den nun auferlegten Kontrollen eine panikartige Flucht von Kapital ins Ausland verhindert werden, die in einer sich selbst beschleunigenden Abwärtsspirale münden könnte.
Kemmer: Mit den nun verhängten Kapitalverkehrskontrollen soll ja gerade vermieden werden, dass den Banken das Geld ausgeht. Wichtig für Griechenland-Urlauber ist derzeit, dass sie an den Geldautomaten in ihrem Verfügungsrahmen weiterhin Bargeld abheben können. Allerdings dürften nicht alle Geldautomaten noch voll befüllt sein. Deshalb empfiehlt es sich, so oft es geht mit Karte zu bezahlen. Das geht nach wie vor in Restaurants, Hotels, Bars und Geschäften, die die entsprechenden Kreditkarten oder Bankkarten, wie die Girocard (früher ec-Karte), akzeptieren. Ansonsten gilt: Es sollte ausreichend Bargeld von zu Hause mitgenommen werden, möglichst in kleiner Stückelung von 50 Euro und kleiner.
Kemmer: Klar ist: Die mit Kapitalverkehrskontrollen einhergehenden Beschränkungen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr können den Handel mit Griechenland kurzfristig beeinträchtigen. Details bleiben abzuwarten. Um diese Belastungen so gering wie möglich zu halten, hat die Regierung Ausnahmemöglichkeiten für Zahlungen ins Ausland zugelassen. Außerdem hat die EU-Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beschränkungen nur so kurz wie möglich gelten sollten. Zypern mag da als Blaupause dienen. Hier wurden die im Frühjahr 2013 eingeführten Kapitalverkehrskontrollen in mehreren Einzelschritten bis Anfang 2015 behutsam zurückgeführt.
Kemmer: Ein möglicher Zahlungsausfall Griechenlands käme nicht völlig unerwartet. Mit Blick darauf haben viele Akteure bereits ihre Risikopositionen reduziert. Auch die anfänglichen Kursverluste an den europäischen Aktienmärkten haben sich schon wieder spürbar abgeschwächt.
Ganz generell darf nicht übersehen werden, dass die griechische Wirtschaft einen Anteil von weniger als zwei Prozent an der gesamten Wirtschaftsleistung des Euro-Raums hat.
Kemmer: Die zu Beginn der Staatsschuldenkrise möglichen Ansteckungseffekte auf andere Euro-Staaten sind heute nicht mehr zu befürchten. Als Brandmauern wirken zahlreiche institutionelle Verbesserungen wie der Europäische Stabilitätsmechanismus als gemeinsamer finanzieller Risikopuffer. Aber auch die Europäische Zentralbank kann handeln, sollte sie die Währungsunion systemisch gefährdet sehen. Dafür kann sie entweder mit dem OMT-Programm reagieren, das den Aufkauf von Staatsanleihen einzelner Euro-Staaten vorsieht. Oder sie kann das laufende Aufkaufprogramm von Staatsanleihen passgenau ändern und z. B. vorübergehend aufstocken. Außerdem darf nicht übersehen werden: Die übrigen Euro-Staaten, die finanzielle Hilfen erhalten haben, haben überzeugende Wirtschaftsreformen umgesetzt. In diesen Ländern zieht die Konjunktur inzwischen wieder an – die Arbeitslosigkeit sinkt.
Kemmer: Das Engagement deutscher Banken in Griechenland ist gering und wurde weiter zurückgefahren. Derzeit liegt es bei unter vier Milliarden Euro. Der Großteil davon entfällt auf Forderungen an Unternehmen. Insgesamt wies die Bundesbank im Februar 2015 Forderungen gegenüber Griechenland von 19,1 Milliarden Euro aus – davon allerdings gut 15 Milliarden als Hilfskredite der Bundesrepublik, die durch die bundeseigene KfW-Bank weitergeleitet wurden. Foto: Nicolas Armer, dpa