zurück
„Es gibt nur eine Liebe“
Glückliches Paar: Sigrid Kohm und Gabriele Richter aus Veitshöchheim.
Foto: Thomas Obermeier | Glückliches Paar: Sigrid Kohm und Gabriele Richter aus Veitshöchheim.
Von unserem Redaktionsmitglied Christine Jeske
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:03 Uhr

Das Thema sorgte bereits vor der politischen Sommerpause für Wirbel bei CDU und CSU, jetzt steht es wieder im Raum: die steuerliche Gleichstellung von Homosexuellen. Auf Antrag des CDU-Kreisverbandes Fulda soll der Bundesparteitag, der am heutigen Dienstag in Hannover beginnt, das Ehegattensplitting für eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ablehnen. Mehrere Bundestagsabgeordnete sind jedoch für die steuerliche Gleichstellung. Sie werden als die „Wilde 13“ bezeichnet, seit sich die Gruppe von Unionsparlamentariern bereits im August vehement dafür eingesetzt hat. Anlass war damals die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaftgen beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag. Die 13 Abgeordneten forderten daraufhin die völlige steuerpolitische Gleichstellung homosexueller Paare. Alle sollen vom Ehegattensplitting profitieren.

Unterstützt wird die „Wilde 13“ von Familienministerin Kristina Schröder. Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel hat sich am Wochenende dagegen ausgesprochen. Denn es geht bei dem Parteitag um noch etwas anderes Wichtiges: um Merkels Wiederwahl. Hin und wieder setzt die Kanzlerin, unter deren Führung die CDU weit in die politische Mitte gerückt ist, ein Zeichen in Richtung der Konservativen in ihrer Partei. Sie muss diesen Flügel einbinden, der in der Partei sehr klein geworden ist und immer wieder um Aufmerksamkeit ringt.

„Selten dämlich“ sei es, das Thema aufzurufen, da ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu ausstehe und dessen bisherige Rechtsprechung eine Gleichstellung der Homosexuellen vermuten lasse, sagt ein hohes CDU-Mitglied. Genannt werden will es nicht.

Vertreter aus der Region sagen dagegen offen ihre Meinung. Beispielsweise Andreas Roser vom Schullesbischen Zentrum Würzburg (WuF), Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der Würzburger SPD (Schwusos): „Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum ein kinderloses verheiratetes Hetero-Paar vom Steuerrecht anders behandelt werden sollte als ein kinderloses verpartnertes Homo-Paar. Von daher ergibt sich ganz klar die Forderung, das Ehegattensplitting auch auf verpartnerte Homo-Paare anzuwenden, solange es dieses Splitting für Hetero-Paare gibt.“

Gabriele Richter und Sigrid Kohm aus Veitshöchheim setzen sich schon lange dafür ein und legen deshalb jedes Jahr bei der Einkommenssteuerveranlagung Widerspruch ein, „in der Hoffnung auf Gleichbehandlung“. Die beiden Frauen haben als eine der Ersten in der Region 2002 ihre Partnerschaft eintragen lassen – nicht wegen steuerlicher Gründe. „Wir sorgen seit vielen Jahren füreinander, so wie es heterosexuelle Paare auch tun. Deshalb soll das Ehegattensplitting entweder für alle oder für keinen gelten.“ Generell fordern Richter und Kohm „die komplette Gleichstellung homosexueller Paare, nicht nur in steuerlichen Angelegenheiten. Das Thema Homosexualität soll Teil der Gesellschaft und zur Normalität werden“. Die beiden Frauen hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht „endlich Klarheit schaffen wird“.

Zu den politischen Forderungen des WuF-Zentrums gehört laut Martina Kapuschinski: „Es gibt nur eine Liebe, und der Staat hat ihr stets mit dem gleichen Recht zu begegnen. Zehn Jahre nach Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist es an der Zeit, die Gleichstellung mit der Ehe zu vollziehen.“ Unterschiede zwischen homo- und heterosexuellen Partnerschaften dürften nur geduldet werden, wo sie sachlich bedingt seien. „Ehen in denen Kinder erzogen werden, dürfen selbstverständlich anders behandelt werden als Ehen, in denen das nicht der Fall ist.“ Kapuschinski, ehemaliges Vorstandsmitglied des WuF-Zentrums, ist persönlich allerdings für eine Abschaffung des Ehegattensplittings. Es sei heutzutage nicht mehr zeitgemäß. Sie fordert vielmehr die Einführung anderer steuerlicher Begünstigungen für Paare mit Kindern, „egal ob homo, hetero, egal ob mit oder ohne Trauschein“.

Andreas Roser fügt hinzu, dass beim Ehegattensplitting irrtümlich davon ausgegangen werde, dass es der finanziellen Förderung von Ehen diene. „In Wirklichkeit dient es jedoch der Steuergerechtigkeit.“ Roser gibt ein Rechenbeispiel: „Wenn ein Partner 1500 Euro verdient und der andere 3500 Euro, dann würde dieses Paar ohne Splitting mehr Steuern bezahlen, als ein Paar, bei dem beide Partner jeweils 2500 Euro verdienen. Das wäre ungerecht, da in der Regel Eheleute als Wirtschaftsgemeinschaft zu betrachten sind.“

Das Bundesverfassungsgericht wird sich nicht nur mit der steuerlichen Gleichstellung für Homosexuelle auseinandersetzen, sondern auch über das Adoptionsrecht schwuler und lesbischer Lebenspartner verhandeln. Dabei geht es um eine Regelung, wonach Homosexuelle zwar das leibliche Kind eines Lebenspartners adoptieren können, nicht jedoch ein Kind, das der oder die andere selbst zuvor adoptiert hatte. Bei Hetero-Ehen ist dies hingegen möglich. Dieses „heiße Eisen“ wird beim CDU-Parteitag jedoch nicht angefasst. Mit Informationen von dpa

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Beamtenrecht
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundesparteitage
Bundesverfassungsgericht
CDU
CSU
Ehegattensplitting
Familienzuschlag
Gleichstellung
Gleichstellung von Homosexuellen
Homosexuelle
Kristina Schröder
SPD
Steuern und staatliche Abgaben
Steuerpolitik
Urteile des Bundesverfassungsgerichts
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Veraltete Benutzerkennung
    ....zeigt sicht in seiner Hingabe in den Tod für uns. Gal. 2,20 Erst wenn wir diese Liebe erkannst und angenommen haben, sind wir in der Lage zu lieben. Jesus ist die Liebe!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten