Der Ex-Chef der konservativen ÖVP, Erhard Busek, beschreibt, warum der österreichische Kanzler die rechtspopulistische FPÖ unterschätzt hat. Busek, geboren 1941, war österreichischer Bildungsminister sowie Vizekanzler und von 1991 bis 1995 Vorsitzender der ÖVP.
Erhard Busek: Ja, für uns Österreicher ist es ungewohnt.
Busek: Ich stelle fest, dass die Situation im Moment Sebastian Kurz nützt. Auch handfeste Sozialdemokraten, die früher hochrangige Positionen in der Regierung hatten, finden das Misstrauensvotum für Kurz unverständlich und sagen: „Die san ja alle deppert.“
Busek: Man kann schwer voraussehen, was zwischendurch passiert. Es wird davon abhängen, ob es Kurz gelingen wird, den Mitleidseffekt aufzubauen und aufrechtzuerhalten. So tief ist das parlamentarische Bewusstsein in Österreich nicht verankert, dass die Menschen das Misstrauensvotum nachvollziehen könnten. Kurz selbst hat es unterschätzt. Doch der Konflikt hat ihm geholfen und wird ihm weiter helfen.
Busek: Die Koalition war nicht haltbar. Es gab auch in der Partei sehr viel Kritik an Positionen, die insbesondere vom Innenminister Kickl kamen. Die auszuhalten und dann immer noch für die Koalition zu sein, war für ihn sehr schwierig.
Busek: Ich weiß nicht, ob er es kann. Wir treffen ihn manchmal in einer Runde der ehemaligen ÖVP-Vorsitzenden. Da hat er sein Verhalten schon etwas verändert, wirkte verunsichert. Er hat uns ja anfangs nicht geglaubt, dass die FPÖ eine Gefahr ist. Ich habe auch nicht gewusst, dass die Gefahr darin besteht, dass solche Blödheiten gemacht werden. Ich habe eher gemeint, dass die Gefahr in dem liegt, was unterirdisch da ist und immer „Blub, blub“ macht.
Busek: Ja. Kurz hat uns ehemaligen ÖVP-Vorsitzenden gesagt: „Strache ist überhaupt kein Problem, der kommt mit allem zu mir. Norbert Hofer brauche ich nur zu sagen, was er tun soll, und die zwei pfeifen den Kickl schon zurück.“
Busek: Das liegt in seiner persönlichen Struktur. Ich habe in einer Diskussion mit ihm gesagt: „Aufgabe der Politik ist es, Angst zu nehmen und nicht Angst zu machen.“ Das konnte er nicht akzeptieren. Seiner Ansicht nach muss Politik Angst machen. Nur so könne sich eine Linie durchsetzen. Da ist er ganz klar, anders als der Rest der FPÖ. Er entspricht damit dem Grundbedürfnis einer bestimmten Kerngruppe. Strache hat versucht, sich zu assimilieren und staatsmännisch zu werden. Kickl ist deshalb jetzt das wahre Gesicht der FPÖ.
Busek: Ich glaube, dass bei ihm die Ablehnung der alten großkoalitionären Denk- und Verhaltensweise sehr stark war. Deswegen hat er gesagt, man muss es mit der FPÖ probieren. Das gehörte zu seiner Vorstellung von „neuer Politik“.
Busek: Sind Sie sich sicher, dass das Gros der Österreicher bei den Wahlen nach einem Programm sucht?
Busek: Er hat die Partei abgeschrieben. Das ist eine Folge seiner mangelnden Kommunikation. Er hat sich auf seine Gruppe konzentriert, die ausgezeichnet organisiert ist, und über Social Media kommuniziert. Sie sind der Meinung, dass die klassischen alten Kontaktformen keine Bedeutung mehr haben.
Busek: Meiner Einschätzung nach ist das „Team Kurz“ eine kleine Kampfgruppe, die das politische Geschäft beherrscht und strategisch gut arbeitet. Sie können sehr effektiv über Social Media mobilisieren. Das ist sehr beeindruckend. Wir haben hier generell eine Verschiebung vom früheren Politikstil, wo es darum ging, mit den Leuten zu reden, zugunsten der Social Media.
Busek: Kurz und sein Team träumen davon, so stark zu gewinnen, dass er mit den Neos allein auskommt, die als uns nahestehend gelten.
Busek: Sie haben nicht profitiert, weil die ÖVP gewonnen hat. Auch in der Summe gibt das dann keine absolute Mehrheit.
Busek: Da bin ich skeptisch.
Busek: In der Politik darf man nichts ausschließen.