Als neuer türkischer Präsident muss sich Recep Tayyip Erdogan keine allzu großen Sorgen um sein Bild in den Medien des Landes machen. Der Präsidentschaftswahlkampf der vergangenen Wochen zeigte nach Ansicht von Kritikern mehr denn je, wie sehr Zeitungen und Fernsehanstalten in dem EU-Bewerberland auf der Seite der Regierung stehen. Hinzu kommt eine äußerst aggressive Haltung Erdogans gegenüber dem kritischen Teil der Presse. Für die Präsidentschaft des 60-Jährigen verheißt dies nichts Gutes, befürchten Gegner des neuen Staatschefs.
Geradezu grotesk war das Verhalten des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TRT während des Wahlkampfes. Wie die Medienwissenschaftlerin Asli Tunc von der Istanbuler Bilgi-Universität in einem Beitrag für die Online-Plattform „The Conversation“ vorrechnete, widmete TRT dem Kandidaten Erdogan in drei Wahlkampftagen fast neun Stunden Sendezeit. Die zwei Gegenkandidaten Erdogans, Ekmeleddin Ihsanoglu und Selahattin Demirtas, kamen im selben Zeitraum zusammen nicht einmal auf vier Minuten.
In den privaten Medien kommt Erdogan ebenfalls vorwiegend gut weg. Im Zuge der Korruptionsermittlungen gegen seine Regierung kamen abgehörte Telefonate ans Tageslicht, aus denen hervorging, dass eine Gruppe von Unternehmer auf Weisung Erdogans einige Medien aufkauften, die seitdem von regierungsfreundlichen Managern geführt werden. Im Gegenzug winkten für die Geschäftsleute profitable Staatsaufträge.
Diese als „Pool-Medien“ bekannten Jubelsender und -zeitungen wie das Blatt „Sabah“ gehören zu den Bollwerken der Erdogan’schen Medienmacht. Erdogan selbst gab darüber hinaus freimütig zu, mehrmals persönlich beim privaten Fernsehsender „Habertürk“ angerufen zu haben, um eine seiner Meinung nach zu ausführliche Berichterstattung über die Opposition zu unterbinden.
Im Wahlkampf hatte das die Folge, dass Erdogan einen großen Teil der Medienlandschaft auf seiner Seite hatte, wie die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach dem Urnengang rügten.
Recep Tayyip Erdogans Druck auf die Medien und die Willfährigkeit der Staatsmedien wie TRT sind aber nicht das einzige Problem. Etliche private Medien in der Türkei gehören zu Wirtschaftskonzernen, die wegen lukrativer Staatsaufträge um ein gutes Verhältnis zu Ankara bemüht sind und ihre Medien für diese Zwecke einsetzen. So gehört der ehemals angesehene Nachrichtensender NTV zu einer Unternehmensgruppe, die sich im vergangenen Jahr für 700 Millionen Dollar ein Hafenausbauprojekt in Istanbul sicherte.
Im Wahlkampf verließ sich Erdogan auf Interviews mit wohlgesonnenen Journalisten in regierungsnahen Sendern. Eine Fernsehdiskussion mit seinen beiden Gegenkandidaten lehnte er ab. Eine solche Debatte wäre für ihn weit weniger steuerbar gewesen.
Kleinere Medien wie das angesehene Blatt „Taraf“, die Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ oder die linke „BirGün“ gehen den neuen Präsidenten zwar teilweise hart an. Doch sie müssen mit den Folgen leben. „Taraf“ klagt über willkürliche Steuerforderungen des Finanzamtes. „Taraf“-Reporter Mehmet Baransu wurde wegen „Beleidigung von Amtsträgern“ vorübergehend festgenommen. Erdogan selbst beschimpfte die „Taraf“-Kolumnistin und „Economist“-Korrespondentin Amberin Zaman als „schamloses Weib“, der die Grenzen aufgezeigt werden müssten. Der neue Präsident beschwert sich auch regelmäßig über Twitter und Facebook, die zu neuen Plattformen regierungskritischer Berichterstattung geworden sind.
In den großen Medien der Türkei wird dagegen kaum noch Kritik an Erdogan laut. Und wenn, dann wird dies häufig ganz schnell abgestellt. So hatte die Zeitung „Hürriyet“, das Flaggschiff des Medienkonzerns des Unternehmers Aydin Dogan, zuletzt mit einer recht kritischen Berichterstattung auf sich aufmerksam gemacht. Auch andere Dogan-Medien ärgerten Erdogan. Als sich der Ministerpräsident öffentlich darüber beschwerte, trat „Hürriyet“-Chefredakteur Enis Berberoglu von seinem Posten zurück. Offiziell wurde betont, es bestehe kein Zusammenhang zwischen Erdogans Kritik und dem Rücktritt.
Doch laut Medienberichten soll Unternehmer Dogan, der in den vergangenen Jahren von der Erdogan-Regierung mit milliardenschweren Steuernachzahlungen unter Druck gesetzt wurde, seine Journalisten angehalten haben, einen Gang herunterzuschalten. Er habe schon ein Vermögen verloren, sagte Dogan demnach. Journalismus bestehe doch nicht darin, jeden Tag die Regierung zu kritisieren. „Es gibt doch auch noch Dinge im Land, die nichts mit Politik zu tun haben.“
Erdogan und die CSU
Nach dem Sieg Recep Tayyip Erdogans bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei will die CSU die EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land endgültig stoppen. „Die Erdogan-Türkei hat in Europa nichts verloren“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Erdogan werde „demokratische Werte mit Füßen treten, seine Macht ausbauen, Pressefreiheit einschränken wollen und weiter auf übelste Weise gegen Israel hetzen“. Die CSU habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Türkei aus ihrer Sicht nicht in die Europäische Union gehöre, so Scheuer. Deutschland werde genau beobachten, wie Erdogan mit seiner neuen Macht umgehe. Text: afp