In der Tat stellt sich die Frage, was noch alles passieren muss, damit die Bundesregierung dem türkischen Präsidenten Erdogan endlich klar macht, dass es so nicht weitergehen kann. Nachdem nun am Donnerstag ein deutsches Ehepaar in Antalya verhaftet wurde, sitzen inzwischen 55 Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit in türkischen Gefängnissen. Zwölf davon aus politischen Gründen.
Alle bisherigen diplomatischen Bemühungen, der Abzug der Bundeswehrsoldaten aus Incirlik, die verschärfte Rhetorik des Außenministers – all das ist wirkungslos geblieben. Erdogan kümmert es offenbar überhaupt nicht, was man in Europa von ihm hält, von seiner Politik, den Repressalien gegen Oppositionelle und gegen die Meinungsfreiheit.
Im Gegenteil. Es gibt einen neuen Erlass des Präsidenten, der es ihm erlaubt, in der Türkei inhaftierte Ausländer gegen im Ausland einsitzende türkische Staatsbürger auszutauschen. Werden hier Deutsche vorsorglich ins Gefängnis gesteckt, damit man später unter Umständen eine bessere Verhandlungsposition hat? Damit man Deutschland unter Druck setzen kann? Unglaublich, diese Vorstellung!
Der Versuch, den Präsidenten einzubinden, scheint gescheitert
Die Politik des Brückenbauens, der Versuch, den Präsidenten einzubinden, scheint gescheitert. Nun stellt sich die Frage, was ist die nächste Stufe der Eskalation? Mit welchem Mittel ist Erdogan überhaupt noch beizukommen?
Sein Aufstieg vom Istanbuler Oberbürgermeister zum Präsidenten der Republik war stets begleitet von wirtschaftlichem Erfolg. Ohne diesen Aufschwung, ohne dass es dem Land gut geht, wird es auch Erdogan schwer haben, seine Macht auf Dauer zu sichern. Ein Einbruch etwa in der Tourismusbranche, die zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung der Türkei ausmacht, könnte nicht nur die Hotels und die dort arbeitenden Menschen, sondern auch den Präsidenten empfindlich treffen.
Deshalb ist in Deutschland der Streit neu entbrannt, die offiziellen Reisehinweise für die Türkei deutlich zu verschärfen und unter Umständen eine Reisewarnung auszusprechen. Schon jetzt rät das Auswärtige Amt Türkei-Reisenden zur Vorsicht: „Zuletzt waren in der Türkei in einigen Fällen Deutsche von freiheitsentziehenden Maßnahmen betroffen, deren Grund oder Dauer nicht nachvollziehbar war. Hierbei wurde teilweise der konsularische Zugang entgegen völkerrechtlichen Verpflichtungen verweigert“, heißt es da.
Eine offizielle Warnung hätte massive Konsequenzen
Deutliche Worte. Aber eine offizielle Reisewarnung, wie sie für Kriegsgebiete ausgesprochen wird, hätte ganz andere Konsequenzen. Da besteht akute Gefahr für Leib und Leben. Sobald solch eine Warnung gilt, wie derzeit für Afghanistan, Syrien und Libyen, können gebuchte Reisen dorthin kostenfrei storniert werden. Touristen vor Ort werden vom Reiseveranstalter dann nach Deutschland zurückgeholt.
All das würde sicherlich zu massiven Einbrüchen im deutschen Türkei-Tourismus führen. Aber würde das Erdogan beeindrucken?
Schon 2016 waren die Besucherzahlen um 30 Prozent zurückgegangen. Terroristische Anschläge, der Militärputsch, die allgemeine politische Unsicherheit: All das hatte dafür gesorgt, dass die Türkei weniger gebucht wurde. Doch neuere Zahlen zeigen nun: Auch wenn weiterhin ein Drittel weniger Deutsche an den Bosporus reisen, erlebt der Türkei-Tourismus insgesamt einen Aufschwung: Die Russen sind zurück, mit 16 Prozent mehr als im Vorjahr stellen sie jetzt die größte Gruppe ausländischer Gäste.
Den Worten Taten folgen lassen. Wieder einmal ist das leichter gefordert als getan. In drei Wochen wird in Deutschland gewählt. Bis dahin wird nicht viel passieren. Und danach? Eines ist jetzt schon klar. Auch die neue Bundesregierung wird keine einfache Lösung für den Konflikt mit der Türkei finden. Die gibt es nämlich nicht.