Die fünf Verordnungen der französischen Arbeitsmarktreform sind unterzeichnet und können demnächst in Kraft treten, der Protest dagegen hielt sich in Grenzen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat damit eine wichtige Hürde genommen. Den Gegnern des Gesetzes gelang es zumindest bislang nicht, einheitlichen und starken Widerstand zu organisieren. Überzeugende Alternativvorschläge fehlen ihnen – doch der Status quo ist schlichtweg keine Lösung. Macron wurde dafür gewählt, auch unpopuläre Reformen durchzuführen, um dem Land endlich den so dringend benötigten neuen Schwung mitzugeben.
So handelt es sich um zentrale Wahlkampfversprechen, um den französischen Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten und mehr Jobs zu schaffen. Auch dass er sie zwar in Absprache mit den Sozialpartnern, aber mittels Verordnungen durchsetzen wollte, anstatt die einzelnen Maßnahmen langwierig durch das Parlament zu peitschen, hatte Macron vorher angekündigt. Schnell sollte es gehen, damit es auch rasch zu positiven Ergebnissen kommt und sich ein besseres Klima im Land ausbreiten kann.
Vergleiche mit Schröders Agenda 2010 hinken
Bei der Reform handelt es sich mitnichten um eine französische Version der Agenda 2010. Vergleiche sind schief, weil die Maßnahmen keineswegs so weit gehen wie Gerhard Schröders umstrittenes Projekt im damals krisengeschüttelten Deutschland. Allerdings steht Macron erst am Anfang: In naher Zukunft wird er auch die Aus- und Weiterbildung sowie die Arbeitslosen- und Rentenversicherung anpacken und den Franzosen durchaus noch weitere Veränderungen – und Härten – zumuten.
Macron ging bisher geschickt auf einem schmalen Weg der Kompromisse und bezog die Gewerkschaften in die Ausarbeitung der Arbeitsmarktreform mit ein. So gelang es, eine geschlossene Mauer des Widerstandes zu verhindern, da er manche Angestelltenvertreter mit ins Boot nehmen konnte.
An symbolisch aufgeladene „heilige Kühe“ der Linken wie die 35-Stunden-Woche, die er früher offen kritisiert hat, wagte sich Macron nicht; fasste sie aber durch die Hintertüre an, indem insbesondere kleine und mittelständische Betriebe künftig eine deutlich freiere Handhabe bei Arbeitszeit, Bezahlung und auch Kündigungsschutz bekommen.
Letztlich geht es darum, mehr Offenheit und Flexibilität zu erreichen, indem Einstellungen, aber eben auch Kündigungen erleichtert werden, und Unternehmen Mittel an die Hand gegeben werden, um auf wirtschaftliche Schwankungen reagieren zu können.
„Zwei-Klassen-Gesellschaft“ auf dem Arbeitsmarkt
Zu Recht beklagen Experten eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ auf Frankreichs Arbeitsmarkt, der sich aufteilt in jene, die innerhalb eines unbefristeten Vertrages viel Schutz genießen, und solche auf der anderen Seite, die sich von einer prekären Beschäftigung zur nächsten hangeln, weil ihnen der Weg in ein stabiles Arbeitsverhältnis versperrt bleibt. In den Augen der Wirtschaft gehen Macrons neue Maßnahmen in eine richtige Richtung, um solche Fehlstellungen auszuräumen. Manchen Unternehmern reichen sie auch nicht weit genug. Allemal sind sie ein Anfang.
Dennoch irritierte der junge Präsident viele durch sein kompromissloses und eiliges Voranschreiten. Die Zeit zu erklären, inwiefern die Maßnahmen die Wirtschaftslage verbessern und das Land modernisieren werden, nahm er sich kaum. Die Rechnung dafür bekommt Macron bereits in rasant fallenden Beliebtheitswerten. Ausgerechnet ihm, dem Kommunikations-Profi, gelang es noch nicht, seinen Weg überzeugend zu vermitteln und die Franzosen auf ihm mitzunehmen. Es besteht die Gefahr, dass die Stimmung kippt – dabei steht er erst am Anfang eines Reform-Marathons. Dessen Gelingen ihm zu wünschen ist. Denn sein Scheitern wäre fatal für das Land.