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„Eine Zeitenwende für die Banken“
Das Gespräch führte Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 11.11.2015 11:44 Uhr

Wenn es einen Wirtschaftszweig gibt, der für die aktuelle Finanz- und Schuldenkrise mitverantwortlich gemacht wird, dann sind es wohl die Banken. Wir sprachen mit Thilo Wendenburg, Sprecher des Vorstands der Fürstlich Castell'schen Bank in Würzburg über eine ehemals so selbstbewusste Branche in Zeiten der Krise.

Frage: Wie hat sich – knapp dreieinhalb Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers – das Geschäft der Banken verändert?

Thilo Wendenburg: Es hat sich insofern verändert, dass die Menschen heute viel vorsichtiger geworden sind und viel mehr nachfragen. Der Kunde will verstehen, was mit seinem Geld passiert. Und wir sind verpflichtet, das so gut zu erklären, dass der Kunde es auch versteht. Und das ist auch richtig. Man muss einräumen, dass das in unserer Branche in der Vergangenheit nicht immer so war. Von manchen Banken wurden teilweise Produkte verkauft, die der Kunde nicht verstanden hat. Die Verbraucherschützer wollen nun den Kunden besser schützen – ihn aber auch zwingen, sich besser zu informieren.

Stimmen Sie der Beobachtung zu, dass 'Banker' heute fast schon zum Schimpfwort geworden ist?

Wendenburg: In der Allgemeinheit gesehen ist das wohl so. Aber es wird da leider alles über einen Kamm geschoren. Das liegt daran, das täglich in der Zeitung steht, was alles in New York, London oder auch Frankfurt passiert. Da haben wir eher regional tätigen Banken es schwer, uns davon abzusetzen. Man kann das eine mit dem anderen aber nicht vergleichen.

Banker ist also nicht gleich Banker?

Wendenburg: Nein, überhaupt nicht. Wir verstehen uns eher als Bankiers. Also jemand der unternehmerisch denkt, der wirklich Verantwortung trägt und eine Bindung zum Unternehmen und den Kunden hat. Und nicht nur Angestellter einer Bank ist, und der vor allem darauf aus ist, eine Kurssteigerung zu erwirtschaften. Und im Zweifel einen hohen Bonus.

Die Politik will nun – in seltener Eintracht – die Finanzbranche reglementieren. Reiner Populismus?

Wendenburg: Nein, wir erleben in der Tat eine Zeitenwende für die gesamte Bankenbranche.

Dann können Sie die Kritik der weltweiten Occupy-Bewegung vielleicht sogar nachvollziehen?

Wendenburg: Ja, das kann ich. Und man muss diese Kritik auch ernst nehmen. Die Occupy-Bewegung ist ja im September vergangenen Jahres entstanden, als das Fass am Überlaufen war. Das waren ja vor allem junge Leute und – vor allem in den USA – Betroffene der Krise, die etwa ihre Häuser verloren haben. Und dass die Menschen auf die Straße gehen und das anprangern, ist nur zu verständlich. Mittlerweile ist die Bewegung ja ruhiger geworden und hat sich von der Zelt-Phase fortentwickelt. Aber ich glaube, das ist ganz gut. Es geht jetzt inhaltlich mehr in die Tiefe.

Womit verdient eine Bank eigentlich ihr Geld?

Wendenburg: Mit der Beratung. Eine Bank wie die unsere verdient zu über 80 Prozent ihr Geld mit der Beratung und nicht mit der Transaktion, also dem Kauf und Verkauf von Produkten.

Der Würzburger Finanzprofessor Ekkehard Wenger sprach bereits vor drei Jahren öffentlich von „einer Art Casino- und Zockerbudenkrise“, die wir erleben.

Wendenburg: Auch hier würde ich differenzieren wollen. Das ist sicherlich bezogen auf die Jahre vor der Lehman-Pleite und die großen Investmentbanken so gewesen – und ich will nicht ausschließen, dass es in gewissen Bereichen heute immer noch so ist. Das hat aber nichts mit dem klassischen Privatbankengeschäft in Deutschland zu tun.

Eine der Ursachen der Krise ist die Tatsache, dass internationale Großbanken in den vergangenen Jahren ihr Geschäft enorm aufblähen konnten. Was ist da schiefgelaufen? War die Politik zu lax?

Wendenburg: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Letztendlich hat es etwas mit der Gier des Menschen zu tun. Sowohl auf der Kundenseite als auch auf der Bankenseite. Wenn ich mir etwa eine typische Großbank ansehe, dann muss diese zuerst einmal Geld verdienen – wie eine regionale Bank auch. Aber hinter der Großbank stehen viele Aktionäre, die eine Dividende erwarten und eine Kurssteigerung sehen wollen. Damit zwingen sie die Unternehmensleitung dazu, immer mehr Geld zu verdienen. Das ist ein ganz normaler Prozess. Um diesem Druck standzuhalten, werden eben neue Produkte entwickelt, die man sonst vielleicht gar nicht in Betracht ziehen würde. Die Branche muss nun erkennen, dass es bestimmte Grenzen gibt.

Ist es dafür nicht schon zu spät. Es scheint, dass die internationale Finanzwirtschaft – also etwa Großbanken, Hedgefonds, Investmenthäuser – längst den Kontakt zur Realwirtschaft verloren hat.

Wendenburg: Das ist teilweise ganz sicher so. Einige Hedgefonds sind völlig losgelöst von der Realwirtschaft. Aber auch hier wird sehr über einen Kamm geschoren, ähnlich wie bei den Bankern. Aber ja, die Tendenz ist schon da.

Aufgrund der verschärften Richtlinien des Finanzmarktregelwerks Basel III müssen Banken künftig viel mehr Eigenkapital im Hintergrund haben. Manche Experten sagen bereits, dass dies für kleinere Banken auf Dauer das Aus bedeutet könnte . . .

Wendenburg: Das ist so. Wenn ich mir ansehe, was Basel III für Anforderungen an Banken stellt, dann ist das für alle eine Herausforderung. Nicht nur für kleine Banken, auch für große. Nur haben die Großbanken die Möglichkeit, sich über die Börse Eigenkapital zu holen, wir kleineren können das nicht. Unsere Kapitalbeschaffung erfolgt über die Eigentümer und unsere Arbeit im Markt. Wir alle werden in den kommenden Jahren mit Basel III beschäftigt sein – und ich kann heute noch nicht sagen, was das für den Kunden für Konsequenzen haben wird.

Auf Ihrer Internetseite werben Sie mit dem Spruch: „Sie wollen Stabilität? Dann kommen Sie zu einer Bank, die es schon länger gibt, als die meisten Währungen“. Wollen Sie mit der Angst um den Euro Kunden gewinnen?

Wendenburg: Nein, ganz und gar nicht. Wir wollen damit nur darauf hinweisen, dass wir eine Bank sind, die es schon seit vielen Jahrhunderten gibt. Und die auf eine enorme Erfahrung zurückgreifen kann, die auch im heutigen Alltag sehr nützlich ist. Es gibt da wirklich keinen Bezug zum Euro.

Thilo Wendenburg

Seit August 2009 ist Thilo Wendenburg Vorstandssprecher der Fürstlich Castell'schen Bank in Würzburg. Der 46-Jährige war zuvor 19 Jahre für die Deutsche Bank, zuletzt in Luxemburg, tätig. Das Bankhaus wurde 1774 gegründet und ist damit eine der ältesten Privatbanken Deutschlands. Das im Familienbesitz befindliche Institut ist mit zwölf Filialen in Unter-, Mittel- und Oberfranken sowie Niederlassungen in Heilbronn, Mannheim, München, Nürnberg und Ulm vertreten. FOTO: Theresa Müller

 
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Kommentare
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  • Du_di_ned_oo
    Noch ein paar Links zum Thema Geldschöpfung und den daraus resultierenden Problemen.

    Es werde Geld – es werde Krise
    Die Vorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte gehen an einen fundamentalen Problem vorbei: Banken schaffen mit einem simplen Trick seit Jahrhunderten scheinbaren Reichtum, der sich immer wieder in Luft auflöst. Seit 1970 hat diese Praxis den Ländern der Welt 124 systemische Bankenkrisen beschert.
    http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/essay-es-werde-geld-es-werde-krise/3205596.html

    Der Weg in das Milliarden-Desaster
    Seit dem Jahr 2000 haben die Banken Billionen Euro an Krediten vergeben und an zusätzlichem Geld geschöpft. Jetzt geht die Angst vor Geldvernichtung um. Wie erklären sich diese astronomisch hohen Geldbeträge?
    Die Geldbeträge, um die es seit Ausbruch der Finanzkrise geht, machen staunen: Die Mittelstandsbank IKB verliert mehrere Milliarden Euro, zur Rettung der Citigroup müssen Staat und Notenbank mehr als 300 Milliarden Dollar bereitstellen, die Bundesregierung schnürt zur Stützung der deutschen Banken ein Paket über 500 Milliarden Euro. Wie erklären sich diese astronomisch hohen Geldbeträge? Wie konnte es zu diesem Desaster kommen?
    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/finanzkrise-der-weg-in-das-milliarden-desaster-1745087.html

    Die Krise kurz erklärt
    ...
    Überall türmen sich gigantische Schuldenberge auf. Wer ist nun schuld an der gegenwärtigen Schuldenkrise? Die faulen Südeuropäer oder unsere gierigen Banker?

    Statt nach "Schuldigen" müssen wir nach den systemischen Ursachen der Verschuldungsdynamik suchen. Diese gigantischen Schuldenberge sind in den vergangenen Jahrzehnten entstanden, weil sie notwendig waren, um den Kapitalismus überhaupt funktionsfähig zu erhalten. Ohne Schuldenmacherei zerbricht das System an sich selbst. Private und/oder staatliche Verschuldung stellt im zunehmenden Maße eine Systemvoraussetzung dar, ohne die der Kapitalismus nicht mehr reproduktionsfähig ist.

    Wir müssen uns nur vergegenwärtigen, dass die Kreditaufnahme eigentlich einen Wechsel auf die Zukunft darstellt, bei dem Finanzmittel im Hier und Jetzt zur Verfügung gestellt werden, die erst später vom Kreditnehmer erwirtschaftet und zurückgezahlt werden müssen
    ...
    http://www.heise.de/tp/artikel/36/36123/1.html

    Monetäre Modernisierung - Zur Zukunft der Geldordnung
    Prof. Dr. Joseph Huber - Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Umweltsoziologie der Universität Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg seit 1992; bis 1995 auch Direktor des Universitätszentrums für Umweltwissenschaften.
    http://www.metropolis-verlag.de/Monetaere-Modernisierung/792/book.do
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    • Antworten
  • Du_di_ned_oo
    Die wirklich relevanten und dabei sehr interessanten Punkte wurden
    in diesem Interview leider nicht angesprochen.

    Folgende Fragen wären m.E. interessant gewesen:
    o Warum wandert immer mehr Geld in immer größere Spekulationsblasen?
    o Was sind die tieferen Ursachen der Finanzkrise abgesehen vom
    individuellen Fehlverhalten einzelner?
    o Welche Folgen haben Zinseszins und die Giralgeldschöpfung der Banken
    langfristig betrachtet auf die Gesellschaft?
    o Gibt es einen Zwang zu ständigen Wachstum und damit einhergehend zu
    einer Zerstörung der Lebensgrundlagen?

    Wir alle benutzen Geld und glauben in der Regel es gut zu verstehen.
    Die tatsächliche Funktionsweise des Geldsystems ist aber nur wenigen bekannt.
    Meine Erfahrung ist z.Bsp. viele Menschen sind der Überzeugung,
    dass ausschliesslich die Nationalbank neues Geld in Umlauf bringe.
    Tatsächlich jedoch kommt über 85% von privaten „Herstellern“ (Geschäftsbanken).
    Es wird weitaus mehr Giralgeld geschöpft als entsprechend in der "Realwirtschaft" Waren produziert werden. Und genau diese Gelder verstärken die Wirtschaftszyklen und fliessen vor allem in Finanz-Casino’s. Um die Folgen der platzenden Blasen zu mindern wird noch mehr Geld in das System gepumpt und damit die Instabilität langfristig noch verstärkt.

    Dazu einige interessante Artikel:

    Eine neue Geldordnung
    Eine wesentliche Ursache der in den letzten Jahrzehnten immer häufiger auftretenden Finanzkrisen liegt in der unkontrollierten Geldschöpfung der privaten Banken aus dem Nichts.
    ...
    Was anscheinend immer noch kaum einem Politiker - oder auch Journalisten - bewusst ist, erklärte bereits Ende 2008 der damalige Wirtschaftsredakteur der FAZ und spätere Sprecher der Bundesbank Benedikt Fehr seinen Lesern:

    Anders als vielfach vermutet, spielen die Ersparnisse, die eine Geschäftsbank bei den Haushalten einsammelt, für ihre Kreditvergabe nur eine untergeordnete Rolle. Die Wirkungskette läuft vielmehr in umgekehrter Richtung: Gewährt eine Bank einem Kunden einen Kredit zum Beispiel in Höhe von 100.000 Euro, schreibt sie diesen Betrag dem Schuldner auf dessen Girokonto gut: In diesem Moment entsteht Buch- oder Giralgeld.
    Benedikt Fehr

    Kredite werden also nicht einfach direkt aus Spareinlagen vergeben. ....
    http://www.heise.de/tp/artikel/36/36329/1.html

    Geld aus dem Nichts
    Während die weltweite Banken- und Finanzkrise - die derzeit zur "Eurokrise" uminterpretiert wird - in ihr fünftes Jahr geht, verschwinden Stück für Stück demokratische Spielregeln. Wesentliche Ursachen der Instabilität, wie etwa die private Geldschöpfung, bleiben weiter tabu

    http://www.heise.de/tp/artikel/36/36097/1.html

    Monetäre Modernisierung
    http://themageld.blogspot.com/2011/08/monetare-modernisierung-die-2008.html
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