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Ebola: Aufklärung ist alles
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 23.10.2014 19:26 Uhr

Die Würzburger Diplom-Psychologin Henrike Zellmann ist diese Woche von einem sechswöchigen Einsatz im Ebola-Krisengebiet in Liberia zurückgekehrt. In der Kleinstadt Foya im Norden des Landes war sie für die psychosoziale Hilfe für Ebola-Patienten, Angehörige und lokale Mitarbeiter verantwortlich. Sie hat dort viel Leid gesehen. Im Interview spricht sie über Ängste, Risiken und die Bedeutung der Aufklärungsarbeit.

Frage: Vor zwei Monaten haben Sie sich entschieden, nach Liberia ins Ebola-Krisengebiet zu gehen, um dort zu helfen. Warum?

Henrike Zellmann: Natürlich habe ich vor dem Einsatz gut überlegt, ob ich dorthin gehen soll. Wenn man für eine humanitäre Hilfsorganisation wie „Ärzte ohne Grenzen“ arbeitet, sollte man auch für Einsätze aller Art zur Verfügung stehen. Man sucht sich nicht aus, wo man gerne einmal hin möchte, sondern man hilft dort, wo man gebraucht wird.

Wie hat Ihre Familie reagiert?

Zellmann: Zunächst ist mein Entschluss auf Besorgnis gestoßen. Man mutet seiner Familie schon einiges zu. Aber meine Angehörigen kennen mich gut und wissen, dass mir diese Arbeit sehr am Herzen liegt. Letztlich stehen sie immer hinter mir und wir haben über das Internet auch gut Kontakt gehalten.

Waren Sie vorher schon mal in Afrika?

Zellmann: Ich war noch nie in Afrika. Allein die Anreise war abenteuerlich, denn bei vielen Fluggesellschaften arbeitet das Kabinenpersonal nicht mehr, aus Angst vor einer Ansteckung. Wir sind von Genf nach Guinea geflogen und von dort mit einer kleinen UN-Maschine weiter. Wir landeten quasi mitten im Busch. Von dort ging es auf dem Landweg nach Foya.

Wo waren Sie dort untergebracht?

Zellmann: Wir wohnten in Gästehäusern. Dort konnte man sich sehr gut ausruhen und am Abend noch mal austauschen. Die Lebensumstände sind sehr bescheiden: Es gibt dort kein fließendes Wasser. Die Nahrungsauswahl ist sehr begrenzt. Wir haben wenig Frisches wie Salat oder Gemüse bekommen. Der Lebensmittelmarkt ist durch Ebola zusammengebrochen.

Wie sah Ihre Arbeit in der Klinik aus?

Zellmann: Meine Aufgabe bestand in Gesprächen über den Zaun der Isolierstation hinweg mit Ebolapatienten. Um sich nicht anzustecken, muss ein Sicherheitsabstand von zwei Metern eingehalten werden. Aber zum Teil bin ich auch mit den Medizinern im Schutzanzug in die Hochrisikozone der Behandlungszentren gegangen. Teil meiner Arbeit war die Betreuung der Angehörigen und die Ermöglichung einer Kommunikation zwischen den Patienten in der Isolierstation und den Angehörigen.

Mit welchen Sorgen sind die Menschen zu Ihnen gekommen?

Zellmann: Die Menschen sind allein durch den Anblick der Isolierstationen verängstigt, machen sich große Sorgen um ihre Angehörigen und um sich selber. Viele sind schon mit Ebola in Kontakt gewesen. Wir haben versucht, uns für jeden Menschen Zeit zu nehmen, alle Fragen zu beantworten und Gesundheitsaufklärung zu betreiben. Wenn es einem Angehörigen sehr schlecht ging, haben wir es den Angehörigen ermöglicht, mit dem Sterbenden zu beten.

Wie schaffen Sie es selbst, bei so viel Leid Abstand zu halten?

Zellmann: Abends habe ich oft die Geschichten und die Bilder, die mir durch den Kopf gingen aufgeschrieben, um mein Herz zu entlasten. Es gab bei allem Leid auch viel Positives. Ich erinnere mich an mehrere schöne Geschichten von Heilungen und Familienzusammenführungen und Geschichten menschlicher Stärke.

Was ging Ihnen besonders nahe?

zellmann: Die Kinder waren ein ganz wichtiges Thema unserer Arbeit. Es gab Kinder, die alleine bei uns eingeliefert wurden, entweder weil die Eltern bereits an Ebola verstorben waren oder weil die Familie große Angst vor Ansteckung hatte. Von einem achtjährigen Jungen, der geheilt entlassen werden konnte, mussten wir erst die Angehörigen suchen. Es stellt sich heraus, dass es eine sehr arme Familie war, die den Jungen nicht besuchen konnte und sie hatte keine Möglichkeit, sich telefonisch zu melden.

Welche charakterlichen Stärken sollte man als Krisenhelfer mitbringen?

zellmann: Eine gute Vorbereitung ist sehr wichtig. Man sollte üben, wie man in einen Schutzanzug hinein und auch wieder hinaus kommt. Außerdem braucht man eine robuste Gesundheit sowie ein robustes Gemüt. Man muss darauf vorbereitet sein, dass man mit sehr viel Leid und Tod konfrontiert wird. Es ist wichtig, die nötige Distanz zu wahren.

Was brauchen die Menschen in den Ebolagebieten jetzt am dringendsten?

Zellmann: Der Schlüssel, um die Ebola-Epidemie in den Griff zu bekommen, ist die Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung.

Hatten Sie Angst, sich anzustecken?

Zellmann: Es gibt ein paar sehr wichtige Sicherheitsregeln, die man einhalten muss. Dazu gehört der Sicherheitsabstand von zwei Metern, man darf niemanden berühren und sich nicht ins Gesicht fassen. Ich persönlich habe keine einzige Situation erlebt, wo ich mir hätte Sorgen machen müssen. Wenn man in ständiger Angst lebt, sich zu infizieren, ist das die falsche Arbeit.

Macht man vor so einem Einsatz sein Testament?

Zellmann: Man macht sich durchaus Gedanken. Aber mein Testament habe ich schon vor meinem ersten Einsatz für „Ärzte ohne Grenzen“ gemacht. Foto: Ärzte ohne grenzen

Henrike Zellmann

Die Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Dr. Henrike Zellmann ist 38 Jahre alt. In Würzburg arbeitet die gebürtige Allgäuerin als Verhaltenstherapeutin für Kinder und Jugendliche in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Einsatz in Liberia war ihr dritter Einsatz für die humanitäre Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“. Zuvor hatte sie schon neun Monate in Pakistan und später in Syrien gearbeitet. Zu ihren Aufgaben in Liberia gehörte die Begleitung der mobilen Teams in den Dörfern mit Verdachtsfällen sowie die psychologische Betreuung von Angehörigen bei den Beerdigungen, bei denen strikte Sicherheitsregeln gegen die Ansteckungsgefahr eingehalten werden müssen. Zudem hat sie die lokalen Mitarbeiter betreut. Um die freiwilligen Bewerber umfassend auf ihre Arbeit in Westafrika vorzubereiten, finden Vorbereitungs- und Schulungskurse in Deutschland statt. In Würzburg wird ein zweitägiger Vorbereitungskurs abgehalten.

 
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