Noch vor wenigen Monaten hätte wohl niemand ernsthaft darauf gewettet, dass Ministerpräsident Stephan Weil als Sieger aus der niedersächsischen Landtagswahl hervorgeht. In den Umfragen schien die CDU längst uneinholbar enteilt. Ganze zwölf Prozentpunkte lagen im August zwischen ihr und der SPD. Das Image des Ministerpräsidenten war durch den VW-Diesel-Skandal angekratzt. Die Stimmung am Boden wegen des Wechsels der grünen Landtagsabgeordneten Elke Twesten zur CDU, die damit der Ein-Stimmen-Mehrheit der rot-grünen Landesregierung das Ende bereitet und vorzeitige Neuwahlen notwendig gemacht hatte.
Und nun das Comeback. Die SPD ist wieder stärkste Partei im niedersächsischen Landtag. Das gab es seit 2003 nicht mehr. Mit viel Beharrlichkeit und Ausdauer hat Weil die Aufholjagd geschafft. Zwar wird ihm kein großes Charisma nachgesagt. Dafür gilt er als bodenständig und zupackend. So etwas kommt an bei den Wählern zwischen Harz und Nordsee. Sein Gegenkandidat von der CDU, Bernd Althusmann, erreichte nicht annäherend die Beliebtheitswerte von Weil, dem früheren Oberbürgermeister von Hannover.
Ein TV-Duell, das den Namen wirklich verdient hatte
Doch die Wähler bewegte nicht allein die Frage, welcher Spitzenkandidat wohl der bessere Ministerpräsident sein wird. Der Wahlkampf insgesamt war so, wie man sich die politische Auseinandersetzung wünscht: lebendig, streitig und profilierend. Es ging viel um Bildung, Inklusion, die Ausstattung der Schulen. Es ging um das Höfesterben und die innere Sicherheit. Themen, ganz nah bei den Menschen, die erfuhren, wofür die Parteien und ihre Kandidaten stehen. Nicht so blutleere Pro-Forma-Kampagnen, wie wir sie zur Bundestagswahl erlebt haben. Nein, in Niedersachsen ging es richtig zur Sache. Und es gab ein TV-Duell, das den Namen wirklich verdient hatte. Das Ergebnis zeigt sich nicht nur in der gestiegenen Wahlbeteiligung. Es zeigt sich auch, dass die populistischen Stimmenfänger der AfD in Niedersachsen keinen besonders guten Schnitt machen konnten. Zwar ist die Partei mit Niedersachsen nun im 14. deutschen Länderparlament vertreten. Ihr Stimmenanteil ist aber weit von der Zweistelligkeit entfernt.
Persönliche Animositäten erschweren Regierungsbildung
Dass die Regierungsbildung schwierig wird, war schon vor der Wahl abzusehen. Viele persönliche Animositäten, verursacht nicht zuletzt durch den Wechsel der grünen Abgeordneten im August, erschweren die Zusammenarbeit. So scheint eine große Koalition ebenso unwahrscheinlich wie ein Jamaika-Bündnis. Für Rot-Grün reicht es alleine nicht mehr. Die FDP hat immer wieder betont, dass es kein „Weiter so“ geben darf. Und deshalb stand sie – bislang – als Mehrheitsbeschaffer in einer Ampel-Konstellation nicht zur Verfügung. Da die Linken es nicht in den Landtag geschafft haben, ist Rot-Rot-Grün nun ausgeschlossen. Auf jeden Fall dürfen sich die Wähler schon mal auf langwierige Verhandlungen einstellen.
Die großen Gewinner des Abends aber sind Martin Schulz und die SPD im Bund. Endlich wieder einmal ein Sieg, endlich wieder einmal stärkste Partei, endlich wieder einmal ein Silberstreif am Horizont. Die SPD kann doch noch gewinnen. Das ist das Signal, auf das die Genossen sehnlich gewartet haben.
Ohne diesen Sieg in Hannover wäre es für Schulz wahrscheinlich eng geworden. Jetzt kann er sich bestätigt sehen in seinem Kurs der Erneuerung in der Opposition im Bundestag und über die Landesparlamente.
Die Verliererin des Abends heißt Angela Merkel. Erneut schrumpft der Stimmenanteil der CDU. Kein Aufbruch. Es geht weiter abwärts. Besonders Horst Seehofer und der CSU wird das zu denken geben. Und Angela Merkel wird sich bemühen, möglichst schnell ein Regierungsbündnis zu schmieden. In dieser Woche geht es los. Kurs in Richtung Jamaika.