Als deutschlandpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion war Eduard Lintner (Lkr. Bad Kissingen) hautnah dran am Geschehen zwischen den beiden deutschen Staaten. Nach dem Mauerfall wurde der Politiker, der 33 Jahre dem Deutschen Bundestag angehörte, als parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium Mitglied der Bundesregierung. Im Gespräch mit dieser Zeitung erinnert der heute 70-Jährige sich an die bewegende Zeit der Wende.
Eduard Lintner: Das stimmt leider. Da war ich gerade auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung in Südkorea, um in der Hauptstadt Seoul ein Referat zum Thema Wiedevereinigung zu halten. Aufgrund der Zeitverschiebung habe ich erst am frühen Morgen danach davon erfahren.
Lintner: Damals gab es eine zunehmende Auseinandersetzung in Deutschland über den richtigen Kurs. Es gab Kräfte wie etwa die „Zeit“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff, die dafür plädierten, sich mit der Teilung abzufinden und die DDR als Staat anzuerkennen – trotz des im Grundgesetz verankerten Wiedervereinigungsanspruchs. Wir von der CDU/CSU sind aber immer deutlich für die Wiedervereinigung eingetreten. Deswegen wurden wir bei unseren Besuchen in der DDR auch von der Stasi unter dem Stichwort „Spinner“ geführt. In Wahrheit hat sich aber eindrucksvoll herausgestellt, dass wir die Realisten waren.
Lintner: Als Arbeitsgruppe hatten wir jedes Jahr eine offizielle Reise in die DDR unternommen. Da wurden wir von der Stasi demonstrativ offen beobachtet, um Kontakte zur Bevölkerung zu unterbinden. Einmal wurde sogar für eine Fahrt von Rostock nach Travemünde ein eigenes Schiff gechartert, auf dem sonst niemand mitgefahren ist. Wir hatten aber auch Kontakte zu Regimegegnern wie zu dem evangelischen Pfarrer Rainer Eppelmann. Nach einem Treffen in Ostberlin im ersten Halbjahr 1989 habe ich dem ZDF ein Interview gegeben, in dem ich das antidemokratische Regime in der DDR und die Menschenrechtssituation kritisiert habe. Daraufhin wurde ich mit einem dreimonatigen Einreiseverbot belegt.
Lintner: Nach der Grenzöffnung habe ich die erste Gelegenheit genutzt, um nach Meiningen zu fahren. Die endlose Trabi-Schlange und die zu Tränen rührende Begeisterung haben mich tief beeindruckt. Und auch die Erkenntnis, dass die Kraft, die hinter der Sehnsucht nach Freiheit und Einheit stand, noch viel tiefer war, als ich vermutet hatte. Das sage ich auch meinen Gesprächspartnern in Südkorea. Wenn sich die Grenze öffnen würde zwischen Süd- und Nordkorea, dann könnte niemand mehr eine Vereinigung verhindern. Die würde dann einfach stattfinden, so wie in Deutschland.
Lintner: Das ist eine fatale Entscheidung. Ich kann Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Kritik nur zustimmen. Er hat auch das Recht, das zu sagen. Noch sind ja maßgebliche Personen vorhanden, die an der Unterdrückung in der DDR beteiligt waren. Bodo Ramelow ist ein Ehrgeizling, der die Unterstützung auch dieser Leute braucht. Ob sie so jemanden sehenden Auges in das Amt des Ministerpräsidenten hieven will, sollte sich die SPD sehr gut überlegen.
Lintner: Aus meiner Zeit im Europarat her habe ich gute Kontakte zu Aserbaidschan. Ich versuche, die Anliegen und Interessen des Staates zu unterstützen, soweit ich sie vertreten kann. Dort ist man dabei, für die Bevölkerung zunehmend Wohlstand zu schaffen, die jungen Leute orientieren sich sehr am Westen. Außerdem ist das Land mit einem Bevölkerungsanteil von 95 Prozent Moslems ein Musterbeispiel an Toleranz gegenüber Andersgläubigen. In Sachen Menschenrechten muss man dem Land Zeit geben. Demokratie lässt sich nicht einfach mit einem Hebel einschalten. Im Westen ist man da zu ungeduldig. Gut 2000 Beobachter haben bei den letzten Wahlen keine groben Verstöße entdeckt. Trotzdem wurde in den Zeitungen bei uns von großen Wahlmanipulationen geschrieben. Foto: Michael Petzold
Eduard Lintner wurde 1944 in Marktlangendorf im Sudetenland geboren. Heute lebt der studierte Jurist mit seiner Frau Alrun in Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen). Politisch aktiv ist er seit 1969 – damals für die Junge Union. Seit 1982 war er „Obmann“ der CSU/ CSU-Bundestagsfraktion im „Innerdeutschen Ausschuss“. Nach der Deutschen Einheit holte Bundeskanzler Helmut Kohl Eduard Lintner als Staatssekretär ins Innenministerium (1991 bis 1998).