Die Probleme der Verlage kann das Gesetz nicht lösen
KONTRA: Das Leistungsschutzrecht für Verlage ist unklar und unnötig. Es löst keines der Probleme, die die Verlage plagen, und schadet ihnen im Zweifel sogar. Namhafte Urheberrechtsexperten nennen es gefährlich und kontraproduktiv.
Vor etwa vier Jahren hatten die deutschen Verleger eine große Idee. Wie wäre es, fragten sie, wenn jeder, der unsere Inhalte geschäftlich nutzt, dafür zahlen müsste? Wenn Gebühren fällig würden, sobald die Leute sich während der Arbeitszeit auf „Spiegel Online“ herumtreiben, dienstlich auf faz.net recherchieren, sich beruflich bei „Welt Online“ informieren?
Ein solches Leistungschutzrecht wäre ein sensationeller Entfesselungstrick. Die Zeitungen könnten ihre Inhalte weiter kostenlos im Internet veröffentlichen, aber trotzdem von einem großen Teil der Nutzer Geld bekommen. Von einem „Milliardengeschäft“ sprach Christoph Keese, der Cheflobbyist der Axel Springer AG, bei einer Anhörung im Bundesjustizministerium.
Daraus wird vorerst nichts. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat den Verlagen im Koalitionsvertrag zwar ein eigenes Leistungsschutzrecht versprochen. Aber die Forderung der Verleger, dass niemand ihre Leistung kommerziell nutzen dürfe, war ganz so radikal dann doch nicht durchsetzbar.
Der aktuelle Gesetzesentwurf richtet sich nicht mehr gegen alle geschäftlichen Nutzer, sondern nur noch gegen Suchmaschinen und Aggregatoren, die mit kurzen Textausschnitten auf Inhalte im Netz verweisen. Solche meist automatisch generierten Schnipsel, die Snippets, wären dann nur noch erlaubt, wenn der jeweilige Verlag zustimmt. Google zum Beispiel dürfte in seinen Suchergebnissen Verlagsinhalte nicht mehr ohne weiteres anzeigen. Andererseits geben die Verlage viel Geld dafür aus, ihre Angebote so zu optimieren, dass sie möglichst prominent bei Google auftauchen. Wie geht das zusammen?
Durch ein weiteres Kunststück: Google soll verboten werden, Verlagsinhalte ohne eine Lizenz anzuzeigen, aber gleichzeitig gezwungen werden, Verlagsinhalte anzuzeigen. Google sei als Suchmaschine so dominant, argumentieren die Verleger, dass es ein Missbrauch dieser Marktstellung wäre, wenn Google ihre Angebote nicht mehr verlinken würde. Also: Google soll bitte unbedingt weiter verlinken, aber zahlen.
Es ist dieser schlichte Wunsch, der ein Leistungsschutzrecht auf den ersten Blick so attraktiv erscheinen lässt. Während Google riesige Gewinne macht, tun sich die Verlage schwer, ihren Journalismus im Netz zu finanzieren. Könnte nicht der eine den anderen was von seinem Geld abgeben?
Weil sich das nüchtern und sachlich schwer rechtfertigen lässt, versuchen es die Verlage mit hemmungsloser Diffamierung und Dämonisierung. Sie stellen das Geschäftsmodell von Google als kriminell dar, vergleichen es mit Diebstahl, Raubrittertum und Hehlerei. Sie verschweigen dabei: Es ist ein Geschäft, von dem beide Seiten profitieren; teilweise kommt die Hälfte der Leserschaft über eine Google-Suche auf die Seiten der Verlage. Google nutzt die Inhalte der Verlage, aber die Verlage nutzen die Leistung von Google. Und wenn sie nicht wollten, dass Google aus ihren Inhalten Snippets macht, könnten sie das einfach abstellen, ganz ohne Gesetz.
Mithilfe einer kleinen Textdatei, robots.txt, geben Internetseiten den Suchmaschinen Anweisungen, was mit ihren Inhalten geschehen darf. Ob sie überhaupt in der Suche auftauchen sollen oder nicht; ob nur der Link angezeigt werden darf oder auch ein Snippet; ob die Ergebnisse zwischengespeichert werden können oder nicht. Das lässt sich für jeden Artikel regeln; es können sogar einzelne Suchmaschinen angesprochen werden.
Auf diese Weise könnte „Welt Online“ Google zum Beispiel mitteilen, dass die Artikel zwar in der normalen Suche auftauchen sollen, aber nicht in der Nachrichtensuche „Google News“, die aus Überschriften und den Anfängen von Artikeln automatisch eine Nachrichtenübersicht zusammenstellt. Die Verlage argumentieren, dass eine solche Übersicht für viele Leute schon ausreichen könnte, sich informiert zu fühlen, so dass sie gar nicht erst auf die einzelnen Links klicken.
Es ist schwer zu glauben, dass die Zukunft der Verlage davon abhängen soll, dass Menschen zu ihnen kommen, deren Informationsbedürfnis schon mit eineinhalb Sätzen befriedigt ist. Aber wenn das wirklich so wäre, könnten die Verlage sich einfach gezielt aus „Google News“ abmelden. Dass sie das nicht tun, lässt nur einen Schluss zu: Es lohnt sich für sie, dort aufzutauchen.
Doch sie wollen mehr. Sie wollen von Google nicht nur Leser bekommen. Sie wollen zusätzlich auch noch Geld bekommen.
Und es betrifft nicht nur das reiche, scheinbar übermächtige Google. Es betrifft auch kleine, sehr praktische Projekte wie rivva.de, die mit Links und Snippets abbilden, worüber im Internet diskutiert wird - und die Leser zu den interessanten Seiten weiterleiten.
Es geht, andererseits, nicht um Angebote, die unerlaubt komplette Artikel oder ganze Zeitungen kopieren. Die verstoßen ohnehin gegen das Urheberrecht. Um gegen solche Schwarzkopien besser vorgehen zu können, brauchen die Verlage kein Gesetz, das schon kleinste Textschnipsel genehmigungspflichtig macht.
Der Widerstand gegen das Gesetz ist breit: In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Jugendorganisationen von CDU/CSU, FDP, SPD, Grünen und Piraten dagegen ausgesprochen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie lehnt es ab. Namhafte Urheberrechtsexperten nennen es in einer Stellungnahme gefährlich und kontraproduktiv. Sie kommen zu dem vernichtenden Urteil, der Entwurf lasse sich „durch kein sachliches Argument rechtfertigen“.
Zeitungsleser aber müssen gerade den gegenteiligen Eindruck haben. Viele Redaktionen berichten bestürzend einseitig und irreführend über das Gesetz und die Debatte. Das ist von trauriger Ironie, denn die Forderung nach neuen gesetzlichen Privilegien für die Verlage beruht im Kern auf der Behauptung, dass sie unverzichtbar sind, um die Bürger zuverlässig, ausgewogen und unabhängig zu informieren.
Das Leistungsschutzrecht für Verlage ist unklar und unnötig. Es löst keines der Probleme, die die Verlage plagen, und schadet ihnen im Zweifel sogar. Den größten Schaden aber haben sie sich schon mit ihrer Desinformationskampagne zugefügt: Zeitungen opfern im vermeintlichen Kampf für den Qualitätsjournalismus den Qualitätsjournalismus.
Ein solches Leistungschutzrecht wäre ein sensationeller Entfesselungstrick. Die Zeitungen könnten ihre Inhalte weiter kostenlos im Internet veröffentlichen, aber trotzdem von einem großen Teil der Nutzer Geld bekommen. Von einem „Milliardengeschäft“ sprach Christoph Keese, der Cheflobbyist der Axel Springer AG, bei einer Anhörung im Bundesjustizministerium.
Daraus wird vorerst nichts. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat den Verlagen im Koalitionsvertrag zwar ein eigenes Leistungsschutzrecht versprochen. Aber die Forderung der Verleger, dass niemand ihre Leistung kommerziell nutzen dürfe, war ganz so radikal dann doch nicht durchsetzbar.
Der aktuelle Gesetzesentwurf richtet sich nicht mehr gegen alle geschäftlichen Nutzer, sondern nur noch gegen Suchmaschinen und Aggregatoren, die mit kurzen Textausschnitten auf Inhalte im Netz verweisen. Solche meist automatisch generierten Schnipsel, die Snippets, wären dann nur noch erlaubt, wenn der jeweilige Verlag zustimmt. Google zum Beispiel dürfte in seinen Suchergebnissen Verlagsinhalte nicht mehr ohne weiteres anzeigen. Andererseits geben die Verlage viel Geld dafür aus, ihre Angebote so zu optimieren, dass sie möglichst prominent bei Google auftauchen. Wie geht das zusammen?
Durch ein weiteres Kunststück: Google soll verboten werden, Verlagsinhalte ohne eine Lizenz anzuzeigen, aber gleichzeitig gezwungen werden, Verlagsinhalte anzuzeigen. Google sei als Suchmaschine so dominant, argumentieren die Verleger, dass es ein Missbrauch dieser Marktstellung wäre, wenn Google ihre Angebote nicht mehr verlinken würde. Also: Google soll bitte unbedingt weiter verlinken, aber zahlen.
Es ist dieser schlichte Wunsch, der ein Leistungsschutzrecht auf den ersten Blick so attraktiv erscheinen lässt. Während Google riesige Gewinne macht, tun sich die Verlage schwer, ihren Journalismus im Netz zu finanzieren. Könnte nicht der eine den anderen was von seinem Geld abgeben?
Weil sich das nüchtern und sachlich schwer rechtfertigen lässt, versuchen es die Verlage mit hemmungsloser Diffamierung und Dämonisierung. Sie stellen das Geschäftsmodell von Google als kriminell dar, vergleichen es mit Diebstahl, Raubrittertum und Hehlerei. Sie verschweigen dabei: Es ist ein Geschäft, von dem beide Seiten profitieren; teilweise kommt die Hälfte der Leserschaft über eine Google-Suche auf die Seiten der Verlage. Google nutzt die Inhalte der Verlage, aber die Verlage nutzen die Leistung von Google. Und wenn sie nicht wollten, dass Google aus ihren Inhalten Snippets macht, könnten sie das einfach abstellen, ganz ohne Gesetz.
Mithilfe einer kleinen Textdatei, robots.txt, geben Internetseiten den Suchmaschinen Anweisungen, was mit ihren Inhalten geschehen darf. Ob sie überhaupt in der Suche auftauchen sollen oder nicht; ob nur der Link angezeigt werden darf oder auch ein Snippet; ob die Ergebnisse zwischengespeichert werden können oder nicht. Das lässt sich für jeden Artikel regeln; es können sogar einzelne Suchmaschinen angesprochen werden.
Auf diese Weise könnte „Welt Online“ Google zum Beispiel mitteilen, dass die Artikel zwar in der normalen Suche auftauchen sollen, aber nicht in der Nachrichtensuche „Google News“, die aus Überschriften und den Anfängen von Artikeln automatisch eine Nachrichtenübersicht zusammenstellt. Die Verlage argumentieren, dass eine solche Übersicht für viele Leute schon ausreichen könnte, sich informiert zu fühlen, so dass sie gar nicht erst auf die einzelnen Links klicken.
Es ist schwer zu glauben, dass die Zukunft der Verlage davon abhängen soll, dass Menschen zu ihnen kommen, deren Informationsbedürfnis schon mit eineinhalb Sätzen befriedigt ist. Aber wenn das wirklich so wäre, könnten die Verlage sich einfach gezielt aus „Google News“ abmelden. Dass sie das nicht tun, lässt nur einen Schluss zu: Es lohnt sich für sie, dort aufzutauchen.
Doch sie wollen mehr. Sie wollen von Google nicht nur Leser bekommen. Sie wollen zusätzlich auch noch Geld bekommen.
Und es betrifft nicht nur das reiche, scheinbar übermächtige Google. Es betrifft auch kleine, sehr praktische Projekte wie rivva.de, die mit Links und Snippets abbilden, worüber im Internet diskutiert wird - und die Leser zu den interessanten Seiten weiterleiten.
Es geht, andererseits, nicht um Angebote, die unerlaubt komplette Artikel oder ganze Zeitungen kopieren. Die verstoßen ohnehin gegen das Urheberrecht. Um gegen solche Schwarzkopien besser vorgehen zu können, brauchen die Verlage kein Gesetz, das schon kleinste Textschnipsel genehmigungspflichtig macht.
Der Widerstand gegen das Gesetz ist breit: In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Jugendorganisationen von CDU/CSU, FDP, SPD, Grünen und Piraten dagegen ausgesprochen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie lehnt es ab. Namhafte Urheberrechtsexperten nennen es in einer Stellungnahme gefährlich und kontraproduktiv. Sie kommen zu dem vernichtenden Urteil, der Entwurf lasse sich „durch kein sachliches Argument rechtfertigen“.
Zeitungsleser aber müssen gerade den gegenteiligen Eindruck haben. Viele Redaktionen berichten bestürzend einseitig und irreführend über das Gesetz und die Debatte. Das ist von trauriger Ironie, denn die Forderung nach neuen gesetzlichen Privilegien für die Verlage beruht im Kern auf der Behauptung, dass sie unverzichtbar sind, um die Bürger zuverlässig, ausgewogen und unabhängig zu informieren.
Das Leistungsschutzrecht für Verlage ist unklar und unnötig. Es löst keines der Probleme, die die Verlage plagen, und schadet ihnen im Zweifel sogar. Den größten Schaden aber haben sie sich schon mit ihrer Desinformationskampagne zugefügt: Zeitungen opfern im vermeintlichen Kampf für den Qualitätsjournalismus den Qualitätsjournalismus.
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