In Hessen rumort es. Der Chef der schwarz-grünen Landesregierung Volker Bouffier (CDU) steht wegen eines umstrittenen Briefwechsels mit RWE in der Schusslinie der Opposition: SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel (Foto) geht mit der hessischen Union hart ins Gericht – mit den Grünen sieht er dagegen nach wie vor eine Zukunft. Eher als mit den Linken.
Thorsten Schäfer-Gümbel: In Hessen gibt es wegen der rechtswidrigen Stilllegung von Biblis A und Biblis B seit einem dreiviertel Jahr einen Untersuchungsausschuss, denn damals hat die Landesregierung unter Führung von Volker Bouffier schwerwiegende Fehler gemacht. Durch die Recherchen ist eine neue Dimension entstanden. Offensichtlich hat es Gespräche zwischen Unions-Teilen und RWE über Schadensersatzfragen jenseits der Stilllegungsverfügung gegeben. Da kommt der Brief von Herrn Bouffier ins Spiel, der von Jürgen Großmann angefordert wurde nachdem Motto „Sag uns doch, dass wir nicht anfahren dürfen“. Wenn sich das alles so bestätigen sollte, ist das ein besonders perfides Spiel gewesen. Und deswegen werden wir auch Ronald Pofalla, den damals zuständigen Kanzleramtsminister, vor den Untersuchungsausschuss laden und wir werden sicher auch sehr zeitnah Bouffier befragen.
Schäfer-Gümbel: Das kann man noch nicht abschätzen. Erst muss sehr sauber die Verstrickung von Herrn Bouffier aufgeklärt werden. Bouffier ist Dauergast in Untersuchungsausschüssen in Hessen. Aber weder er noch seine Partei übernehmen irgendwann auch einmal Verantwortung für die Skandale der letzten Jahre. Wenn es nach Bouffier und der CDU geht, sind immer die anderen schuld. Da wird dann auch einiges davon abhängen, wie sich der grüne Koalitionspartner künftig verhält.
Schäfer-Gümbel: Die hessischen Grünen ordnen alles der Koalitionsraison und dem Machterhalt in Hessen unter. Wir werden sehen, wie sie sich im Untersuchungsausschuss verhalten.
Schäfer-Gümbel: Das Verhältnis zu den Grünen ist professionell. Wir reden ja nicht über Beziehungen, wir reden über Politik. Und man darf nicht vergessen: Zwischen Grünen und Union gab es ein Verhältnis heftiger Abneigung. Die hessische Union hat drei Tage vor der Landtagswahl noch eine Pressekonferenz gegeben; Thema war eine Studie über die Verflechtung von Grünen in die Pädophilenszene. Und Herr Al-Wazir (Grünen-Fraktionschef im hessischen Landtag; Anm. d. Red.) hat Bouffier noch kurz vor der Wahl als Rechtspopulisten bezeichnet. Ich muss sagen, damit ist unser Verhältnis zu den Grünen nicht vergleichbar. Wir tragen verschiedene Auffassungen in einigen Themen professionell aus. Und was nach der nächsten Landtagswahl passiert, hängt vom Wahlergebnis ab.
Schäfer-Gümbel: Die Grünen waren in der Vergangenheit immer die Ersten, mit denen wir geredet haben, und das wird auch in Zukunft so sein, weil die inhaltlichen Schnittmengen da am größten sind. Aber der Grundsatz, dass eine demokratische Partei auch mit anderen können muss, gilt weiter.
Schäfer-Gümbel: In Hessen haben wir entschieden, dass Rot-Grün-Rot keine politische Vertrauensbasis hat, was allerdings in der Sache begründet ist. Man muss grundsätzlich kooperationsfähig sein, aber man muss es festmachen an dem, was inhaltlich geht und was nicht.
Schäfer-Gümbel: Die Linke muss erst mal klären, wer eigentlich den Ton in der Partei angibt: Der Teil, dem es nur um die Beschädigung der Sozialdemokratie geht, oder der, der regieren will. Außerdem müssten sie sich inhaltlich bewegen. Momentan sind sie auf Bundesebene zum Beispiel in der Außen- und Sicherheitspolitik, in Fragen des Euro und der Finanzpolitik einfach nicht regierungsfähig. Das weiß vermutlich auch Herr Ernst.
Schäfer-Gümbel: Die Bundes-SPD hat im Herbst 2013 beschlossen, dass wir nichts formal ausschließen. Alles andere hängt von Wahlergebnissen, Vertrauen in die handelnden Personen und inhaltlichen Schnittmengen ab. Aber uns interessiert im Moment vielmehr, wie wir selbst stark genug werden. Und dafür haben wir die Grundlagen geschaffen, indem wir geliefert haben: Mindestlohn, Mietpreisbremse, Rente und vieles mehr. Die SPD tut dem Land gut und wir müssen den Anspruch haben, es auch wieder zu führen. Foto: dpa
Bouffier, RWE und der Atomausstieg
In Hessen sorgt ein Briefwechsel zwischen dem Energiekonzern RWE und Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) wegen der Stilllegung des Kernkraftwerks Biblis für Aufregung. Nach Informationen des ARD-Magazins „Monitor“ hat erst dieser Briefwechsel RWE und anderen Energiekonzernen den Weg zu einer millionenschweren Schadensersatzklage gegen das Land Hessen und den Bund eröffnet. Die Versorger fordern 882 Millionen Euro, weil nach dem Atomunglück in Fukushima 2011 die ältesten deutschen Kernkraftwerke für drei Monate abgeschaltet wurden. Im Juni 2011, kurz vor Auslaufen des Moratoriums, hat Bouffier an den damaligen Vorstandschef des Energieversorgers RWE, Jürgen Großmann, geschrieben, dass ein genereller Atomausstieg komme und Biblis deshalb nicht wiederangefahren werden sollte. In Bouffiers Brief heißt es, dass Hessen gegebenenfalls gegen ein Wiederanschalten von Biblis vorgehen werde. „Monitor“ berichtete nun, dass ein Schreiben Großmanns an Bouffier vorangegangen sei, in dem er den Ministerpräsidenten ausdrücklich um ein solches Schreiben gebeten habe. Text: ben/dpa