In Ostafrika herrscht eine große Hungersnot. Und das, obwohl Deutschland jedes Jahr Millionen in Afrika investiert. Bärbel Dieckmann, die Präsidentin der Welthungerhilfe, erklärt, was bei der Entwicklungshilfe besser laufen muss.
Bärbel Dieckmann: Diese Hungersnot betrifft Gebiete, in denen es immer schon Dürren gegeben hat – allerdings mit längeren Abständen, manchmal alle zehn, manchmal alle zwölf Jahre. Außerdem sind es Gegenden, in denen keine ausreichend angepasste Landwirtschaft betrieben wird. Und es sind Gebiete, in denen es ein großes Bevölkerungswachstum gegeben hat. Wir wissen seit Ende 2016, dass ein großes Problem auf uns zukommt – aber die Hilfsgelder fließen nicht.
Dieckmann: Es gibt zu viele Krisen auf der Welt. Im Moment in Syrien, im Südsudan und vielen anderen Ländern in Afrika. Trotzdem haben uns private Spender im vergangenen Jahr 47 Millionen Euro gegeben, da ist die Bereitschaft zum Helfen schon da. Aber es brennt einfach an allen Ecken und Enden.
Dieckmann: Man muss an mehreren Stellen ansetzen. Für uns ist das wichtigste, die Landwirtschaft in den Ländern langfristig so zu verändern, dass sie sich an die neuen Umweltbedingungen anpasst. Denn den Klimawandel können wir nicht mehr rückgängig machen.
Dieckmann: Wir brauchen außerdem einen gemeinsamen Nothilfefonds, in den die einzelnen Länder regelmäßig einzahlen – und mit dem die Vereinten Nationen in Krisensituationen viel schneller reagieren können. Außerdem diskutieren wir über eine Art Ernteausfallversicherung. Denn wenn die Leute nicht nur Lebensmittel, sondern Bargeld bekommen, können sie auf dem Markt einkaufen und verhungern nicht.
Dieckmann: Die Versicherung muss man langsam aufbauen, anfangs sicherlich mit staatlichen Mitteln. Aber sie könnte ähnlich wie bei uns funktionieren. Darüber habe ich erst in den vergangenen Wochen nachgedacht, als in den Nachrichten kam, was die Frostnächte bei unseren Obstbauern angerichtet haben. Auch der deutsche Landwirt wäre von einem Ernteausfall finanziell stark betroffen, wenn es nicht staatliche Hilfen oder eben eine Ausfallversicherung gäbe.
Dieckmann: Das kann Entwicklungshilfe schon verhindern. Wir haben heute viele neue landwirtschaftliche Methoden zur Verfügung – wie widerstandsfähiges Saatgut oder Wasserauffangbecken, um Regenfälle zu sammeln. Aber man wird auch darüber nachdenken müssen, ob es nicht Gebiete gibt, die auf Dauer für landwirtschaftlichen Anbau ungeeignet sind. Gerade in Gegenden, die immer schon Dürregebiete waren und jetzt durch den Klimawandel noch mehr betroffen sind. Da wird es schwer sein, Lösungen zu finden. Wenn man alle zwei oder drei Jahre eine Dürre hat, kann man dazwischen nicht mehr aufbauen.
Dieckmann: Wir versuchen, für diese Menschen alternative Möglichkeiten zu finden. Beispielsweise ein Ausbildungsangebot in einem Handwerksberuf, damit sie sich nicht mehr durch die Landwirtschaft ernähren müssen.
Dieckmann: Wir verstehen unsere Arbeit nicht als Fluchtursachenbekämpfung. Wir wollen langfristig, dass die Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bekommen und selbst ihr Leben gestalten können. Die Wahrheit ist trotzdem auch: Wenn uns das gelingt, fällt damit eine Fluchtursache weg. Ich empfinde die heutige Diskussion über Fluchtursachen nicht als ganz falsch. Ich erlebe sehr viele Menschen, die zum ersten Mal die Erkenntnis haben, dass es eine Welt auf Dauer nicht aushalten kann, wenn die einen ganz arm sind und die anderen reich. Menschen werden nicht in einer Region bleiben, wenn sie dort für sich und ihre Familie keine Lebenschance mehr sehen.
Dieckmann: Hunger ist eine Folge von Armut. Denn selbst im ärmsten Land der Welt kann man Essen kaufen, wenn man Geld hat. Darum brauchen wir in den Entwicklungsländern auch bessere Sozialsysteme und vor allem gerechtere Steuersysteme. Denn in den meisten afrikanischen Ländern gibt es inzwischen auch eine kleine, aber sehr wohlhabende Oberschicht – aber es findet keine Umverteilung statt.
Dieckmann: Eigentlich ja. Wir haben große Fortschritte gemacht, es hungern weltweit nur noch elf Prozent der Menschen. Aber es müssen noch ein paar Dinge geschehen. Wir brauchen Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft, denn drei von vier Hungernden leben auf dem Land. Wir fordern, dass die Staaten selbst zehn Prozent ihres Haushalts in die Landwirtschaft investieren. Es macht uns große Sorgen, dass Hunger ganz stark auch eine Folge von Kriegen ist. Aber Frieden zu schaffen liegt nicht in den Händen von Nichtregierungsorganisationen. Hier ist die internationale Staatengemeinschaft gefordert, politische Lösungen zu finden.