Doris Schröder-Köpf stammt aus Tagmersheim im Landkreis Donau-Ries. Die 55-Jährige hat in Dillingen Abitur gemacht und den Beruf der Journalistin gelernt. Heute ist die Ex-Frau des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder Landtagsabgeordnete in Niedersachsen. Aus einer früheren Beziehung hat sie eine erwachsene Tochter, gemeinsam mit Schröder hat sie einen Jungen und ein Mädchen aus Russland adoptiert.
Doris Schröder-Köpf: Absolut! In den meisten Gremien sind wir deutlich in der Minderheit. Ich bin beispielsweise als stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses im Niedersächsischen Landtag nur eine von zwei Frauen unter 15 Mitgliedern. Beide Frauen kommen übrigens von der SPD, die anderen Fraktionen schicken nur Männer in dieses wichtige Gremium. Ein Unding!
Schröder-Köpf: Sowohl als auch. Auf der einen Seite haben viele Parteimitglieder mit Gerhard Schröder oder seiner Reformpolitik gehadert – und tun es ja leider noch. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch hilfreich, sich nicht erst überall bekannt machen zu müssen.
Schröder-Köpf: Und wie! Als junge Frau dachte ich, spätestens in der Generation meiner Töchter wäre diese Ungerechtigkeit Geschichte. Inzwischen sind die beiden 27 und 17 Jahre alt, und es ist kaum etwas besser, aber vieles wieder schlechter geworden. In Parlamenten, Aufsichtsräten und Vorstandsetagen geben noch immer Männer den Ton an, und – ganz schlimm – Frauen bekommen für die gleiche Arbeit allzu häufig immer noch weniger Geld als die männlichen Kollegen.
Schröder-Köpf: Ich sehe die Entwicklung, so traurig sie ist, als Teil eines längeren Prozesses. In den 80er Jahren hat die SPD wegen Umweltthemen viele Menschen, Mitglieder und Wähler an die damals neue grüne Partei verloren. Dann hat sich im Streit um die Agenda 2010 und die Reformen am Arbeitsmarkt mit der Linken eine Partei etabliert, die ein Stück weit Fleisch vom Fleische der SPD ist. Und dann haben wir auch viele Frauen an die Union verloren, als mit Angela Merkel eine Frau Bundeskanzlerin wurde. Fehler haben wir natürlich auch gemacht! Trotzdem hat die Schröder-SPD selbst in schwierigen Phasen noch Wahlergebnisse von 35 Prozent eingefahren.
Schröder-Köpf: Bis 2005 hatte die SPD mit Gerhard Schröder eine starke Führungspersönlichkeit, einen weltläufigen Kanzler und Wahlkämpfer mit viel Charisma. Das war im Wettbewerb natürlich ein riesiger Vorteil. Die Kanzlerkandidaten nach ihm waren andere Persönlichkeiten. Und: Je populärer Angela Merkel wurde, umso schlechter wurden unsere Ergebnisse.
Schröder-Köpf: Nach dem Platzen von Jamaika hätte ich mir für die SPD auch die Unterstützung einer Minderheitsregierung vorstellen können. Dass Angela Merkel so eine Lösung nicht wollte, kann ich allerdings nachvollziehen. Jetzt sind wir Juniorpartner in dieser Großen Koalition und machen ja auch was draus. Ich darf da mal an die gerade für Frauen so wichtige Einführung der Rückkehr von Teilzeit auf Vollzeit erinnern, oder an die Rückkehr zur Halbe-halbe-Finanzierung bei der Krankenversicherung. Das spart den Bürgerinnen und Bürgern bares Geld! Ich halte nichts davon, die Koalition jetzt zu verlassen ohne schwerwiegenden Anlass, nur aus strategischen Überlegungen heraus. Passieren darf allerdings jetzt nichts mehr. Die Große Koalition hängt an einem seidenen Faden.
Schröder-Köpf: Ich habe an der Agenda als Ehefrau damals nicht inhaltlich mitgearbeitet, nur Formulierungshilfe geleistet. Ein kurzer prägnanter Begriff sollte zeigen, dass sich in absehbarer Zeit etwas verändern wird. Und aus der damaligen Zeit heraus betrachtet waren die Reformen bei fünf Millionen Arbeitslosen sicher ein richtiger Schritt.
Aber jede Zeit muss eigene Antworten auf Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt finden, und entsprechend kann, darf und muss man natürlich Veränderungen vornehmen dürfen. Ich finde zum Beispiel, dass das selbst genutzte, selbst gebaute Häuschen auch bei längerer Arbeitslosigkeit nicht angetastet werden soll. Aber jetzt geht es ja um was anderes: Soll es ein bedingungsloses Grundeinkommen geben, oder darf die Gemeinschaft von Menschen, die arbeitsfähig sind, auch was verlangen.
Als alte Lateinerin halte ich es da mit dem Grundsatz: „Ultra posse nemo obligatur“, dass man nicht zu Leistungen gezwungen werden darf, zu denen man nicht in der Lage ist. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Jede und jeder muss in einem Sozialstaat, den ja die eigenen Nachbarn finanzieren, den Beitrag leisten, den er leisten kann!