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Die Erde als Mülldeponie
Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 18.06.2015 19:27 Uhr

In seiner am Donnerstag offiziell im Vatikan vorgestellten Enzyklika „Laudato si'“ hat Papst Franziskus zu Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit aufgerufen. Das in der deutschen Version 222 Seiten lange päpstliche Rundschreiben ist das erste in der Geschichte der katholischen Kirche, das ganz dem Thema Umwelt gewidmet ist und trägt den Untertitel „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“. Franziskus greift darin die Erkenntnisse der modernen Klimaforschung zu Treibhauseffekt und Umweltzerstörung auf und fordert eine „ökologische Umkehr“.

„Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln“, lautet es im Text, dessen Titel „Laudato si'“ aus dem Sonnengesang des Heiligen Franziskus von Assisi stammt. Dieser sei ein Vorbild für die Einheit von Mensch und Natur. In seiner ersten eigenhändig verfassten Enzyklika, einem ursprünglich nur an die Bischöfe gerichteten päpstlichen Rundschreiben, will sich Franziskus ausdrücklich „an jeden Menschen wenden, der auf diesem Planeten wohnt“.

Das Verhalten der Menschheit sei „selbstmörderisch“ und drohe in Katastrophen zu enden.

Für die Arbeit an dem Dokument hatte der Papst zahlreiche Experten zu Rat gezogen, darunter auch den Direktor des Potsdam-Instituts für Klimaforschung, Hans-Joachim Schellnhuber. „Alles, was in der Enzyklika steht, stimmt mit der modernen Klimaforschung überein“, sagte Schellnhuber bei der Vorstellung im Vatikan. Offenbar war im Vatikan vor der Veröffentlichung vergeblich versucht worden, eine so dezidierte und kritische Stellungnahme zur Klimaerwärmung und zur Abkehr von fossilen Energieträgern noch zu verhindern. Detailliert geht Franziskus auf Fragen wie Wasserknappheit oder den Sinn von Emissionszertifikaten oder Genmanipulation ein.

Wesentliche Teile der Enzyklika enthalten eine harte Kapitalismuskritik. Man müsse anerkennen, dass „ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt“, schreibt Franziskus.

So weist er auf die besondere Beeinträchtigung von Entwicklungsländern durch die Umweltzerstörung hin und kritisiert „zwanghaften Konsumismus“, „eine mit dem Finanzwesen verknüpfte Technologie, die behauptet, die einzige Lösung der Probleme zu sein“ oder die „Rettung der Banken um jeden Preis“. Die Wirtschaftsmächte rechtfertigten weiterhin das aktuelle weltweite System, in dem „Spekulation und Streben nach finanziellem Ertrag“ vorherrschten. Franziskus schlägt ein Ende des Wachstumsstrebens im Westen vor. Es sei die „Stunde gekommen, in einigen Teilen der Welt eine gewisse Rezession zu akzeptieren“ und beim Aufschwung in anderen Erdteilen mitzuhelfen.

Schließlich greift Franziskus das von Benedikt XVI. übernommene Konzept einer integralen „Ökologie des Menschen“ auf. Die Verteidigung der Natur sei nicht mit der „Rechtfertigung der Abtreibung“ vereinbar. Auch die Gender-Theorie mit ihrem Versuch, den „Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen“ entspreche einer Logik, die sich über die Schöpfung aufschwingen wolle.

Umweltschützer begrüßten das Schreiben. „Die erste Umweltenzyklika bringt die Welt einen Schritt näher in Richtung Abkehr von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien“, sagte Kumi Neidoo, Direktor von Greenpeace. Zuvor hatten mehrere US-Politiker der Republikaner Franziskus für sein Schreiben kritisiert und gefordert, der Papst solle sich nicht um Politik kümmern. Bei der Vorstellung der Enzyklika waren unter anderem der Vorsitzende des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Turkson sowie der orthodoxe Metropolit und Theologe John Zizioulas anwesend. Turksons Rat hatte an der Enzyklika mitgearbeitet, in der sich Franziskus unter anderem auf den orthodoxen Patriarchen Bartholomeos und die Beiträge vieler Bischofskonferenzen vor allem aus der südlichen Hemisphäre beruft. Der Text ist in sechs Kapitel aufgeteilt, zu dem auch eine theologische Begründung des Gebots des Erhalts der Schöpfung sowie zwei Gebete zum Schluss zählen.

Für den Sozialphilosophen Michael Reder weist die Enzyklika eine neue Richtung in der Kirchengeschichte. „Sie setzt das Denken der Kirche radikal auf ein neues Gleis“, sagte er. Die katholische Kirche habe das Thema Klimawandel bisher kaum beachtet und selber an der Umweltzerstörung mitgewirkt. Im selben Tenor lobte die Franz von Assisi Akademie zum Schutz der Erde in Eichstätt den „lang ersehnten grünen Kurswechsel der katholischen Kirche“.

Als „gelungene Provokation“ begrüßte die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die Enzyklika. „Der Papst eröffnet eine Debatte über die globale Wegwerfkultur“, sagte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Besonders gut findet er, wie die Enzyklika den Ruf nach Solidarität mit der Achtung für den Planeten verbindet: „Der Papst fordert dazu auf, die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.“

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace leitet einen klaren Handlungsbedarf aus dem Rundschreiben ab, besonders für die C-Parteien. Franziskus verlange „laut und deutlich, ohne weiteren Aufschub mit dem Ausstieg aus klimazerstörenden fossilen Energien zu beginnen“, sagte Greenpeace-Energieexperte Niklas Schinerl. Christdemokratische Politiker in Deutschland würden aber seit Wochen die Klimaabgabe „schmutziger Kohlekraftwerke“ torpedieren. „Wenn die Kanzlerin nicht den schrittweisen Kohleausstieg angeht, handelt sie nicht nur gegen ihre eigenen Ankündigungen vom G7-Gipfel, sondern auch gegen die katholische Kirche.“

Der Umweltverband WWF forderte derweil, dass die Kirche selbst ihren Worten auch Taten folgen lasse, vor allem als vermutlich „größter privater Grundbesitzer“ in Deutschland. „Franziskus hat den Naturschutz zur Chefsache gemacht. Jetzt kommt es darauf an, dass seine Botschaft auf allen Ebenen der Kirchenhierarchie ankommt und entsprechend umgesetzt wird“, sagte WWF-Vorstand Eberhard Brandes. Mit Informationen von dpa

 
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