Irgendwann nach ihrem Aufstieg zur Kanzlerin vor sieben Jahren wurde Angela Merkel im Berlin der CDU und der Medien der Spitzname „Mutti“ verpasst. Ein Charakteristikum, das bis heute nicht zu der nüchternen Naturwissenschaftlerin passt. Weder gibt sich die 58-Jährige besonders mütterlich noch tritt sie auf wie ein tüdeliges Muttchen. Damals belächelten führende Christdemokraten die Frau aus dem Osten und sahen in ihr immer noch eine Übergangslösung. Inzwischen ist von ihnen so gut wie keiner mehr im Amt. Heute wird „Mutti“ eher gefürchtet. Heute ist sie eher die „eiserne Kanzlerin“.
Ihre CDU hat nun ein Problem: Sie hat keinen echten Kronprinzen und keine Kronprinzessin. Wenn sich die Elite über Jahre nicht um würdige Nachfolger, die nächste Generation kümmere, werde die Partei einmal bittere Kämpfe führen, sagt ein CDU-Landeschef in kleiner Runde. Er findet aber, talentierte Mitglieder müssten sich auch selbst den Weg nach oben suchen und dürften nicht einfach hinschmeißen, weil sie „keinen Bock“ mehr hätten – wie Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust. Derzeit stehe nur einer in den Startlöchern, Merkel einmal um den Parteivorsitz zu beerben, besser eine: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Auch keine „Mutti“ – trotz ihrer sieben Kinder.
Die Männerriege
Einst scharrte noch eine ganze Männerriege mit den Hufen. Die CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch, Peter Müller, Günther Oettinger und Jürgen Rüttgers bissen sich mit ihren innenpolitischen Karriereplänen an Merkel aber die Zähne aus. Koch wechselte in die Wirtschaft, Müller zur Justiz, Oettinger wurde von Merkel nach Brüssel gelobt. Rüttgers ist nach einer verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2010 weitgehend im politischen Ruhestand.
Ihren noch bis vor kurzem hoffnungsvollen Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der sich selbst für kanzlerfähig hielt, warf Merkel wegen seiner schweren Fehler im NRW-Landtagswahlkampf 2012 ruck, zuck – manche sagen „eiskalt“ – aus dem Kabinett. Niedersachsens einstigen Ministerpräsidenten Christian Wulff ließ sie zum Bundespräsidenten aufsteigen – eine ihrer größten Fehlentscheidungen. Wulff warf sich mit einer Hauskreditaffäre selbst aus der Bahn.
Oettingers Nachfolger in Baden-Württemberg, Stefan Mappus, versuchte, den konservativen Flügel der CDU gegen Merkels „CDU der Mitte“ zu profilieren. Merkel ließ ihn gewähren, weil sie dringend jemanden auf dieser immer schwächer werdenden Seite der Volkspartei braucht. Doch Mappus überstand die Landtagswahl 2011 nicht. Heute ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue beim Kauf von EnBW-Aktien.
Beim Bundesparteitag Anfang Dezember in Hannover wird der CDU-Vorstand neu gewählt. Merkel ist gesetzt. Sie will die CDU als Kanzlerin in die Bundestagswahl im September 2013 führen. Spannend wird die Wahl der vier Stellvertreter. Vize von der Leyen hält sich seit Monaten mit Themen von der Eurorettung über die Frauenquote bis zum Mindestlohn im Gespräch. Sie hatte sich einst Hoffnungen auf das Amt als erste Bundespräsidentin gemacht. Doch Merkel gab Wulff den Vorzug. Vielleicht bereut die Kanzlerin dies heute.
Immer wieder wird Verteidigungsminister Thomas de Maiziere als wahrscheinlichster Retter der Partei und Regierung genannt, sollte Merkel überraschend ausfallen. Er strahlt Ruhe, Kompetenz und Seriosität aus. Politischer, polarisierender und breiter aufgestellt sei aber von der Leyen, heißt es in Teilen der Union. Hier wird allerdings übersehen, dass die Niedersächsin sich durch Zuspitzung und beharrliches Verteidigen eigener Positionen auch viele Gegner in der CDU geschaffen hat – wie zum Beispiel bei der Frauenquote von 30 Prozent, die sie für DAX-Vorstände und Aufsichtsräte fordert.
Vize Röttgen ist derart in Ungnade gefallen, dass er kaum mit einer weiteren Amtszeit als Stellvertreter rechnen kann. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier gilt als verlässlicher Konservativer – seine Wiederwahl als sicher. Bleibt noch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (57), nach Medienberichten angeblich amtsmüde auf dem Posten. Als mögliche Nachfolgerin wird die 39-jährige rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner gehandelt, die die völlig zerstrittene Landespartei einte und SPD-Ministerpräsident Kurt Beck ablösen will. Der Posten als Merkels Stellvertreterin könnte ihr zusätzliches Ansehen verschaffen.
Frisch profiliert
Enorm profiliert hat sich in jüngster Zeit Peter Altmaier (54). Merkel machte den früheren Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Mai zum neuen Umweltminister. Und wie in seinem vorherigen Amt baut er auch als Kabinettsmitglied intern und extern wichtige Brücken.
Als „besten Mann“, den die CDU in den Ländern heute habe, nennt ein einflussreiches Bundeskabinettsmitglied den niedersächsischen Regierungschef David McAllister (41). Dem Nachfolger von Wulff während der Legislaturperiode steht im Januar die erste eigene Landtagswahl bevor. Ereilt ihn nicht das Wahlschicksal von Mappus, wird er für die Bundes-CDU noch wichtiger werden. Denn viele, jüngere Talente hat CDU nicht. Und McAllister verhält sich Merkel gegenüber geschickt: Er funkt ihr nicht dazwischen und bekennt demonstrativ bescheiden, Niedersachsen stehe für ihn an erster Stelle.
Die Nummer eins aber ist und bleibt Merkel – unangefochten. Alle Umfragen der jüngeren Zeit bescheinigen ihr beste Beliebtheitswerte in der Bevölkerung und der Union den Platz eins der Parteien – trotz Eurokrise und desaströsem Auftreten der schwarz-gelben Koalition. Das ist sie, die CDU-Generation Merkel.