
Gottfried Walter in die rechte Ecke zu stellen, wäre ein Fehler. Seit einigen Wochen steht der Unternehmer aus Lohr (Lkr. Main-Spessart) als Vorsitzender an der Spitze des unterfränkischen AfD-Bezirksverbandes. In der Partei ist er, „weil ich an deren Ziele glaube“, wie er sagt. Die Politik müsse mehr für kleine und mittelständische Unternehmen tun, fordert der 65-Jährige. Außerdem brauche es einen anderen Umgang mit den Euro-Krisenstaaten. Dafür stehe die Alternative für Deutschland.
Walter gibt das Bild eines Wirtschaftsliberalen ab. Ein Bild, um das sich seine Partei lange selbst bemüht hat. Doch war 2013 noch meist von der „eurokritischen AfD“ zu lesen, ist 2014 häufiger von der „rechtspopulistischen AfD“ die Rede. Ein Attribut, gegen das man sich wehrt. Auch an diesem Wahlsonntag am vergangenen Wochenende. Der Bezirksverband hat zu einer Schifffahrt mit dem „Maintal-Bummler“ von Lohr nach Marktheidenfeld eingeladen. Eine Infoveranstaltung für die ganze Familie, gemeinsames Freuen über die erwarteten Erfolge bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen fest eingeplant.
Die AfD prüfe jeden, der aufgenommen werden will, erklärt Walters Stellvertreterin Nadja Stafl, die im Bezirksverband für die Mitgliederverwaltung zuständig ist. So will man Rechtsextremen in der Partei vorbeugen. Rund 500 Mitglieder gibt es laut Stafl derzeit in Unterfranken. Keiner von ihnen habe etwa eine NPD-Vergangenheit, betont sie.
Woher dann der Imagewandel von Eurokritikern zu Rechtspopulisten? „Das sind Diffamierungen“, sagt Stafl. Ähnlich sehen es viele der etwa 130 Gäste auf dem Schiff. „Die etablierten Parteien haben Angst vor der AfD und versuchen, sie so zu schwächen“, hört man immer wieder. Und die Medien beförderten diese Kampagne.
Deswegen steht man als Journalist an diesem Nachmittag auf dem „Maintal-Bummler“ auch unter Generalverdacht. Ob man eigentlich „von oben“ Weisung bekäme, dass man über die AfD negativ zu berichten habe, lautet eine viel gestellte Frage. Schließlich hätten die Medien die AfD von Anfang an torpediert – zusammen mit den anderen Parteien. Eine beliebte Verschwörungstheorie.
Dabei liefert die AfD-Spitze selbst genügend Stoff, um sie rechts zu verorten. Viele bedienen sich rechter Rhetorik, nicht nur der thüringische Spitzenkandidat Björn Höcke („Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss. Und diese Identität wird durch einen zu großen Zustrom von Einwanderern eben gefährdet.“) und Parteichef Bernd Lucke selbst („Das Problem sind eher Randgruppen wie Sinti und Roma, die leider in großer Zahl kommen und nicht gut integrationsfähig sind.“); auch die Parteigrößen Frauke Petry, Beatrix von Storch und Hans-Olaf Henkel sorgten für entsprechende Schlagzeilen. Und allen muss man unterstellen, dass sie zu intelligent sind, als dass sie nicht wüssten, was das auslöst: Empörung in der Öffentlichkeit und Anziehungskraft auf Rechtsextreme, die man doch eigentlich nicht haben will. Nicht als Wähler und schon gar nicht als Mitglieder. So besteht die Gefahr, dass man die braunen Geister, die man rief, nicht wieder loswird.
Es entsteht der Eindruck, dass die AfD-Spitze bewusst mit rechter Stimmungsmache spielt. Und die unbedarfte Basis – womöglich ungewollt – auch: Auf dem „Maintal-Bummler“ sind etwa Werbebroschüren des Wochenblatts „Junge Freiheit“ ausgelegt; es gilt als Leitmedium der Neuen Rechten. Am Sonntagabend etwa kritisierte die Zeitung auf ihrer Internetseite die Demonstration gegen Judenhass in Berlin: Nicht vor dem Brandenburger Tor, „sondern in den Multikulti-Brennpunktvierteln wie Neukölln und vor den großen Moscheezentren wäre der richtige Platz, um den neuen, den importierten Antisemiten entgegenzutreten“.
Dabei ging es doch um eine Veranstaltung, an der, wie Walter betont, auch AfD-Mitglieder aus Unterfranken, teilnahmen. Am Abend veröffentlichte die AfD eine Pressemitteilung, in der der Berliner Landesvorsitzende Günter Brinker Hetze gegen Juden verurteilt, aber betont: „Dass die Täter überwiegend Türken und arabisch-muslimische Zuwanderer waren, mache die Sache nicht besser.“
Auf dem „Maintal-Bummler“ tummelt sich unterdessen gewiss keine braune Gesellschaft. Stattdessen interessiert sich an diesem Tag eine bunte Mischung aus enttäuschten CSU-Mitgliedern, SPD-Wählern, ehemaligen FDP-Anhängern und eigentlich politisch Uninteressierten für die AfD. Keine homogene Gruppe also. „Wir wollen in der Mitte der Gesellschaft sein“, sagt Walter. Ob eine Partei mit so vielen verschiedenen Strömungen allerdings gesteuert und kontrolliert werden kann, ist fraglich.
Dass auch unüberbrückbare Differenzen auftreten können, hat die unterfränkische AfD schon am eigenen Leib erfahren. Ihr damaliger Vorsitzender Torsten Heinrich trat im März aus der Partei aus. Er sei zwar auch an seinem „übergroßen Ehrgeiz“ gescheitert, meint Stafl. Doch es war vor allem die russlandfreundliche Haltung der Partei in der Ukraine-Krise, die den Transatlantiker Heinrich zum Austritt veranlasste.
Die Positionierung der AfD im Ukraine-Konflikt ist bis heute ein Zankapfel unter den Mitgliedern. Einer, der den Parteikurs mitträgt, ist der Ukrainer Alexander Markow. Der 54-jährige jüdische Immigrant lebt in Schweinfurt und ist seit April 2013 AfD-Mitglied. „Ich fühle mich wohl in der AfD“, erzählt er. Einer wie er ist Gold wert für eine Partei, der Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen wird. „Ich kann gar kein Nazi sein“, erklärt Markow.
Der Grund für seinen Eintritt: „Ich bin nach Deutschland gekommen, weil mir die deutsche Kultur und Mentalität gefallen. Leider bleibt davon immer weniger übrig.“ Wünscht er sich als Ausländer, dass sich die Parteiführung klarer von Rechtsextremen distanziert? „Das ist eine diskreditierende Frage“, unterbricht ein nebenan sitzender Mann. „Warum müssen nur wir uns ständig davon distanzieren und andere Parteien nicht?“
Doch an diesem Abend ärgert sich niemand über die Medien. In Brandenburg und Thüringen holt die AfD jeweils über zehn Prozent. Ein Ergebnis, das Walter ins Schwitzen bringt: 100 Liegestütze hatte er versprochen, falls die Partei in beiden Ländern ein zweistelliges Ergebnis einfährt. „Bei der nächsten Bundestagswahl“, hofft Walter, „sind wir noch besser aufgestellt.“ Jetzt muss die AfD aber erst einmal beweisen, dass sie in drei Landtagen vernünftige Politik machen kann – ohne Populismus, aus der Mitte der Gesellschaft.