In diesen Tagen wird ein Jubiläum abseits eines breiten Presseechos begangen: Die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche in der Entwicklungszusammenarbeit feiert 50-jähriges Jubiläum. Subsidiarität ist das Zauberwort, auf das diese Zusammenarbeit fußt. Kurz gefasst bedeutet es, dass der Staat sich zur Durchführung seiner Aufgaben zivilgesellschaftlicher Organisationen bedient, eben auch der Kirchen. Konkret heißt das in Deutschland, dass es kirchliche Kindergärten, Schulen oder Altenheime gibt. In der Entwicklungszusammenarbeit werden seit 50 Jahren Partner von kirchlichen Werken mit staatlichen Mitteln gefördert.
Dabei stützt sich die Zusammenarbeit auf langjährige Partnerschaften in Afrika, Asien und Lateinamerika. Die deutschen Steuerzahler und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) können sich darauf verlassen, dass die Entwicklungszusammenarbeit der Kirchen keine „Eintagsfliege“ ist, nehmen sie doch selbst viel Geld in die Hand, um Projekte vor Ort zu fördern.
Hilfe zur Selbsthilfe
Dies gilt auch für Staaten, die diktatorisch geführt werden, wie etwa Simbabwe. Dort hat der deutsche Staat gemäß einer internationalen Vereinbarung die Entwicklungszusammenarbeit eingestellt. Gerade da helfen aber evangelische und katholische Werke an den staatlichen Strukturen vorbei.
Einer Bauernfamilie im trockenen Süden des Landes nützt es wenig, dass ihr Land keine staatlichen Mittel aus Deutschland mehr bekommt, weil die Regierungsführung international geächtet wird. Die Bauern sind froh, dass aufgrund des lang gepflegten Partnernetzwerks finanzielle Mittel über die Kirchen am simbabwischen Staat vorbei direkt zu Selbsthilfeorganisationen gelangen, die sich dann vor Ort um die Wasserversorgung kümmern oder im Land für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen. Gut angelegtes Geld, um Menschen ein wenig Landwirtschaft in einem von einem Despoten regierten Staat zu ermöglichen.
Prälat Bernhard Felmberg, der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe, erklärt den Ansatz der Arbeitsweise: „Die kirchlichen Werke bekommen ja ihre Impulse von den Partnern in den Entwicklungsländern und sind in der ganzen Welt vertreten.“ Und weiter: „Wir arbeiten mit christlichen Organisationen zusammen, mit säkularen und manchmal mit solchen aus anderen Religionen, die unsere Werte teilen.“
Die Kirchen bekommen für diese staatlichen Zuschüsse keine politischen Auflagen und sind frei bei der Projektauswahl. Unstrittig ist bei dieser Zusammenarbeit aber, dass die Mittel nur für Entwicklungsprojekte eingesetzt werden und keine Verkündigungsarbeit oder Missionierung betrieben wird.
Natürlich hat sich in den vergangenen 50 Jahren die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit grundlegend verändert: Wurden anfangs noch Großprojekte wie Krankenhäuser, Schulen oder Tagungszentren gebaut, war später die Förderung von Programmen die geeignete Unterstützung. Seit einigen Jahren hält man es jedoch für den richtigen Ansatz, Menschen zu befähigen, ihre eigenen Rechte durchzusetzen.
Während sich die Entwicklungszusammenarbeit vor Ort veränderte, wurde in Deutschland und Europa der Begriff der Anwaltschaft immer wichtiger. Das heißt, nicht nur Programme vor Ort durchzuführen, sondern sich hier bei uns als Sprachrohr für Menschen einzusetzen, die weder im Bundestag noch im Europäischen Parlament eine Lobby haben. Deshalb hat es sich bei zivilgesellschaftlichen Organisationen zunehmend durchgesetzt, dass übergreifende Netzwerke gebildet werden.
Dabei stoßen die Werke, die mit staatlichen Mitteln arbeiten, wie Misereor oder der Evangelische Entwicklungsdienst, auch an ihre Grenzen. Es gilt in den eigenen Strukturen „dicke Bretter“ zu bohren, wenn es um ökologische und sozialverantwortliche Beschaffung geht, etwa Kaffee aus fairem Handel in landeskirchlichen Kantinen oder in kirchlichen Tagungsstätten den Vorzug zu geben. Bereits lange vor dem kürzlich stattgefundenen „Nachhaltigkeitsgipfel“ in Rio de Janeiro wird bei kirchlichen Werken viel Wert auf Nachhaltigkeitsstrategien gelegt. Nachhaltigkeit im Alltag und im dienstlichen Bereich wird gemeinsam mit Kooperationspartnern, wie Umweltverbänden und Gewerkschaften, diskutiert.
Verschiedene Wirtschaftsmodelle
Dabei wird zunehmend gefragt, ob wirtschaftliches Wachstum die richtige Strategie für unseren Planeten ist. Die kirchlichen Hilfswerke wenden sich immer häufiger gegen diesen Wachstumsgedanken und führen alternative Wirtschaftsmodelle ins Feld. Dabei ist man sich nicht immer einig mit den Partnerorganisationen in Afrika, Asien oder Lateinamerika, von denen manche durchaus auf Wirtschaftswachstum setzen. Dasselbe gilt für Diskussionen mit dem BMZ, das derzeit einen sehr wirtschaftsfreundlichen Kurs fährt.
Festhalten kann man, dass die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit trotz staatlicher Förderung eigenständig geblieben ist und auch dem Staat gegenüber kritisch seine Stimme erhebt. Von dieser Spannung lebt das Verhältnis Staat - Kirche und es bleibt zu hoffen, dass diese Spannung noch viele Jahre hält und in fruchtbarem Miteinander die Entwicklungszusammenarbeit voranbringt. Die Zusammenarbeit Staat - Kirche in der Entwicklungszusammenarbeit bleibt auch nach 50 Jahren ein interessantes Arbeits- und Lernfeld.
Jürgen Hammelehle
Der Betriebswirtschaftler und Journalist, Jahrgang 1956, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen der Entwicklungszusammenarbeit. Jürgen Hammelehle war lange Geschäftsführer der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe DAHW in Würzburg und leitet jetzt die Öffentlichkeitsarbeit des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) in Bonn. Der EED wurde 1999 von den evangelischen Kirchen in Deutschland gegründet. In über 80 Ländern der Welt fördert er Initiativen, die sich für den Aufbau gerechter Gesellschaften einsetzen. Partner des EED sind Kirchen, ökumenische Organisationen und Nichtregierungsorganisationen in Afrika, Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Südosteuropa. Noch in diesem Jahr wollen der EED und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit „Brot für die Welt“ fusionieren. Die Arbeit des neuen Werks soll von langfristig orientierter Entwicklungszusammenarbeit über Katastrophenhilfe bis hin zu entwicklungspolitischer Arbeit im Inland gehen. FOTO: Einberger