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Der erste Sieg für Martin Schulz
Landtagswahl in Niedersachsen - SPD       -  Martin Schulz im Willy-Brandt-Haus in Berlin nach der ersten Hochrechnung zur Landtagswahl in Niedersachsen
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Martin Schulz im Willy-Brandt-Haus in Berlin nach der ersten Hochrechnung zur Landtagswahl in Niedersachsen
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 18.11.2017 03:07 Uhr

So fühlen sich Siege an. Lange hat Martin Schulz auf dieses einzigartige euphorisierende Gefühl warten müssen, aus seiner Sicht und aus dem Blickwinkel der SPD viel zu lange. Vier Mal stand er seit seiner überstürzten Kür zum Chef und damit auch zum Kanzlerkandidaten seiner Partei Ende Januar an einem Wahlabend im Foyer des Willy-Brandt-Hauses in Kreuzberg, um seiner enttäuschten Partei wie der Öffentlichkeit eine bittere Niederlage erklären zu müssen. Der letzte Auftritt liegt gerade einmal drei Wochen zurück, als die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl ein historisches Desaster erlebten und nur noch auf 20,5 Prozent der Stimmen kamen.

Doch an diesem fast sommerlich anmutenden Oktoberabend ist alles anderes. Zum ersten Mal darf Martin Schulz als Sieger auftreten, frenetisch gefeiert von seinen Anhängern, zum ersten Mal in seiner kurzen Amtszeit darf er den Triumph eines Parteifreundes verkünden.

SPD-Ministerpräsident Stephan Weil hat in Niedersachsen eine furiose Aufholjagd hingelegt und bei den vorgezogenen Landtagswahlen nicht nur den Rückstand auf seinen CDU-Herausforderer Bernd Althusmann Stück für Stück verkürzt, sondern ihn bei der Wahl auch noch klar geschlagen. So spricht denn auch ein überglücklicher Schulz von einem „großartigen Sieg der niedersächsischen SPD“. Zudem habe sich die „Geschlossenheit“ der Partei ausbezahlt. „Wir sind stolz und sehr froh.“

Spät kommt der erste Wahlsieg für Martin Schulz, aber nicht zu spät. Der Triumph Weils in Hannover stabilisiert auch den Parteichef in Berlin und gibt ihm die Atempause, die er braucht, um die angeschlagene SPD nach dem Desaster bei der Bundestagswahl personell wie programmatisch neu aufzustellen. Beim Parteitag im Dezember droht ihm wohl kein Scherbengericht, erst recht keine Abwahl, zumal sich seine innerparteilichen Rivalen bedeckt halten und sich vorerst nicht aus der Deckung wagen wollen. Schulz, darüber sind sich Linke und Rechte in der SPD einig, soll erst einmal Chef bleiben und den Übergang moderieren, der Ausgang der Niedersachsenwahl stärkt für?s Erste seine Position.

Dagegen dürften in der CDU etwas ungemütlichere Zeiten auf Angela Merkel zukommen. Die Strategie, erst die Bundestagswahl klar zu gewinnen und mit dem Rückenwind aus Berlin drei Wochen später das rot-grüne Niedersachsen in der vorgezogenen Landtagswahl zurückzuerobern, ist gescheitert, nach den Siegen bei den Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen endet das Wahljahr für die Union mit einer bitteren Niederlage. In Hannover kommt die Union auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959, für eine schwarz-gelbe Regierung reicht es nicht.

Welchen Anteil hat Angela Merkel an dieser Entwicklung? Verliert das einstige Zugpferd der CDU an Strahlkraft? Die Debatte hat in der Union längst begonnen, auch wenn Generalsekretär Peter Tauber in seiner Analyse bemüht ist, die landesspezifischen Gründe in den Mittelpunkt zu rücken, in Niedersachsen habe es „keine Wechselstimmung“ gegeben, das Ergebnis stelle einen „großen persönlichen Erfolg“ von SPD-Amtsinhaber Weil dar. Gleichwohl steht die Klage von Spitzenkandidat Bernd Althusmann im Raum, dass es seit der Bundestagswahl an Rückenwind aus Berlin gefehlt habe.

Und das hat Konsequenzen: Schon fordert Alexander Mitsch, der Vorsitzende der „WerteUnion“, dem Zusammenschluss der Konservativen in der CDU, den Rücktritt Merkels als Parteichefin und „einen klaren Fahrplan für die Übergabe an einen neuen Kanzlerkandidaten der Union“. Zwar ist dies bislang nur eine Einzelstimme, aber doch Ausdruck des Unbehagens – Merkel geht deutlich geschwächt in die erste Sondierungsrunde mit Grünen und FDP am Mittwoch.

Gedämpfte Zufriedenheit herrscht bei den Grünen, auch wenn es deutliche Stimmenverluste gibt. Parteichef Cem Özdemir appelliert an die FDP, eine Ampel nicht auszuschließen, demokratische Parteien müssten untereinander „gesprächsfähig, aber auch koalitionsfähig sein“. Doch die FDP will davon am Wahlabend nichts wissen. In Niedersachsen gebe es keine sozialliberale Tradition, zudem habe man im Wahlkampf für einen „Politikwechsel“ geworben. Im Hans-Dietrich-Genscher-Haus herrscht zwar kein Frust, aber eine gewisse Enttäuschung. Parteichef Christian Lindner bringt es auf den Punkt: „Wir hätten uns in Niedersachsen ein stärkeres Ergebnis gewünscht.“

Die AfD zieht in den mittlerweile 14. Landtag, dagegen schafft die Linke den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht.

 
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  • al-holler@t-online.de
    Falsch, Herr Ferber (wie zuletzt des öfteren!):
    Das war nicht der Erfolg des Herrn Schulz, sondern der des Herrn Weil und das - s. auch heutigen Bericht dazu in der MP - vielleicht sogar trotz Schulz
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