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„Das ist eine Überversorgung“
Hans Herbert von Arnim
Foto: dpa | Hans Herbert von Arnim
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 14.02.2014 20:01 Uhr

Hans Herbert von Arnim lehrt an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Mit seinem Buch „Die Selbstbediener“ hat er die sogenannte Verwandtenaffäre um Abgeordnete des Bayerischen Landtags ins Rollen gebracht.

Frage: Herr Professor von Arnim, wie viel Geld sollte ein Bundestagsabgeordneter verdienen?

Hans Herbert von Arnim: Das muss das Parlament selbst entscheiden. Es muss für eine Diätenerhöhung jedoch überzeugende Gründe nennen. Der Grund für die jetzt geplante Erhöhung um 830 Euro überzeugt mich nicht.

Warum?

Von Arnim: Die Bezüge der Abgeordneten sollen sich an die von Bundesrichtern anlehnen. Da vergleicht man allerdings Äpfel mit Birnen. Bundesrichter haben nicht die großen Privilegien, wie Abgeordnete sie haben: Diese dürfen einen bezahlten Zweitberuf ausüben. Und sie erhalten eine steuerfreie Kostenpauschale von über 4200 Euro monatlich, die für eine Wohnung oder für Kraftfahrzeugkosten gedacht ist. Abgeordnete aus Berlin haben diese Aufwendungen gar nicht, bekommen die Pauschale aber dennoch. Das läuft auf ein steuerfreies Zusatzeinkommen hinaus. Außerdem sind für Bundesrichter hohe Qualifikationen und lange Berufserfahrung erforderlich.

Mit künftig 9082 Euro würde ein Bundestagsabgeordneter in etwa so viel verdienen wie ein Bayerischer Landrat. Das klingt angemessen.

Von Arnim: Der Vergleich hinkt. Ein Bayerischer Landrat wird direkt von den Bürgern gewählt, ein Bundestagsabgeordneter verdankt sein Mandat dagegen letztlich seiner Partei. Wer auf einem oberen Listenplatz steht, ist im Grunde schon vor der Wahl so gut wie sicher im Parlament. Ein Landrat trägt zudem eine direkte, individuelle Verantwortung gegenüber den Bürgern seines Landkreises. Ein Abgeordneter kann sich hinter dem faktischen Fraktionszwang verstecken. Der Landrat darf auch keinen bezahlten Zweitberuf übernehmen.

Dem Gesetzentwurf der Großen Koalition zufolge sollen die Diäten ab 2016 an die Entwicklung der Bruttolöhne gekoppelt werden – und damit jährlich automatisch steigen.

Von Arnim: Dieser Automatismus ist eindeutig verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass die öffentliche Kontrolle bei Diätenentscheidungen die einzig wirksame Kontrolle darstellt. Deshalb muss jede Erhöhung in einer selbstständigen und öffentlichen Entscheidung durch den Bundestag getroffen werden. Das wird durch den Automatismus verhindert.

Und die Kopplung an die Bruttolöhne?

Von Arnim: … ist völlig schief. Denn langfristig hat dies zur Folge, dass die Nettoentschädigung der Abgeordneten schneller steigt als die Nettolöhne der Arbeitnehmer.

Wie das?

Von Arnim: Im Index der Bruttolohn-Entwicklung sind auch die Sozialversicherungsabgaben der Arbeitnehmer. Bundestagsabgeordnete haben aber sehr viel geringere Sozialversicherungsabgaben, etwa weil sie ihre Pensionen beitragsfrei bekommen. Die Sozialversicherungsabgaben werden wegen der demografischen Entwicklung künftig aber überproportional steigen.

Raten Sie der Opposition, gegen das geplante Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen?

Von Arnim: Ja. Bei dieser Vielzahl an Verfassungswidrigkeiten, die der Gesetzentwurf enthält!

Sind Abgeordnete „Selbstbediener“?

Von Arnim: Ja, denn im Falle des vorliegenden Gesetzentwurfs handelt es sich in der Tat um ein Problem der parlamentarischen Selbstbedienung. Im parlamentarischen System ohne direkte Demokratie gibt es aber keine Alternative zur Entscheidung des Parlaments. Deshalb aber ist die Kontrolle so wichtig: durch die Öffentlichkeit und durch das Gericht.

Union und SPD folgen mit ihrem Gesetzentwurf den Vorschlägen einer unabhängigen Expertenkommission.

Von Arnim: Als die Kommission im März 2013 ihren Abschlussbericht vorlegte, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert, das Parlament solle ihn noch vor der Bundestagswahl im September diskutieren. Die Fraktionsspitzen haben damals abgewunken und, wie es scheint, die Diskussion ganz gezielt auf die Zeit nach der Wahl verschoben.

Was sagt es über „die Politik“ aus, wenn die Große Koalition als ihr erstes Gesetzesvorhaben die Diäten erhöht?

Von Arnim: Union und SPD glauben, sie könnten sich das leisten. Sie verstecken sich jetzt auch hinter dem Gefälligkeitsbericht der Kommission. Er stellt für sie eine Art verfassungsrechtlichen Persilschein dar.

Die Kommission unter Vorsitz des früheren FDP-Bundesjustizministers Edzard Schmidt-Jortzig war nicht unabhängig?

Von Arnim: Ich habe da erhebliche Zweifel angesichts des völlig einseitigen Berichts und der Zusammensetzung der Kommission, die vor allem aus ehemaligen Ministern, Parlamentarischen Staatssekretären, Abgeordneten und anderen parlamentsgeneigten Personen bestand.

An der Altersvorsorge der Abgeordneten soll im Wesentlichen nichts geändert werden.

Von Arnim: Ein Bundestagsabgeordneter erhält, wenn die Diätenerhöhung um 830 Euro durch ist, pro Mandatsjahr einen monatlichen Versorgungsanspruch von 227 Euro. Das ist eine klare Überversorgung. Ein Durchschnittsrentner erhält pro Arbeitsjahr nur einen monatlichen Rentenanspruch von 28 Euro.

Mit der Diätenerhöhung soll ein zweites Gesetz durch den Bundestag: Es sieht Verschärfungen bei der Abgeordnetenbestechung vor.

Von Arnim: Ich begrüße das. Aber es ist doch offensichtlich: Man präsentiert das der Öffentlichkeit als Bonbon, damit sie die bittere Pille der Diätenerhöhung und der verfassungsrechtlichen Regelung schluckt. Der Umgang mit Korruption hätte längst verschärft werden müssen, Union und FDP haben sich aber jahrelang dagegen gesträubt.

 
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