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Das Großstadtproblem der CDU
Abgang: Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers und seine Frau Astrid verlassen das Rathaus nach der Wahlschlappe.
Foto: Rolf Vennenbern, dpa | Abgang: Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers und seine Frau Astrid verlassen das Rathaus nach der Wahlschlappe.
reda
 |  aktualisiert: 16.06.2014 19:17 Uhr

Nach ihrem enttäuschenden Ergebnis bei der Europawahl nun empfindliche Schlappen für die CDU in Kommunen: Das ist schlecht fürs Prestige. Der Vorstand unter Angela Merkel ist alarmiert. Eine Strategie hat die CDU noch nicht, wie sie Großstadtmenschen wieder mehr für sich begeistern kann. Aber eins machen die Parteioberen nach der Schlappe bei der Oberbürgermeisterwahl in Düsseldorf klarer denn je: Schuld an Niederlagen sind auch die Kandidaten.

Selten hat die Partei von Angela Merkel einen Machtwechsel wie jetzt am Rhein so deutlich einer einzelnen Person angelastet. Mangelnde Bürgernähe, fehlendes städtisches Lebensgefühl und Beratungsresistenz werden dem abgewählten CDU-Politiker Dirk Elbers vorgeworfen. Mit Dresden ist jetzt nur noch eine von 16 Landeshauptstädten in CDU-Hand. Der Ärger im Parteivorstand ist groß.

Insgesamt läuft es derzeit nicht so gut für die CDU. Erst das enttäuschende Europawahlergebnis, nun empfindliche Verluste bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Kratzer am Prestige der Partei nach dem Sieg bei der Bundestagswahl 2013.

Liegt's am Personal?

An Äußerungen des Generalsekretärs Peter Tauber kann man ablesen, wie die Parteichefin und Kanzlerin zu einem Auftreten wie Elbers steht, der im Ruhrgebiet nicht einmal „tot über dem Zaun hängen“ wollte und in eine Korruptionsaffäre verwickelt war. „Wir sind mit dem Ergebnis in Düsseldorf nicht zufrieden“, sagt Tauber. Entscheidend sei, dass die CDU Kandidaten finde, die aus Sicht der Bürger die richtigen Antworten auf die Anliegen vor Ort haben. „Als Bundespartei können wir da nur begrenzt Vorgaben machen.“ Die Probleme in Berlin seien andere als anderswo. „Hier sind alle Ebenen der Partei gefordert.“

Merkels Parteivize, der NRW-Landesvorsitzende Armin Laschet, lässt sich nicht lange auffordern. Ungewohnt schonungslos beschreibt er am Tag nach der Wahl, wie Selbstherrlichkeit dazu geführt habe, dass die CDU nun auch noch in der letzten westdeutschen Landeshauptstadt den OB-Posten verloren hat. Von programmatischer Schwäche der CDU und fehlender Attraktivität für die Großstadtwähler will er nichts wissen: „Kommunalwahlen liegen an Personen.“

Elbers hatte in den vergangenen Wochen kein Fettnäpfchen ausgelassen: Arroganz gegenüber Nachbarstädten mit dem Wahlplakat: „Sie verlassen den schuldenfreien Sektor“. Eine Wohnungspolitik, die Düsseldorf das Etikett „Luxus-Getto“ einbrachte – was Elbers schlicht damit erklärte, Düsseldorf sei eben keine Stadt für billiges Wohnen. Elbers Bemerkung mit dem Zaun quittierte der Chef der CDU im Ruhrgebiet, Oliver Wittke, am Montag in schönstem Revierdeutsch mit: „Selbst schuld.“

Schickeria in Düsseldorf sei ja nichts Ungewöhnliches, aber gerade für einen Wahlkämpfer gebe es Grenzen, heißt es in der CDU. Und so schön ein ausgeglichener Haushalt wie in Düsseldorf sei, so sehr müsse sich die CDU neben den Themen Finanzen, Arbeit und Sicherheit künftig um die Komplexe Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz kümmern. Ein kleiner Lichtblick ist für die CDU Mönchengladbach. Dort konnte die CDU der SPD den Chefsessel abnehmen.

Zu Jahresbeginn hatte die CDU drei Kommissionen eingerichtet, die bis 2016 Konzepte für die Bereiche „Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit“, „Zusammenhalt stärken – lebendige Bürgergesellschaft“ und „Nachhaltig leben, Lebensqualität bewahren“ erarbeiten soll. Laschet kümmert sich als Parteivize um die Bürgergesellschaft. Er weiß um die Symbolik verlorener Hochburgen und kündigt an, künftig im Vorfeld von Kommunalwahlen mehr Einfluss zu nehmen – etwa wenn 2015 die reguläre Amtszeit vieler kommunaler Spitzenvertreter endet.

Das Problem für die CDU ist, dass sie bei allem von Merkel verordneten Rücken in die Mitte der Gesellschaft den Nerv von Städtern oft nicht so gut trifft wie mit ihren Traditionen auf dem Land. Gesellschaftliche Avantgarde könne sie einer in Großstädten oft linkeren und bunteren Bevölkerung nicht sein, sagte der Berliner Professor für Zeitgeschichte, Paul Nolte, schon vor den Wahlen. Sie sollte vielmehr versuchen, Fortschritt und Tradition zu vermitteln.

Dass bei den Kommunalwahlen tendenziell ein Stadt-Land-Gefälle festzustellen ist, darüber berichten Experten innerhalb und außerhalb der Volkspartei schon länger. „Die CDU tut sich nach wie vor schwer in den Großstädten“, bestätigt der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Sebastian Bukow. „Die CDU hat ein Problem, weil sie natürlich auch im städtischen Bereich Wahlen gewinnen will (...). Wer den Anspruch an sich stellt, flächendeckend stark zu sein, kann den nicht erfüllen, wenn er im städtischen Bereich in mehreren Fällen zurückfällt.“

Auffallend ist: Die Christdemokraten mussten in den vergangenen Jahren in zahlreichen großen Städten den Chefsessel im Rathaus abgeben. So zum Beispiel in Köln, Essen, Duisburg, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg oder auch Wiesbaden.

Dass die CDU in den großen Städten im Vergleich zum ländlichen Raum weniger gut abschneide, sei kaum überraschend, meint der Berliner Professor für Zeitgeschichte, Paul Nolte. „Das wird auch immer so bleiben.“ Denn: „Großstädte sind Anziehungspunkte einer nicht unbedingt CDU-affinen Bevölkerung: linker, bunter, säkularer.“

 
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