Wie ungesund Rauchen ist, belegen Zahlen: Über 120 000 Menschen sterben in Deutschland jährlich durch die direkten Folgen des Tabakkonsums. Dem Arbeitskreis Suchthilfe der Uni Würzburg ist es ein wichtiges Anliegen, hierüber aufzuklären. Bei einer Tagung anlässlich des 20-jährigen AK-Bestehens geht es am Mittwoch, 15. Juni, ab 14 Uhr in der Würzburger Neubaukirche um alte und neue Konsumtrends. Im Vorfeld sprachen wir mit dem Würzburger Suchtforscher Jobst Böning, Mitbegründer des Arbeitskreises.
Jobst Böning: Die weniger werdenden Raucher beziehen sich vor allem auf ganz junge Menschen, Jugendliche und junge Erwachsene sowie abstinent gewordene, ehemalige Raucher im höheren Lebensalter. Doch es gibt nach wie vor einen harten Kern von Dauerrauchern. Dazu gehören 30 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen.
Böning: Nicht unbedingt, denn im Bundesdurchschnitt liegt diese Zahl etwas über zehn Prozent, wobei sie vor zehn Jahren noch doppelt so hoch war. Wahrscheinlich hat sich hier die bayerische Präventionspolitik mit dem effektivsten aller Nichtraucherschutzgesetze in der Bundesrepublik bewährt.
Böning: In Bayern haben wir flächendeckend Präventionsprojekte, die qualifiziert und von der Gesundheitspolitik unterstützt auf vielfältige Weise durchgeführt werden. Diese Präventionsprojekte sind deshalb so erfolgreich, weil der Nichtraucherschutz in Bayern die Gesundheit der Kinder vor ökonomische Wirtschaftsinteressen stellt.
Böning: Rauchen galt gerade bei Frauen ab den 60er Jahren in den USA und zeitversetzt dann auch hierzulande nicht als potenziell tödliche Gefahr, sondern als cool, sexy und extravagant. Erst heute sind die massiven gesundheitlichen Schäden und das hohe Suchtpotenzial von Nikotin bekannt. Neben verhaltenspräventiven Maßnahmen haben wirksame ordnungspolitische Eingriffe zum Rückgang der Raucherzahlen insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen geführt. Der derzeitige Wiederanstieg ausgerechnet bei Mädchen sowie bei Frauen, die erfolgreich in der Arbeitswelt stehen, mag am wachsenden Selbstbewusstsein im Rahmen der Emanzipation liegen.
Böning: Gute Hilfen gibt es inzwischen ganz sicherlich, man muss sie als Betroffener nur ernst nehmen und offen dafür sein. Gesundheitspolitisch wird zudem gerade darum gekämpft, abhängiges Rauchen nicht mehr wie bisher nur als eine Lifestyle-Erkrankung zu sehen, die man selbst zu verantworten hat. Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist abhängiges Rauchen eine echte Suchterkrankung. Raucher sollten deshalb künftig den gleichen Anspruch auf Rehabilitation haben wie andere anerkannte Suchtkranke, also Abhängige von Alkohol oder Drogen.
Böning: Man weiß, dass mindestens zwei Drittel der Bildfläche mit solchen Schockfotos ausgestattet sein muss, um langfristig einen gewissen Effekt erreichen zu können. Länder wie Australien oder Kanada, die das getan haben, stehen heute darum besser da als Zögerer wie Deutschland. Unser Land hat sich lange Zeit dem Diktat der Tabaklobby, die Schockfotos bekämpft, untergeordnet. Der schwer Nikotinsüchtige wird sich natürlich kaum von den Schockbildern beeinflussen lassen, zu stark ist er Sklave seiner Abhängigkeit. Aber es geht bei der Strategie ja um ein allgemeines Zeichensetzen gegen die hemmungslose, letztlich tödliche Werbung der Tabakindustrie.
Böning: Tabak mit seinen über 4000 toxischen Nebenprodukten ist noch vor Kohlendioxidausstoß und Feinstaub das größte Umweltgift, das wir kennen. Für ein Produkt höchster gesundheitlicher Schadenskategorie noch Werberecht zu fordern, ist unethisch und zynisch.
Böning: Die Tabaklobby hat gemerkt, dass sie mit klassischen Zigaretten nicht mehr landen kann. Deshalb steigt sie auf elektronische Zigaretten um, okkupiert den gesamten Markt und versucht dadurch, neue Kunden zu generieren. Einigen abhängigen Rauchern, die sich durch keine anderen Hilfen erreichen lassen, könnten elektronische Zigaretten in Einzelfällen helfen, ihren Konsum zu reduzieren. Die Langzeitwirkung der elektronischen Zigaretten ist jedoch völlig unbekannt. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellen sie ein nicht kalkulierbares Risiko dar.
Jobst Böning
Bis 2005 war Jobst Böning (76) Psychiatrieprofessor und leitender Oberarzt der Psychiatrischen Universitätsklinik Würzburg. 1986 wurde er Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie. Vier Jahre später begann er, die Klinische Suchtmedizin in Würzburg aufzubauen. Deutschlandweites Ansehen gewann Böning durch seine Forschungen zur Frage, wie das menschliche Gehirn krankhaftes Suchtverhalten „lernt“. FOTO: Pat Christ