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„Da ist unglaublich viel hochgepuscht worden“
Heiko Paeth fordert beim Thema Klimawandel einen kühlen Kopf: mehr Bewusstsein für Umweltschutz ja – Panikmache nein.       -  Heiko Paeth fordert beim Thema Klimawandel einen kühlen Kopf: mehr Bewusstsein für Umweltschutz ja – Panikmache nein.
Foto: FOTO Alice Natter | Heiko Paeth fordert beim Thema Klimawandel einen kühlen Kopf: mehr Bewusstsein für Umweltschutz ja – Panikmache nein.
Das Gespräch führte Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 17.10.2017 13:08 Uhr
Der Klimawandel ist in aller Munde. Die Teilberichte des Weltklimarats haben die Menschheit aufgeschreckt. Wir sprachen mit dem Würzburger Klimaforscher Heiko Paeth über den Klimawandel – und die besondere Rolle der Medien.

Frage: Alle Welt redet über eine immer stärkere Erwärmung der Erde . . .

Heiko Paeht: Das stimmt ja auch: Wir erleben eine deutliche Erwärmung seit den 60er Jahren in den meisten Teilen der Erde.

Für die meisten Menschen bedeutet warmes Wetter etwas Positives. Warum genießen wir dann also die mit einer Erderwärmung verbundenen höheren Temperaturen nicht einfach?

Paeth: Eine Erwärmung bedeutet nicht, dass wir immer genussvoll in der Sonne liegen. Ein extremer Sommer wie 2003 mit fast 40 Grad macht ja nicht nur Spaß; er bedroht die Gesundheit von vielen Menschen. Und: Den schönen Himmel haben wir im Winter nur, wenn es richtig kalt ist. Ein Klimawandel aber bedeutet in unseren Breitengraden im Winter: mehr Schmuddelwetter.

Vor gut 40 Jahren, in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, gab es eine Reihe kalter Winter. Damals warnten Experten vor einer neuen Eiszeit. Ursache: die Umweltverschmutzung . . .

Paeth: Diese Hypothese war aus wissenschaftlicher Sicht keineswegs falsch. In den 60er Jahren gab es noch keine Katalysatoren für Autos und Kraftwerke. Wir haben damals unheimlich viele kleine Rußpartikel in die Luft gepumpt.

. . . Stichwort Smog

Paeth: Genau. Und dieser Smog hat die Eigenschaft, dem Treibhauseffekt entgegen zu wirken und für eine Abkühlung in den bodennahen Schichten zu sorgen. Außerdem gehen wir davon aus, das es damals eine schwächere Sonneneinstrahlung gab, man nennt das solares Minimum – derzeit haben wir ein solares Maximum. Zudem gab es in den 60er Jahren relativ viele Vulkanausbrüche.

In den vergangenen Monaten wurden die Berichte des Weltklimarats von Medien gerne als Weltuntergangs-Szenarien interpretiert. Panikmache?

Paeth: Absolut. Für die einschlägigen Medien war das ein gefundenes Fressen. Da ist unglaublich viel hochgepuscht worden, dafür gibt es keine wissenschaftliche Berechtigung. Der neue Bericht hat grundsätzlich keine neuen Aussagen als die drei zuvor – und die sind 1990, 1995 und 2001 erschienen, hält aber weiterhin das Bild des anthropogenen Klimawandels ganz klar aufrecht.

Diese Tatsache machen sich einige Experten zu eigen und sprechen von der „Klima-Lüge“ und vom „Klima-Schwindel“. Ist da was dran – oder wollen sich nur ein paar Wissenschaftler und Medien wichtig machen?

Paeth: Da ist sicher eine ganze Menge persönliche Überzeugung dahinter. Sagen wir es einmal so: Der Prozess gegen den Menschen als Klimasünder ist kein Prozess auf Beweislast. Er ist ein klassischer Indizienprozess. Und bei einem Indizienprozess steckt eben eine ganze Menge Interpretierbarkeit dahinter. Trotzdem spricht im Moment vieles gegen den Angeklagten. So werden Sie kaum einen seriösen Wissenschaftler finden, der das Klimaproblem völlig abstreiten wird. Denn Beobachtungsdaten, Klimamodellsimulationen und auch unser physikalisches Verständnis des Treibhauseffektes bestätigen die Hypothese einer globalen Erwärmung.

Gutes Futter für die Klima-Experten?

Paeth: Es gibt leider viele selbst ernannte Klimatologen. Ich höre im Fernsehen oft Namen, die ich noch nie zuvor gehört habe.

Es ist aber doch schon so, dass sich die Klimaextreme zuletzt häufen? Nehmen wir nur den schneereichen Winter 2005/2006, dann den milden Winter von diesem Jahr oder zuletzt das fast sommerhafte Frühjahr mit Temperaturrekorden im April.

Paeth: Ja, so wird es wahrgenommen. Aber gerade bei den Extremen wird sehr viel durch die persönliche Wahrnehmung verzerrt. Wenn man sich aber die betrachtet, dann sieht das schon wieder ganz anders aus. Der Sommer war nun mal ein extrem seltenes Ereignis. Zudem haben wir heute viele Instrumente. Wenn man die früher besessen hätte, dann sähen die historischen Daten wohl auch anders aus.

In der Diskussion in Deutschland geht es derzeit vor allem um den CO2-Ausstoß beim Auto. Eine Überreaktion?

Paeth: Wir haben in Deutschland nun mal eine hohe moralische Wahrnehmung in der Gesellschaft. Und das bewirkt ja auch was: Unsere Flüsse gehören heute zu den saubersten der Erde. Man sollte schon auf den Verbrauch achten, wenn man sich ein Auto kauft. Wir wären schlecht beraten, wenn wir sagen, Klimaschutz bringt nichts. Wir müssen versuchen, die Sensibilität für diese Problematik zu erhöhen. Global gesehen sind die Klimaschutzbemühungen allerdings leider eine Farce.

Warum denn das?

Paeth: Wir sprechen beim Kyotoprozess von einer Fünf-Prozent-Reduzierung ausgehend vom Jahr 1990. Nun war aber gerade dieses Jahr, direkt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, in punkto CO2 ausgesprochen ungünstig. Diese Basis zu nehmen ist nicht zweckmäßig für eine langfristige Abmilderung des mutmaßlichen Klimawandels. Und auch in Deutschland ist man nicht ganz ehrlich. Wir haben zwar den CO2-Ausstoß ein Stück reduziert. Rechnet man aber die Stilllegung der Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland raus, dann ist der Ausstoß auch bei uns weiter gestiegen.

Ein anderes Klima muss ja nicht unbedingt negativ sein: Lässt sich sagen, dass es Gewinner und Verlierer beim Klimawandel gibt?

Paeth: Ja, höchstwahrscheinlich schon. Eine Klimaerwärmung verläuft ja nicht gleichmäßig in Raum und Zeit. So kann es auch im Jahr 2100 durchaus einen eiskalten Winter geben. Und: Es wird wohl Regionen – etwa die Pole – geben, wo die Erwärmung wesentlich stärker ausfallen wird als woanders. Klimawandel ist ganz stark regional.

Zur Person

Heiko Paeth (36) befasst sich seit vielen Jahren mit dem Nachweis von Klimaänderungen, die auf den Menschen zurückgehen. Von Bonn aus ist der Wissenschaftler im vergangenen Jahr einem Ruf an die Universität Würzburg gefolgt. Hier ist er seit April 2006 Professor für Physische Geographie.

 
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