Twitter und Facebook sind eher junge Medien. Manch Politiker tut sich schwer damit, der Umgang will gelernt – oder besser noch: geübt – sein. Eine, die schon lange dabei ist – und auch mal was Neues probiert, ist Anja Weisgerber, Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen. So hat sie dieser Tage bei Facebook zur Bürgersprechstunde geladen, und zwar live nachmittags um kurz vor halb vier.
Blöd nur, dass Otto Normalbürger da auf der Arbeit ist und es der Chef wahrscheinlich nicht so gerne sieht, wenn seine Mitarbeiter mit Frauen chatten. Selbst dann nicht, wenn diese von der CSU sind.
Und so quält sich Weisgerber live – bei einer Einschaltquote zwischen neun und 17 Personen – 20 Minuten durchs Programm. Sie sitzt brav am Schreibtisch, begrüßt ab und an mal eine Parteifreundin oder einen Freund. Und wartet und wartet auf Fragen. Ein Glück, dass sie wenigstens einem Zuschauer die steuerpolitischen Versprechen der Union erklären darf. Ansonsten will niemand etwas von ihr wissen.
So bleibt ihr nur, gute Miene zum eher traurigen Spiel zu machen und die Zeit zu nutzen, ihre zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen, unter anderem mit Karl-Theodor zu Guttenberg, anzupreisen.
Weil aber auch dazu niemand etwas fragt, verspricht die Abgeordnete, bevor Leere aufkommt, schnell noch, 20 Gewürzstreuer mit ihrem Konterfei an die Zuschauer zu verschenken. Fast wie beim Teleshopping. Dann aber ist der „Facebook live“-Auftritt auch schon vorbei. Ein gescheitertes Experiment?
Nur Mut, möchte man Anja Weisgerber zurufen. Und den nächsten Versuch zu einem besseren Zeitpunkt starten . . .
Gelernt sein will auch die Gestaltung eines Wahlplakats. Oder? Es gibt ja Leute, die sagen, Plakate bringen gar nichts, außer jede Menge Altpapier. Schließlich wähle niemand SPD, nur weil Martin Schulz am Straßenrand überlebensgroß „Zeit für Gerechtigkeit“ fordert. Oder macht irgendwer sein Kreuz bei der Union, nur weil Angela Merkel ein Plakat mit dem Slogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ schmückt?
Originell ist solche Reklame nicht. Andererseits wissen wir aus der Kommunikationsforschung: Werbung wirkt. Und warum soll, was bei BMW und Marlboro funktioniert, nicht auch bei Schulz und Merkel klappen?
Wie es auf lokaler Ebene gehen kann, zeigt der Würzburger Grünen-Kandidat Martin Heilig. „Klima ist uns Heilig“, steht auf den Plakaten mit seinem Konterfei. Das ist recht originell, da bleibt man erst mal hängen. Ob man Martin Heilig aber deshalb auch wählt, ist eine ganz andere Frage . . . Fotos: Facebook
In der Kolumne „Herr Czygan wählt“ beobachtet Redakteur Michael Czygan die Wahlkampf-Aktivitäten der Politiker abseits der großen Reden – in Talkshows, im Internet und an Infoständen. Kritisch, aber mit Augenzwinkern.