zurück
Würzburg
Brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:37 Uhr

Verschlafen wir die digitale Zukunft? Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin lautet die Antwort eindeutig: Ja! Denn das Thema Digitalisierung hat bei den politischen Elefantenrunden kaum eine Rolle gespielt. Das ist besorgniserregend. Denn die Arbeits- und Wirtschaftswelt verändert sich atemberaubend schnell – mit gravierenden Auswirkungen auf unser Leben. Immer mehr Tätigkeiten werden von Algorithmen und künstlicher Intelligenz ausgeführt. Damit steigt das Risiko, dass Arbeitsplätze dauerhaft vernichtet werden.

3,4 Millionen Stellen fallen in den kommenden fünf Jahren weg

Erst vor wenigen Tagen hat der IT-Verband Bitkom mit einer Studie für Aufsehen gesorgt. Demnach sollen in den kommenden fünf Jahren rund 3,4 Millionen Stellen in Deutschland wegfallen. Mittelfristig sei sogar die Hälfte aller Berufsbilder bedroht. Und die Politik? Lässt jegliche Idee vermissen, wie unsere Gesellschaft diese gewaltige Herausforderung stemmen soll.

Eine zentrale Frage lautet: Was bedeutet es für unser Miteinander, wenn in den kommenden Jahren deutlich mehr Arbeitsplätze verloren gehen als neue geschaffen werden? Wenn also immer mehr Menschen keine Chance mehr haben werden, ihren Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit zu bestreiten. Wie lässt sich der soziale Frieden dann bewahren?

Eine Antwort, die in jüngster Zeit immer häufiger zu hören ist, lautet: bedingungsloses Grundeinkommen. Das Konzept dahinter ist einfach: Jeder Bürger erhält lebenslang einen monatlichen Betrag, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Dieses Geld soll ihm die Existenz sichern. Niemand müsste mehr nachweisen, dass er bedürftig ist. Vorbei wären auch die Zeiten, Arbeit annehmen zu müssen.

Das klingt auf den ersten Blick nach paradiesischen Zuständen. Nach einer abwegigen Idee sozialromantischer Spinner. Doch das Modell findet weltweit prominente Unterstützer. Siemens-Chef Joe Kaeser gehört ebenso dazu wie Tim Höttges, der Telekom-Boss, oder Elon Musk, der Tesla-Erfinder. Götz Werner, der dm-Gründer, hat sogar in mehreren Büchern für das Grundeinkommen geworben.

Die Befürworter eines Grundeinkommens sehen darin unter anderem den Vorteil, allen Menschen ein humanes Leben zu bieten. Es gäbe keine Arbeitslosen mehr, die stigmatisiert werden könnten. Und wer ehrenamtliche oder sonstige für die Gesellschaft nützliche Tätigkeiten ausübt, ohne dafür bezahlt zu werden, hätte dennoch ein Einkommen. Ökonomen verweisen außerdem darauf, dass schon jetzt die Hälfte der Bevölkerung von Einkommen lebe, die Erwerbstätige über Steuern, Renten- und Arbeitslosenversicherung aufbringen.

Natürlich gibt es auch eine Reihe ernst zunehmender Einwände gegen den Vorschlag eines Pauschalbetrages für alle: Er könnte Geringverdiener dazu verleiten, gar nicht erst zu arbeiten. Er könnte den Sozialstaat zerstören, ohne die Armut zu verringern. Er könnte für mehr Ungerechtigkeit sorgen, weil jeder denselben Geldbetrag erhält – egal ob Millionär oder armer Schlucker. Er könnte dazu führen, dass niemand mehr jene Jobs erledigt, die keiner machen will.

Die größte Herausforderung besteht in der Finanzierung

Die größte Herausforderung allerdings besteht darin, das bedingungslose Grundeinkommen zu finanzieren. Dafür gibt es noch keine richtig überzeugende Lösung. Bei einer Höhe von 1000 Euro müssten rund eine Billion Euro aufgebracht werden. Das ist etwa dreimal so viel wie der gesamte Bundeshaushalt.

Dennoch: Es wäre falsch, die Idee eines Grundeinkommens nicht weiter zu verfolgen. Dafür bietet sie zu viele gute Ansätze. Die Zeit für eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber ist jedenfalls reif – auch wenn die künftige Bundesregierung sich um dieses Thema zu drücken versucht. Aber die Digitalisierung und ihre Folgen dulden keinen Aufschub.

Umfrage
Ted wird geladen, bitte warten...
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Michael Reinhard
Digitalisierung
Elon Musk
Frieden und Friedenspolitik
Grundeinkommen
Götz Werner
Joe Kaeser
Modelle
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. F.
    Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde noch mehr Versorgungssuchende aus aller Welt nach Deutschland locken.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten