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„Bedrohung für die Menschheit“
Lena Müller       -  Lena Müller
Lena Müller
 |  aktualisiert: 09.11.2016 03:33 Uhr

Die Europäische Union hat jetzt dem Klimavertrag von Paris zugestimmt. Damit verpflichtet sich die Weltgemeinschaft dazu, die globale Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen. Doch ist das überhaupt machbar? Klimaforscher Stefan Rahmstorf sprach beim Nachhaltigkeitssymposium in Handthal (Lkr. Schweinfurt).

Frage: Was haben Sie heute schon für den Klimaschutz getan?

Stefan Rahmstorf: Ich bin heute mit der Bahn angereist. Bei uns zu Hause kaufen wir überhaupt keine fossilen Brennstoffe, das heißt, wir nutzen hundert Prozent Biogas, und mein Haus erzeugt im Jahr doppelt so viel Strom, wie unsere Familie verbraucht. Wir haben kein Auto und auf diese Weise versuchen wir unseren Beitrag zu leisten.

Was kann jeder Einzelne für den Klimaschutz tun?

Rahmstorf: Jeder Einzelne kann natürlich seinen Ausstoß von Kohlendioxid deutlich verringern, zum Beispiel indem er zu hundert Prozent auf Ökostrom umsteigt und möglichst auf das Auto verzichtet. Oder wenn man neue Geräte wie einen Kühlschrank kauft immer das energieeffizienteste Gerät kauft, oder bei der Beleuchtung auf LEDs umsteigt. Da gibt es viele Möglichkeiten.

Ist es mit solchen kleinen Schritten überhaupt möglich, die vereinbarte Zwei-Grad-Grenze einzuhalten?

Rahmstorf: Selbstverständlich ist es machbar, die Erwärmung unter dieser Zwei-Grad-Grenze zu halten. Dazu ist es erforderlich, dass die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen ab jetzt bis zum Jahr 2070 auf null runtergefahren werden. Und da kann nicht nur, sondern da muss letztlich jeder Einzelne seinen Beitrag dazu leisten. Das ist nicht nur Staaten oder großen Firmen überlassen – null Emissionen bedeutet eben, dass in fünf Jahrzehnten auch niemand mehr für fossile Emissionen verantwortlich sein darf. Und zum Glück gibt es ja viele technologische Optionen, um Energie und Strom mit anderen Methoden zu erzeugen.

Da haben wir ja zum Beispiel in Unterfranken schon viele Windräder. Ist das der richtige Weg oder müsste hier noch mehr getan werden?

Rahmstorf: Die Windenergie ist zusammen mit der Fotovoltaik ein ganz zentraler Baustein der Energiewende. Und es haben ja eine Reihe von Studien gezeigt, dass Deutschland sich beim Strom zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen kann. Das Entscheidende dabei ist jetzt, dass diese Energiewende beschleunigt wird.

Die beim Pariser Abkommen vereinbarten Beiträge, die die einzelnen Staaten leisten wollen, reichen zusammen noch nicht aus, um das Ziel, unter zwei Grad zu bleiben, zu erfüllen. Das heißt: Auch Deutschland muss hier noch nachlegen und schneller als bislang geplant die Energiewende umsetzen.

Woran kann der normale Bürger den Klimawandel festmachen?

Rahmstorf: Das einfachste und klarste Anzeichen ist natürlich der Temperaturanstieg. Auch in Deutschland sind die Temperaturen seit dem frühen 20. Jahrhundert um mehr als ein Grad angestiegen, also etwas mehr als der globale Durchschnitt. Wir haben aber auch in einer Studie nachgewiesen, dass die Häufigkeit von Rekordniederschlägen weltweit auch schon signifikant angestiegen ist. Das ist auch ein Ergebnis der gestiegenen Temperaturen, weil warme Luft einfach mehr Wasser aufnehmen kann, was dann bei entsprechender Wetterlage als Extremregen abregnen kann. Und auch Dürreperioden nehmen zu. Ich erinnere an den Jahrhundertsommer 2003, der auch in Süddeutschland starke Folgen gehabt hat. Auch die Sterblichkeitsstatistik war in allen Altersgruppen ab dem 45. Lebensjahr signifikant erhöht. Europaweit hat dieser Hitzesommer 70 000 Todesopfer gefordert.

In Paris wurde viel beschlossen, aber Sie sagen, es werde zu langsam umgesetzt.

Rahmstorf: Die in Paris versprochenen Minderungen sind momentan so, dass man da bei etwa drei Grad globaler Erwärmung landen wird und nicht unter zwei Grad. Wenn wir gar nichts tun, werden wir sogar noch weit über drei Grad landen. Bis Ende des Jahrhunderts vielleicht bei vier Grad. Das wird sicherlich ganz massive, ich würde sogar sagen, verheerende Auswirkungen auf die Menschheit haben. Was viele Menschen nicht wissen, ist, dass der Ausbruch der Revolte und Unruhen in Syrien im Jahr 2011 im Anschluss an die schlimmste Dürre in der syrischen Geschichte erfolgt ist. In Syrien gab es eineinhalb Millionen Binnenflüchtlinge, weil die Menschen vom Land fliehen mussten, weil ihr Vieh verhungert ist und weil die Ernten ausgefallen sind. Solche Ereignisse werden durch den Klimawandel immer häufiger stattfinden und es ist klar, dass solche Ernteausfälle gerade in ärmeren Staaten dann auch zu Massenmigration führen können.

Welche Folgen werden diese Massenbewegungen haben?

Rahmstorf: Es wird durch die zunehmende Erwärmung und die zunehmenden Extremereignisse für sehr viele Menschen auf diesem Planeten immer schwerer, einfach ihr Brot zu verdienen, ihre Nahrung anzubauen. Zum Beispiel auch in Bangladesh, wo durch die Küstenerosion mit dem steigenden Meeresspiegel immer mehr Menschen aus der Küstenregion verdrängt werden und dann in der Hauptstadt Dakar Zuflucht suchen und dort unter armseligsten Verhältnissen versuchen, ihr Leben zu fristen. Der Klimawandel ist vor allem eine Bedrohung für die Menschheit, es geht um Menschenschutz.

Im November ist die Weltklimakonferenz in Marrakesch. Was erhoffen Sie sich davon?

Rahmstorf: Da geht es darum, die Details des Pariser Klimaabkommens und offene Fragen weiter zu bearbeiten wie zum Beispiel das Einbeziehen des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs in die Emissionsminderung. Dieser Bereich war bisher ausgeklammert. Er ist aber der am raschesten wachsende Sektor der Emissionen und muss dringend angegangen werden.

Zur Person

Stefan Rahmstorf (56) studierte Physik in Ulm und Konstanz. An der Universität von Wales studierte er außerdem physikalische Ozeanografie. In diesem Fach promovierte er 1990 an der Victoria-Universität in Wellington in Neuseeland. Von 2004 bis 2013 war er im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen tätig. Zudem war er einer der Leitautoren des 2007 veröffentlichten vierten Sachstandsberichts des Weltklimarates. Foto: Müller
 
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