
Sehr geehrter Herr Mend,
es ist schon einiges Wasser den Main hinunter gelaufen. Und zugegeben, eigentlich ist die Stellungnahme untergegangen in der Flut an Pressemitteilungen, Äußerungen, Verlautbarungen, die tagtäglich durch die medialen Kanäle in die Redaktion strömen. Nicht einmal der Nachrichtenagentur dpa war vor zweieinhalb Wochen Ihre Pressemitteilung eine Notiz wert. Diesel-Kompromiss, Erschließungsbeiträge, digitale Schule, Maut – der Bayerische Gemeindetag äußert sich ja öfters, appelliert gerne an dieses, fordert noch lieber jenes. Und so schwemmt es eine Pressemitteilung schon mal unbeachtet vorbei.
Dabei ist Ihr Appell eine Beachtung unbedingt wert. Nicht nur, weil sie als Vizepräsident des Gemeindetags die Staatsregierung scharf angegangen sind. Sondern, weil es in Ihrer Kritik um das Grundwasser geht. Und damit auch um das Wasser, das bei uns allen aus dem Hahn kommt.
Die 50 000 Menschen in den Landkreisen Würzburg und Main-Spessart, bei denen gerade wochenlang keimbelastetes Wasser durch die Leitungen floss, können jetzt ganz aktuell viel darüber erzählen, wie sensibel das Thema ist. Und welch großen Wert sauberes, sicheres Wasser hat. Das sagen Sie als Bürgermeister von Iphofen und Sprecher von 2000 Kommunen in Bayern auch: „Trinkwasser ist ein Lebensmittel und muss deshalb von höchster Reinheit und Güte sein.“
Aber die Keimbelastung war gar nicht Thema in Ihrer Pressemitteilung. Sondern die Nitratbelastung im Boden. Eine „große Enttäuschung“ haben Sie das genannt, was das bayerische Kabinett da vor einem Monat erlassen hat: die neue Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung. „Mit ihr wird dem Schutzbedürfnis des Grundwassers und damit den bayerischen Trinkwasserreserven nicht hinreichend Rechnung getragen“, sagten Sie und sind dann noch etwas deutlicher geworden: Die Staatsregierung tue viel zu wenig für einen besseren Schutz des Grundwassers, es brauche viel schärfere Regelungen.
Hintergrund Ihrer Kritik ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Juni: Deutschland habe bislang nicht genügend gegen die hohe Nitratbelastung in seinen Gewässern unternommen und verstößt damit gegen die Europäische Grundwasserrichtlinie. Die intensive Landwirtschaft spielt erhebliche Nitrateinträge ins Grundwasser. So viel Dünger und Gülle bringen die Bauern auf den Feldern aus, dass jetzt schon 40 Prozent der Grundwasserströme die EU-Vorgaben nicht erfüllen. Laut Ihnen und dem Gemeindetag ist da nicht nur der Bund gefordert, über das Düngerecht die Grundwasservorräte zu schützen. Gefragt seien vor allem die Länder – also der Freistaat Bayern.
Haben Sie als Vertreter der Gemeinden, Märkte und Städte und damit der zuständigen Trinkwasserversorger von der Staatsregierung wirklich großes Engagement bei der Ausführungsverordnung erwartet? Jedenfalls wurden Sie enttäuscht. Wasserschutzgebiete und ihre Einzugsräume, in denen im Grundwasser der Grenzwert von mehr als 50 Milligramm Nitrat je Liter gerissen oder der Vorsorgewert von 37,5 Milligramm Nitrat je Liter „ohne fallenden Trend“ nachgewiesen wurde, sollten als „besonders schutzwürdig“ erklärt werden – so hatten Sie es gewünscht. Aber: „Das ist leider nicht flächendeckend geschehen.“ Und schlimmer noch: „Sehenden Auges nimmt man hin, dass die Einzugsgebiete und die Wasserschutzgebiete, in denen die Grenzwerte noch unterschritten werden, sogar unter erleichterten Bedingungen solange mit Nitrat belastet werden dürfen, bis die Grenzwerte erreicht bzw. überschritten sind.“
Der Bund hatte im vergangenen Jahr schon schärfere Düngevorgaben für die Bauern erlassen, der Freistaat hat sie nun in der „Ausführungsverordnung“ präzisiert. Aber aus Ihrer Sicht und der Sicht Ihrer Kollegen ist das neue Regelwerk viel zu lasch. Vor allem ärgert Sie, dass die Staatsregierung Bayern in rote, weiße und grüne Gebiete eingeteilt hat. In den grünen zwei Dritteln des Freistaats gelten Erleichterungen. In den zehn Prozent weißen Gebieten reicht es aus, wenn die Landwirte die Düngeverordnung des Bunds einhalten. Ein Fünftel der Landesfläche ist rot, und rot heißt: So viel Nitrat im Grundwasser, dass die Bund-Vorgaben für die Bauern verschärft werden müssen.
Ihnen ist das viel zu knapp bemessen. Es gebe eine Reihe Trinkwasserbrunnen, bei denen der Nitrat-Grenzwert gerissen werde und die dennoch nicht zu den roten Gebieten zählen, sagen Sie und ärgern sich sehr über die Erleichterung für die Bauern in den grünen Gebieten. Weil damit „programmiert ist, dass auch die Regionen, in denen die Grenzwerte noch unterschritten werden, zu nitratbelasteten Gebieten werden“.
In Bayern wird Trinkwasser zu 90 Prozent aus Grundwasser gewonnen. Lieber Herr Mend, der Gemeindetag hat dringenden Handlungsbedarf schon lange angemahnt, jetzt ist die Chance zur Verbesserung des Trinkwasserschutzes verpasst. Bei uns im trockenen Nordbayern wird das nitrathaltige Bodenwasser ja im Gegensatz zum regenreichen Südbayern weit weniger verdünnt. Als Verbraucher teilt man Ihre Enttäuschung und Ihren Ärger also voll und ganz.
Haben Sie eigentlich Antwort aus München bekommen?
Mit besten Grüßen, Alice Natter