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Würzburg
Samstagsbrief an Lufthansa-Chef: Soll ich den Flug in meinen Sommerurlaub jetzt stornieren, Herr Spohr?
Pannen, Verspätungen, Fehlleistungen kannte unser Autor bislang von der Bahn. Jetzt hat auch die Lufthansa ein Problem. Höchste Zeit für einen Beschwerdebrief.
Carsten Spohr ist seit 2015 Vorstandsvorsitzender der Lufthansa. 'Jetzt gehen wir wieder in die Offensive', sagte er auf der Hauptversammlung im Mai.
Foto: Jan Woitas, dpa | Carsten Spohr ist seit 2015 Vorstandsvorsitzender der Lufthansa. "Jetzt gehen wir wieder in die Offensive", sagte er auf der Hauptversammlung im Mai.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:11 Uhr

Sehr geehrter Herr Spohr, Sie haben erst neulich auf der Hauptversammlung der Lufthansa einen interessanten Satz gesagt: "Die Menschen wollen fliegen." Sie haben auch gleich gesagt, wer diesen Wunsch im besten Fall erfüllen soll. Natürlich die Lufthansa. "Jetzt gehen wir wieder in die Offensive", sagten Sie.

Der Satz ist gerade mal zwei Monate alt, aber er klingt wie aus einer anderen Zeit. Denn wenn Offensive so aussieht wie in den zurückliegenden Wochen, möchten die Menschen wohl doch lieber am Boden bleiben.

Was ist das eigentlich für ein Laden, dem Sie da vorstehen? Kummer waren wir bisher ja eher von der Deutschen Bahn gewohnt. Pannen, Verspätungen, Fehlleistungen. Aber was groteske Zustände angeht, übertrifft die Lufthansa die Bahn gerade mühelos. Chaos, wohin man auch blickt. Hier mal eben Tausende Flüge gestrichen, dort mal gerade 3000 Koffer verloren. Ich lese von Geisterflügen, die nur den Zweck haben, liegen gebliebene Gepäckstücke zu transportieren, aber keine Passagiere. Vorige Woche haben angeblich nur 40 Prozent der Lufthansa-Flüge pünktlich abgehoben. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie das Chaos auf deutschen Flughäfen erleben?

Und noch viel wichtiger: Was raten Sie Urlaubsreisenden wie mir und meiner Familie, die im August in die Ferien fliegen will, das erste Mal seit vielen Jahren? Müssen wir uns sorgen? Sollen wir stornieren? Jetzt ginge das noch, ohne draufzubezahlen.

Die Lufthansa hat in den letzten Jahren immer mehr am Service gespart

Auch Ihr Unternehmen hat den Service in den vergangenen Jahren immer noch ein Stück weiter nach unten gefahren. Es verlangt Geld für Leistungen, die einmal kostenlos und selbstverständlich waren. Mich würde ehrlich gesagt nicht wundern, wenn man künftig noch einen Aufschlag für die zweite Tragfläche oder den ausgebildeten Piloten zahlen müsste. Aber dass der Service nicht einmal mehr so weit reicht, dass man nach dem Flug sein Reisegepäck wiederbekommt, muss einen schon befremden.

An die Bilder überfüllter Flughäfen wie hier in München hat man sich fast schon gewöhnt. Was kann, was will die Lufthansa dagegen tun?
Foto: Matthias Balk, dpa | An die Bilder überfüllter Flughäfen wie hier in München hat man sich fast schon gewöhnt. Was kann, was will die Lufthansa dagegen tun?

Für das Durcheinander bei den Sicherheitskontrollen können Sie nichts – die sind an private Firmen ausgelagert und gehören eigentlich zurück in die Hände des Staates. Aber es passt halt ins Bild: Überall treffen derzeit viel zu viele Passagiere auf viel zu wenig Personal. Die Folgen muss ich Ihnen nicht näher beschreiben: überlange Wartezeiten, verspätete oder kurzfristig gecancelte Flüge und Passagiere, die komplett durchdrehen, sobald sie merken, dass sie ohne eigenes Verschulden ihren Flug verpassen.

Und wenn sie ihn verpasst haben, geht der Ärger erst richtig los. Ist das wirklich Ihr Ernst, dass Leute in diesem Moment eine lückenlose Beweiskette mit Fotos und Zeugen brauchen, um nachzuweisen, dass sie pünktlich am Flughafen waren? Dass die um ihren Flug geprellten Reisenden erst vor Gericht ziehen müssen, um gegenüber Ihrem bummelnden Betrieb ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen? So abgehoben kann die Lufthansa doch nicht sein.

Findet die Lufthansa einfach zu wenig Personal, weil sie miserabel bezahlt?

Man könnte die ganze Schuld auf einen "zornigen Klimagott" schieben, wie es neulich Kollegen einer anderen Zeitung getan haben. Einen Klimagott, der uns Irdischen für immer die Lust am Fliegen vermiesen möchte. Aber das wäre dann doch zu billig. Ist es nicht in Wahrheit so, dass Sie bei der Lufthansa einfach nicht genug Leute finden, die sich auf Ihre miserablen Konditionen einlassen? Die in der Corona-Krise das Weite gesucht und gemerkt haben, dass es woanders auch ganz schön ist und es sogar mehr Geld gibt? Die nicht länger bereit sind, für 12 Euro die Stunde am Check-in-Schalter zu stehen oder für 1200 Euro Einstiegsgehalt Tomatensaft in der Kabine zu servieren? Flugbegleiter war mal ein Traumjob, aber die Freiheit über den Wolken muss man sich heute erst mal leisten können.

Die bange Frage vieler Passagiere: Landen die aufgegebenen Gepäckstücke auch am definierten Zielort?
Foto: Soeren Stache, dpa | Die bange Frage vieler Passagiere: Landen die aufgegebenen Gepäckstücke auch am definierten Zielort?

Ja, werden Sie sagen, der Preis- und Konkurrenzdruck am Himmel ist halt riesig. Dem müsse sich auch die Lufthansa beugen, im Zweifel mit niedrigeren Gehältern oder weniger Personal. Oder mit Flügen zu Dumpingpreisen. Aber wie lange wollen Sie noch an der Spirale mitdrehen? Wie lange soll das noch so gehen: Flüge, die weniger kosten als eine Woche Parkhaus? Vielleicht liegt der Schlüssel der Lösung darin, die Ticketpreise zu erhöhen und die wahren Kosten – auch fürs Klima – einzupreisen. Was nix kostet, ist auch nix, pflegt man hierzulande zu sagen. Denken Sie mal dran, Herr Spohr.

Wissen Sie, was ein Branchenkenner kürzlich geraten hat? "Noch mehr Flüge annullieren. Das ist die einzige Chance, irgendwie durch den Sommer zu kommen." Im Ernst? Sagen Sie es mir bitte gleich, wenn auch Sie dieser Ansicht sind. Ich würde dann noch heute meinen Sommerurlaub stornieren.

Mit sonnigen Grüßen

Eike Lenz, Redakteur

Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.
Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.
Quelle: MP
 
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  • robert.erhard@gmx.de
    Och Mann Eike! Was ist das schon wieder für ein Jammerblatt!
    Dann stornier doch einfach und Du hast Deine Ruhe!
    Erst gejammert weil die KH Überbrückungshilfe beantragt hat, dann gejubelt dass sie Restrukturierungen unternimmt! Die Börse hat's auch honoriert!
    Dann nochmals gejubelt dass der Kredit selbstständig zurückgezahlt wird!
    Alles Gut!
    Und jetzt ist logisch was logisch ist! Woher sollen denn die Leute kommen?
    Sport hat alles richtig gemacht!
    Auf solch einen Brief kann man inhaltlich nur sagen: nicht antworten, setzen, sechs!
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  • al-holler@t-online.de
    ach Herr Lenz,
    eigentlich bedauere ich Sie. Ich gehe mal davon aus, dass Sie ein noch jüngerer Maschierer sind und Ihnen, wenn die Menschheit nicht bald umsteuert, sicher noch wirklich schlimmeres träut, als ein verpasster URAUBSflug. Und da ich Iihnen durchaus zutraue, das zu erkennen betrachte ich Ihr Genöle hier über eine Nebensächlichkeit als populistisch motivieren Versuch ein bereits totes Pferd zu reiten; fallen Sie nicht runter, der Aufschlag auf dem Boden der Realität könnte schmerzhaft sein, auch wenn es nur der Hosenboden sein sollte....
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  • ralfestenfeld@aol.com
    Der Skandal ist in Sachen Lufthansa, dass der Bund NEUN Milliarden Euro Unterstützung geliefert hat. Angeblich laut Pressemeldung der Bundesregierung auch im Sinne der Beschäftigten. Dann wurden aber zig 10000 Beschäftigte entlassen. Ein Schelm, der böses dabei denkt. Kapitalismus pur.
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  • kujuhi
    Lieber Herr Spohr, ich (und viele andere) würden gerne fliegen.

    Bezahlt haben wir auch schon (ich vor einem Jahr!). Leider können wir die von euch stornierten und geänderten Flüge nicht umbuchen da wir im Kundencenter niemanden erreichen.

    Ihre email mit der Bitte um Verständnis habe ich gelesen, aber wieviel Verständnis haben sie für ihre Kunden?
    Stundenlange Warteschleifen am Tel., Mitarbeiter die zwar freundlich helfen wollen aber nicht können oder gleich wieder auflegen (alles erlebt)!

    Lufthansa war noch nie die billigste Fluglinie und doch habe ich mich (und viele andere auch) immer dafür entschieden weil wir was seriöses wollten. Jetzt haben sie sich erfolgreich in die Reihe der Billigheimer eingereiht. Bei den nächsten Flügen die ich buchen muss kann ich einfach den günstigsten nehmen, ist ja alles gleich schlecht.
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  • Albatros
    Unabhängig von den Fehlleistungen der Lufthansa und zahlreichen anderen Liniengesellschaften zeigt sich, wie ernst die Menschen den Klimawandel wirklich nehmen. Die Flughäfen platzen aus allen Nähten, dies spricht eine deutliche Sprache. Da nutzt auch das gepflanzte Ausgleichsbäumchen nichts, was ohnehin eine billiges Alibi ist. Die angestrebten Klimaziele in Deutschland werden ohnehin nicht erreicht, was in der weltweiten Betrachtung ohnehin allenfalls eine Vorbildfunktion wäre. Aber solange die größten CO2-Verursacher USA, Indien und China (52 Prozent der weltweiten CO2-Belastung) außer Lippenbekenntnissen nichts unternehmen, werden wir lernen müssen nicht gegen, sondern mit der Klimaerwärmung zu leben.
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  • Meinungsvertreter
    Das Pariser Klimaabkommen wurden von 195 Staaten (auch USA, China und Indien) unterzeichnet. Jeder Staat setzt die Ziele eigenverantwortlich um. Dass das, was bisher umgesetzt wurde, nicht reicht, ist kein Argument nichts zu tun. Wer daraus schlussfolgert, man müsse nun mit den Folgen leben lernen, hat den Ernst der Lage nicht verstanden: Der Mensch sowie das Ökosystem sind für diese hohen Durchschnittstemperaturen nicht gemacht. Mit dem Einbau einer Klimaanlage ist es nicht getan, wenn in großen Teilen der Welt lebensfeindliche Bedingungen herrschen.
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  • sepele
    Frau Lenz ist ein Herr zwinkern
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  • sauer.paul.nordheim.de@web.de
    Die seit Jahrzehnten weltweit sehr stark gewachsene Mobilität ist definitiv eine der vielen Ursachen des Klimawandels.

    Aufgrund folgender am 2.1.21 in der MAIN-POST abgedruckten Meldung hatte ich gehofft, dass die vielen "Reisewütigen" noch zur Vernunft kommen:
    "Frank Elstner (78), TV-Moderator, hat sein Reiseverhalten im Corona-Jahr überdacht. Er habe die Erfahrung gemacht, „dass bei näherem Hinterfragen 80 Prozent der Reisen unnötig sind“, erläuterte Elstner. Dabei habe er anfangs die vielen Absagen noch bedauert."

    Aber leider hat sich meine Hoffnung wohl nicht erfüllt
    .
    Ich kann nicht verstehen, wieso die Menschen in Zeiten des Klimawandels / Umweltzerstörung weiterhin in so hoher Anzahl kreuz und quer durch die ganze Welt reisen.

    In den Parlamenten und Gremien wird meist dem Sankt-Florians-Prinzip gehandelt oder wie es die Umweltaktivistin Greta Thunberg zutreffend ausdrückt, Greenwashing, Business as usual und viel Blablabla.
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Na ja, Anteil des Flugverkehrs an CO2 etwa 3,5%. Urlaub sei gegönnt...

    Energiewirtschaft macht etwa 35%. Deshalb EE, EE, EE, EE...
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  • Einwohner
    Das ist wie immer, solange man anderen was vorschreiben oder verbieten kann, ist das ganz nett. Sein eigenes Verhalten ändern, niemals, da hat man ja ein Recht darauf zu machen was man will. Gleiches Spiel mit den angeblich so umweltfreundlichen E-Autos, PV-Anlagen, ÖPNV, Öko- und Unverpackt-Laden,... Solange man ausreichend Förderung (von der Allgemeinheit) mitnehmen kann, solange kann man sich als moderner und umweltbewusster Bürger darstellen. Wenn es keine Förderungen gibt und man den Umweltschutz aus eigener Tasche bezahlen muss, ist es vorbei.
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Sie haben Recht, eigentlich müsste man alles was die Umwelt verschmutzt und nicht Nachhaltig ist, teurer machen. Wäre ihnen das lieber?
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