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Würzburg/Erfurt
Samstagsbrief: Respekt für diese Thüringer Chuzpe!
Die Thüringer Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow reagierte auf das Ministerpräsidenten-Desaster im Landtag mit der stärksten Geste. Warum ihr Blumenstrauß-Schmiss gut war.
Zeichen der Verachtung: Blumen, die für Bodo Ramelow gedacht waren, landen vor den Füßen von Thomas Kemmerich.  
Foto: Martin Schutt, dpa | Zeichen der Verachtung: Blumen, die für Bodo Ramelow gedacht waren, landen vor den Füßen von Thomas Kemmerich.  
Alice Natter
 |  aktualisiert: 16.12.2021 12:00 Uhr

Sehr geehrte Frau Hennig-Wellsow, drei Bilder bleiben von diesem unfassbaren Mittwoch, 5. Februar.

Das Bild von Bodo Ramelow, der sich in schierer Fassungslosigkeit und Erschütterung die Finger auf die zugekniffenen Augen legt.

Das Bild des Handschlags von Björn Höcke und Thomas Kemmerich, das alle, die im Geschichtsunterricht mal ins Schulbuch geschaut haben, sofort an einen fatalen Handschlag aus dem März 1933 erinnerte. Der AfD-Rechtsaußen schüttelt mit scheinheilig-feister Verneigung die Hand des Landesvorsitzenden der 5-Prozent-Partei.

Und, als drittes und ebenso deutliches Zeichen dafür, was gerade passiert war, das Bild der hingeschmissenen Glückwunsch-Blumen.  

Sehr geehrte Frau Hennig-Wellsow, mit Verlaub: Bis zum unfassbaren Mittwochnachmittag kannten Sie hier bei uns in Unterfranken wohl nicht einmal die Mitglieder der Linkspartei. Bodo Ramelow kennen – und achten – sogar CSU-Anhänger und politisch eher Uninteressierte. Susanne Hennig-Wer . . .? Wintersportfreaks mit ausgeprägtem Namensgedächtnis hätten bis Mittwochmittag vielleicht allwissend angemerkt, dass Sie mal als Eisschnellläuferin Leistungssport trieben.

Aber dann diese Wahl im Thüringer Landtag. Diese geheuchelte Überraschung des FDP-Chefs, der sich erdreistete, die Wahl grinsend anzunehmen. Sie, die Vorsitzende der Linksfraktion, gingen mit dem Strauß, den doch der bisherige Ministerpräsident bekommen sollte, auf den soeben gewählten, sich die Hände reibenden Ministerpräsidenten zu. Ließen das Gebinde schnell vor seinen Cowboystiefeln fallen. Nickten kurz und drehten ab.

Blumen vor die Füße: Susanne Hennig-Wellsow, Fraktionschefin der Linken, und ihre Art, dem gerade gewählten FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich zu gratulieren.
Foto: Martin Schutt, dpa | Blumen vor die Füße: Susanne Hennig-Wellsow, Fraktionschefin der Linken, und ihre Art, dem gerade gewählten FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich zu gratulieren.

Es war die Geste des Tages am Mittwoch der politischen Schande. Wortloser Ausdruck der Verachtung.

Dass am Mittwoch noch ein zweites starkes Bild des Anti-Respekts über die Bildschirme flimmerte und in den Sozialen Medien kursierte – eine Laune des Zufalls. Im US-Kongress reißt die ganz in Weiß gekleidete Mehrheitsführerin das Manuskript der Eigenlob-Rede, die der Präsident gerade hielt, provokant in Stücke. Nun ist Erfurt nicht Washington, Sie sind nicht Nancy Pelosi. Aber die beiden Gesten demonstrierten, wie irr Politik geworden ist.

In der Demokratie gratulieren Kontrahenten einander nach Wahlen, so schmerzhaft der Ausgang für den Verlierer auch sein mag. Ob mit oder ohne frische Blumen - das ist ein Gebot des Anstands, des gegenseitigen Respekts. Die Mindestvoraussetzung für ein politisches Miteinander im Parlament.

Nicht zu gratulieren? Sie hätten einfach sitzenbleiben, den Strauß verwelken lassen können. Sie entschieden sich, dem Tabubruch mit einem Tabubruch zu begegnen. Wählten den drastischen Kommentar. Und so, sehr geehrte Frau Hennig-Wellsow, ist nur eine Wurflänge weiter Ihr Name jetzt über Erfurt hinaus bekannt. Und Ihre Geste geht in die politische Ikonografie der Republik ein wie die Ohrfeige, die Beate Klarsfeld einst dem damaligen Bundeskanzler Georg Kiesinger gab. Wie die Turnschuhe, die Joschka Fischer bei der Vereidigung als Umweltminister im hessischen Landtag trug.

Susanne Hennig-Wellsow, seit 2013 Landesvorsitzende der Linken in Thüringen und seit 2014 auch Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag.
Foto: Martin Schutt, dpa | Susanne Hennig-Wellsow, seit 2013 Landesvorsitzende der Linken in Thüringen und seit 2014 auch Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag.

Als Blumenüberbringerin und pflichtschuldige „Gratulantin“ zeigten Sie politische Chuzpe. Eine Geste – frech, anmaßend, dreist in einem ehrwürdig hohen Haus, in dem gewählte Vertreter für das Volk entscheiden und handeln sollen. Aber – kein Begriff kann es besser ausdrücken als dieses schöne jiddische "Chuzpe" – eben nicht nur unverschämt. Sondern auch zielgerichtet, klug und charmant penetrant in der eigenen verzweifelten, ausweglosen Situation.

Dreistigkeit mit Haltung. Sie warfen den Strauß ja nicht. Ließen ihn nur fallen angesichts des Sündenfalls von FDP und CDU. Wären Sie als Fraktionschefin nicht zum frischgewählten politischen Gegner gegangen, es wäre Ihnen als schlechtes Verlieren ausgelegt worden. Als Peinlichkeit. Mit ihrer Art des kleinen Affronts im Angesicht des riesengroßen, mit ihrer Art des unverhohlenen Nichtgratulierens erwiesen Sie sich als ehrliche Politikerin.

Wie soll man auch sonst reagieren angesichts des Versagens aller Vernunft? Angesichts dieses in voller Absicht angerichteten, geplanten Schadens? Dass der Vergleich des Fotos vom Erfurter Handschlag der Schande mit jenem Foto des Hindenburg-Hitler-Handschlags am „Tag von Potsdam“ anno 1933 bei näherer Betrachtung hinkt – ja. Sie werden in jenen Minuten des Entsetzens im Parlament vermutlich nicht historisch gedacht haben. Aber ganz sicher wollten Sie – über das Protokoll hinaus - ein Zeichen setzen. Bleib aufrecht. Zeig‘ Widerstand. Sag's mit Blumen. 

Dafür und deshalb, Frau Hennig-Wellsow, Respekt.

Mit freundlichen Grüßen,

Alice Natter, Redakteurin

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  • l.saubert@web.de
    Wer Susanne Hennig-Wellsows Verhalten bejubelt, macht sich mitschuldig an der Gewalt, die folgte: https://www.welt.de/politik/deutschland/article205742917/Nach-Ministerpraesidenten-Wahl-Angriffe-auf-Familie-von-FDP-Politiker-Kemmerich.html?wtrid=socialmedia.socialflow....socialflow_facebook
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  • mausschanze
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Alles gut und schön

    löst aber nicht das grundlegende Problem - das da lautet: wenn die da oben sich nicht um das kümmern was uns kümmert, sondern um irgendwelchen abgehobenen Firlefanz zum eigenen Frommen, dann servieren wir ihnen halt Wahlergebnisse, mit denen sie (erstmal) nix anfangen können.

    Mir drängt sich der Verdacht auf, wenn es nicht gelingt, auch die "Große Politik" ins Tagesgeschäft zurückzuholen, werden wohl noch mehr Blumensträuße fallen.

    Erster Schritt wäre für mich, "Volksvertreter" in die Parlamente zu schicken, die wirklich das Volk vertreten und nicht sich selber resp. die "politische Kaste". Wie man das machen soll? Da bin ich nicht der Fachmann, aber es geht jedenfalls nicht mit Prozeduren, die praktisch exklusiv Blender/innen mit großer Klappe und spitzen Ellenbogen, aber außer Riesen-Ego und maximaler Einbildung nix dahinter nach oben befördern. Vielleicht müsste man wirklich per Losentscheid Abgeordnete direkt aus "dem Volk" bestimmen?!
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  • U4564@gmx-ist-cool.de
    Was soll man von jemanden, der mit der Antifa sympatiert, auch anderes erwarten...
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  • Reinshagen153@t-online.de
    VORSICHT HINTERHALT!

    Einen eigenen Kandidaten aufzustellen und dann mit keiner Stimme zu wählen war hinterhältig! Ein Vorgeschmack, was passieren würde, wenn die AfD in Deutschland an die Macht käme. Die AfD-Wähler hätten dann ihren eigenen Schlächter gewählt. Das war schon immer so bei extremen Parteien. Die Revolution frisst bekanntlich ihre eigenen Kinder.

    Wir leben in einem einmaligen Land, in Wohlstand, Frieden & Freiheit und werden von der ganzen Welt beneidet. Dieses Land jetzt durch Wählen der AfD zu vergiften ist verrückt, auch wenn es demokratisch legitim ist.
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Wer hätte das gedacht, dass der Nationalsozialismus uns nach 75 Jahren einholt. Natürlich kommt er (Teufel) nicht als NSDAP daher, sondern als Chamäleon.
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  • TLW-tu_W
    https://www.mimikama.at/allgemein/nein-hierbei-handelt-es-sich-nicht-um-die-politikerin-susanne-hennig-wellsow-aus-thueringen/

    Die Behauptung, sie hätte 1976 einen Blumenstrauß übergeben obwohl sie ist 1 Jahr später geboren wurde ist "überraschenderweise" falsch.
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  • Lebenhan1965
    @ Tlw....

    Meine Anmerkung an den Foristen hier mit der Richtigstellung wurde leider von der Mainpost gestern nicht veröffentlicht. Statt dessen wurde nur die falsche Behauptung mit über 40 Likes gelöscht.

    Will die Mainpost hier verhindern, dass die Einfältigkeit ihrer Foristen bloß gestellt wird?
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  • TLW-tu_W
    Ich hatte den Beitrag schon gesucht und mich gewundert warum er nicht mehr da ist.

    FakeNews machen leider weiterhin die Runde, bleibt zu hoffen das man zumindest ein paar erreicht die allzuleicht die Falschbehauptung glauben wollten.

    Die MP will denke ich ein weiteres verbreiten der Lüge verhindern.
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  • l.saubert@web.de
    Wie ernst es Frau Hennig-Wellsow mit der Demokratie meint erkennt man an ihrer Forderung vom Samstag: Die CDU soll Ramelow wählen. Die Zeit der Einheitslisten bei Wahlen sollten vorbei sein.
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  • rebnik
    Frau Natter hat den Fall des Blumenstaußes von Erfurt zurecht noch einmal hervorgehoben. Eine geschichtsträchtige Geste, die das Zeug hat, in die Annalen Deutschlands einzugehen, um gleichzeitig Fassungslosigkeit und Verachtung auszudrücken. Eine Geste an alle Demokraten und Gemäßigten in Gesellschaft und Politik. Ein Hilferuf um Aufmerksamkeit, in der Hoffnung, die Öffentlichkeit würde in Aufruhr geraten, um diese Schande wieder zu bereinigen. Das geschieht dann auch, wenigstens das. Ministerpräsident Kemmerich ist schon wieder Geschichte. Die Höcke-AfD wird sich davon kaum beeindrucken lassen. Die Väter des Grundgesetzes erdachten die wehrhafte Demokratie. Doch eine erneute Machtergreifung von Faschisten konnten auch sie nicht vorausdenken. Heute kommen die Politiker in der parlamentarischen Demokratie an ihre Grenzen, sie müssen vielleicht sogar gegen demokratische Regeln verstoßen, um den Großangriff auf die Demokratie selber abzuwehren. Krasse Zeiten!
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  • l.saubert@web.de
    @rebnik: Wenn die Antwort auf die Vorgänge Anstandslosigkeit und blinder Aktionismus sind, wird die AfD weiter erstarken.
    Die Reaktionen zeigen, dass blind um sich getreten wird. Neuer Schaden wird angerichtet. Höhepunkt für mich: Die Forderung von Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow an die CDU, unbedingt für Ramelow zu stimmen. Die Linke ist eben aufgrund ihrer Geschichte und aktueller Aussagen keine demokratische Partei. MAg auch Ramelow den Saubermann spielen, sein Gefolge und gerade Susanne Hennig-Wellsow sind es nicht. Sie wollen auch eine andere Herrschaftsform, als die Demokratie.
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  • gabriele.voth
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar: Die Kommentarfunktion steht erst zur Verfügung, nachdem Sie Ihre E-Mail-Adresse bestätigt haben.
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  • Belph
    Erschreckend die bisherigen Kommentare...
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  • simonhard
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
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  • romulus2417@yahoo.de
    Erschreckend ist das die meisten einfach gelöscht werden. Schönen Gruß an den Blockwart der MP !
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  • Lebenhan1965
    @ sw_hc.....

    Seien Sie froh, dass die Mainpost nicht alle Blamagen zulässt, die möglich sind.
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  • romulus2417@yahoo.de
    Das widerspricht aber meinem demokratischen Verständnis nach der freien Meinungsäusserung und solange da nix strafbares darunter ist, egal welche Meinung - dann ist das Zensur. Merkt Ihr nicht wie uns allen tgl. ein Stück Freiheit für die angebliche Sicherheit weggenommen wird ??? Wie Sie versuchen uns gegeneinander aufzuhetzen ? Die AFD z.B. ist eine demokratische Partei, wäre Sie das nicht (sondern der Nachfolger der NSDAP - wie von vielen Schwachmaten behauptet) dann stünde Sie doch gar nicht zur Wahl weil Sie verboten wäre !
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  • Lebenhan1965
    @ sw.........

    Seien Sie doch froh, dass die MP einige rechte Kommentatoren vor großen Blamagen bewahrt.

    Ein absoluter Quatsch mit bereits über 40 Likes Stand gestern noch hier.
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  • Blum66
    Soweit ist es halt schon in Deutschland. Was nicht passt wird passend gemacht. Wir sollten unseren Politikern mal davon abraten im Ausland die Moralapostel zu spielen wenn man selbst im eigenen Land Wahlen nicht anerkennt. Was kommt noch ? Ich freue mich immer mehr auf die Zukunft in Deutschland.
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