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Würzburg
Samstagsbrief: Liebe Maus, Du musst uns weiter die Welt erklären!
Die Maus wird schon 50? Klingt komisch, ist aber so. Am 7. März 1971 gab es zum allererstenmal Lach- und Sachgeschichten im Fernsehen. Ein Liebesbrief mit Geständnis.
Der Liegestuhl sei der Maus gegönnt! Solange sie uns nur weiter die Welt erklärt nebenbei. 
Foto: WDR | Der Liegestuhl sei der Maus gegönnt! Solange sie uns nur weiter die Welt erklärt nebenbei. 
Alice Natter
 |  aktualisiert: 09.02.2024 10:46 Uhr

Liebe Maus,

Dünýädäki in gowy düsündiriji, 50 ýasynyz bilen gutlaýaryn! Das war Turkmenisch. Hoffentlich. Ob es stimmt, weiß keiner besser als Du! Und weil Du der allerbeste Welterklärer bist und an diesem Wochenende unfassbare 50 Jahre alt wirst, bekommst Du diesen Samstagsbrief.

Was ist ein Samstagsbrief? Muss man Dir nicht erklären Maus, liebe Maus. Einen Samstagsbrief, den schreibt jemand von der Zeitung jemandem, der gerade richtig wichtig ist. Oder der Ärger macht. Oder über den man sich aufgeregt hat. Oder dem man endlich mal seine Meinung sagen will. Und alle sollen das wissen. Klingt komisch? Ist aber so.

Heute mit: Hochachtung, Liebe und einem Wunsch

Also! Hier ist der Samstagsbrief. Heute mit: keinem Ärger! Sondern mit einer großen Portion Hochachtung. Viel Liebe. Einem kleinen Geständnis. Einem Wunsch. Und – Klack klack klack – mit lauter Tönen im Ohr.

Klack, klack, klack! Klimper, klimper, klimper. Und dieser schmissige Anfang erst! Dudidududu . . . Liebe Maus, Du weißt gar nicht wie so ein Klang Deines Augenaufschlags, Deiner Kokosnussschalen-Stakkato-Schritte, Deiner Titelmelodie in Herz und Hirn dringen kann auf ewig und für immer. Also jedenfalls bei Menschen, die mit Dir groß geworden sind. Für die Sonntage Festtage waren, weil es da eine halbe Stunde Fernseherlaubnis gab, aber nur für die Lach- und Sachgeschichten. Also für Bildung.

Klackern, klimpern, Schnäuzchen rümpfen

Klack klack klack. Auch wenn Du der allerweltbeste Erklärer bist, sagen tust Du ja eigentlich nix. Du äußerst Dich durch Wimpernklimpern. Okay, gelegentlich grunzt Du vielleicht mal ein "hm". Oder ein "hä?" oder "ha" und manchmal tatsächlich ein "na!" Aber sonst: Klackern, klimpern. Tiiiiiiiiiiiief durchatmen. Seufzen, schnüffeln, Schnäuzchen rümpfen. Gut, das Auf und Ab Deiner dicken Barthaare kann man schon auch als Äußerung gelten lassen.

Als Du damit begonnen hast, war Willy Brandt noch Kanzler und Borussia Mönchengladbach wurde Deutscher Meister. Weil Deine Illustratorin grau langweilig fand und gerade die Siebziger begonnen hatten, in denen alles orange war, bekamst Du Dein orangenes Fell.

Und dann ging's los. Wie kommt der Saft in die Tüte, warum ist der Himmel blau, warum hat der Käse Löcher, aber der Käsekuchen keine? Und wie kommt der Saft aus der Tüte wieder raus? Die schwierigsten Fragen erklärst Du so kinderleicht, dass es sogar Erwachsene kapieren. Wer wissen will, was eigentlich diese Cloud ist, in der neuerdings Daten gespeichert werden, muss nur sonntags die Sachgeschichten gucken.

Informieren statt nur Spaß machen - klingt komisch? Ist aber so.

Weil: echter Journalismus! Klingt komisch, ist aber so. Dein Miterfinder im grünen Pulli, der Armin Maiwald, hat das immer klargestellt. Dass alles, was Du erzählst, ganz sauber recherchiert ist. Aber das besondere an Dir und Euren Geschichten ist halt, dass ihr dann nicht nur die Fakten aufzählt und informiert. Sondern eine tolle Geschichte voller Analogien draus macht und Kunststoffverformung mit Spaghetti erklärt!

Ganz am Anfang, also 1971, da soll es ja tatsächlich Leute gegeben haben, die Deinem Blinzeln nicht erlegen sind. Pädagogen zum Beispiel oder die Kirche. Weil sie fanden, die Sendung sei viel zu schnell geschnitten und Kinder müssten sonntagvormittags im Gottesdienst sitzen. Und die Linken meinten, Du würdest das Elend der Arbeiter ignorieren und automatisierte Fabrikproduktion glorifizieren.

Streit gab es auch. Wegen der Geschichte, warum sich Geschenkband kräuselt, wenn man  mit einer Schere drüberfährt, gerieten echte Gelehrte von Universitäten aneinander. Und manchmal musste irgendwo eine Küche renoviert werden. Weil jemand versucht hat, das frisch erlernte Wissen über Champagnerherstellung sofort anzuwenden.

Liebe Maus, das war die Ehrbekundung. Jetzt das Geständnis. Eigentlich waren und sind das Tollste an dieser kostbaren halben Fernsehstunde ja immer . . . Entschuldigung, erstens Dein blauer Elefant. Pffft und Tröööt! Der kam 1975 dazu und stolpert Dir und Deinem abnehmbaren Multifunktionsschwanz erhabenen Rüssels überall hinterher. Prust! Und . . . hach, zweitens, der Maulwurf. Dieses zarte "Hujöh" . . . im Ohr für immer.

Herzlichen Glückwunsch! In allen Sprachen der Welt!

Was Wunder, dass der durchschnittliche Sach- und Lachgeschichten-Gucker heute laut WDR so 40 Jahre alt sein soll, also fast so alt wie Du. Weltallerbeste Maus, am Sonntag um 9 Uhr ist im Ersten Spezial-Geburtstagsausgabe, genau 50 Jahre nach der Fernsehpremiere. Deshalb, Wunsch, nein dringende Bitte: Erklär uns noch mal ein halbes Jahrhundert lang die Welt. Wo immer alles komplizierter und verzwackter wird, braucht es jemanden der Sonntag für Sonntag zwei Millionen kleinen und großen Leute zeigt: So funktioniert's! Und bitte bleib orange und rund und gemütlich und gerne stumm. Klackklack. Zwinkerzwinker! Dieses fiese Virus hat ja gezeigt: Der Stoff geht für Sachgeschichten nicht aus. Herzlichen Glückwunsch also, liebe Maus!

Deine Alice, Redakteurin

Einer bekommt Post: Der "Samstagsbrief"

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.
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Kommentare
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  • P. S.
    Der Herr mit dem grünen Pulli ist nicht der Armin Maiwald, sondern Christoph Biemann.

    Warum trägt Christoph immer einen grünen Pulli?

    Der Autor und Darsteller in Sachgeschichten „Christoph“ (Christoph Biemann) trägt immer grüne Pullis, weil 1988 über mehrere Tage ein Film über Atomkraft gedreht wurde. Er musste bei den Drehs natürlich immer die gleichen Sachen tragen. Er besaß damals zwei grüne Pullis und hat sie als Markenzeichen seitdem beibehalten. Zu der Zeit waren grüne Sweatshirts übrigens sehr angesagt. Heute hat er mehrere Exemplare seiner berühmten grünen Pullover im Schrank.
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    • Antworten
  • F. B.
    Ich liebe die Maus heute noch mit meinen 55 Jahren.
    Auch meine schon teilweise erwachsenen 3 Kinder schauen gerne die Maus.
    Der kleine Maulwurf sollte nicht unerwähnt bleiben finde ich, den mag ich auch sehr gerne.
    Klingt komisch. Is aber so.
    Herzlichen Glückwunsch grinsen
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