Lieber Bischof Hofmann, der erste Kontakt mit Ihnen als frisch ernanntem katholischem Bischof von Würzburg im Sommer 2004 war für einige Abgesandte der Diözese und Pressevertreter wohl auf ungewöhnliche Weise aufregend: Der kunstsinnige Noch-Weihbischof ließ in seiner Begeisterung für den Kölner Dom seine Gäste mit einem wackligen Bauaufzug 40 Meter hoch aufs Dach bugsieren.
Nur der Himmel kennt die Zahl der Stoßgebete, die in diesen Sekunden gemurmelt wurden. Es war aber damit schon klar: Der neue Bischof ist spontan und begeisterungsfähig. Und so blieb es in den 13 Jahren in Würzburg: ein herzliches Dankeschön dafür.
Die Amtszeit in Würzburg fiel in eine Phase der Umbrüche und der Skandale. Auf eine lange Phase der konservativen Kirchenführung folgte in Rom mit Papst Franziskus eine Wende, mit der viele Gläubige wohl kaum mehr gerechnet hatten. Mit dem Missbrauchsskandal und der Empörung über den Luxusbau des Bischofs von Limburg geriet die katholische Kirche in eine moralische Krise. Auch das Bistum Würzburg musste öffentlich Rechenschaft über seine verschiedenen Kassen ablegen. Musste zugeben, dass es auch hier Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben hatte und musste sich der Aufklärung stellen.
Und die Zahl der Kirchenaustritte stieg natürlich auch hier. Zusammen mit der großen Zahl der Todesfälle verlor das Bistum seit 2004 rund 100 000 Katholiken.
Kurz nach dem Amtsantritt allerdings sorgte in Würzburg für Wirbel, dass Sie eine Darstellung des nackten Christus aus dem Museum am Dom entfernen ließen. So mancher Gläubige fragte sich, wie konservativ Sie denn sein mögen. Das wurde rasch deutlich – Reformwünsche hatten bei Ihnen keine Chance. Für Sie war vielmehr die Vertiefung des Glaubens der Ansatz. Deshalb trieb Sie der Verlust des Glaubens besonders um. Als eines Ihrer Ziele nannten Sie, für mehr Priester und Ordensleute sorgen zu wollen. Da war der Zeitgeist allerdings gegen Sie – die Zahlen gingen weiter dramatisch zurück. Ich als reformfreudiger Katholik würde lieber fragen, wie Kleriker und Laien gemeinsam neue Wege gehen können und ob sich zum Beispiel am Zölibat rütteln lässt. Sie stellten die Weichen anders und achteten auf den Konsens mit Rom. Eine klare Position ist allemal besser, als es jedem recht machen zu wollen. Freilich: Auch jeder einfache Gläubige kann die Freiheit des Gewissens beanspruchen, auch der „brave Katholik“ kann zwischen Loyalität und Gehorsam unterscheiden und sich seine eigene Meinung bilden.
Umso mehr in einer Zeit der Zweifel und der Sinnsuche.
Sie fanden darauf Ihre ganz eigenen Antworten: Die Familienwallfahrten nach Lourdes erwiesen sich als große Erfolge. Im Rahmen der in Würzburg ohnehin sehr wichtigen Kiliani-Oktav schufen Sie mit den Gottesdiensten für Ehejubilare neue Elemente, die den Dom in ganz unerwarteter Weise füllten. Wer immer wollte, konnte Sie häufig und eindrucksvoll im Dom beim Zelebrieren erleben – ein wesentlicher Teil bischöflichen Wirkens. Im neuen „Gotteslob“, das Ihnen zur Lebensaufgabe wurde, setzten Sie künstlerische Akzente, mit Begeisterung. Eben diese Begeisterung ist es, die mich bei allen Meinungsverschiedenheiten immer wieder mitreißen konnte. Freude am Glauben – das lebten Sie vor, und das steckte an.
Dass Sie auch unbequeme Entscheidungen treffen und vertreten können, zeigten Sie, als Sie die Vorgabe durchsetzten, dass Laien künftig nicht mehr in einer Eucharistiefeier predigen dürfen. Tief greifende Organisationsreformen brachten in den Gemeinden vielfach Unsicherheiten, Verlustängste und Belastungen mit sich – freilich sind sie dem Zwang der Umstände geschuldet.
Die reformfreudigere Stimmung unter Papst Franziskus in Rom eröffnet hoffentlich doch noch andere, neue Möglichkeiten.
Selbst in einer katholisch geprägten Region wie Unterfranken ist das Bischofsamt für immer weniger Menschen eine wichtige Größe. Religion und Sinnsuche sind gefragte Themen, aber die Antworten führen seltener zu einem kirchlich geprägten und gebundenen Glauben. Katholiken sind eine Gruppe unter mehreren.
Sie haben diese Lage ernst genommen und sich nicht hinter Kirchenmauern versteckt, sondern etwa in der Asyl- und Flüchtlingsfrage klar positioniert. Sie schalteten sich in Arbeitskämpfe ein, suchten die Öffentlichkeit, die Medien und das Gespräch mit der Politik. Vor Weihnachten waren Sie für die Menschen am Telefon erreichbar und bemühten sich um Hilfe. Und weil das Leben auch seine schönen Seiten hat, wurden Sie regelmäßiger Gast in der Fastnacht in Franken.
So ist also ein gebürtiger Rheinländer und Fan des Kölner Doms zum bekennenden Franken geworden, und es ist schön, dass Sie Ihren Ruhestand in Würzburg verbringen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ludwig Sanhüter, Redakteur