Sehr geehrter Herr Müller, ich fahre einen Diesel, Schadstoffnorm Euro 5. Keinen aus Wolfsburg. Das tut hier aber auch nichts zur Sache. Als Dieselfahrer hat man generell das Vertrauen in die deutsche Automobilindustrie verloren. Egal, welches Emblem auf dem Kühlergrill prangt. Und egal wie sauber oder schmutzig man mit dem Fahrzeug angeblich fährt. Das Auto war lange das goldene Kalb der Deutschen. Der Dieselbetrug bei VW hat aus ihm ein Trojanisches Pferd gemacht: Niemand weiß mehr so genau, was hinten rauskommt. Denn eine echte Aufklärung des Skandals hat es – speziell bei VW – bislang nicht gegeben. Stattdessen kam das Ausmaß der Affäre scheibchenweise ans Licht. Durch unabhängige Institute. Nachdem sich dann auch noch mehrere Autohersteller Kartell-Vorwürfen ausgesetzt sahen, wobei es auch um mutmaßliche Abgas-Absprachen geht, lieferten Sie sich mit Daimler ein Rennen um die erste Selbstanzeige. Irgendwie tragisch-komisch. Die geprellten Dieselfahrer warten derweil weiter auf ein echtes Entgegenkommen.
Für das, was seit dem Bekanntwerden des Skandals vor zwei Jahren passiert ist, gehen Sie und VW ziemlich relaxt durch die Welt, finde ich. Kritik perlt an Ihnen ab wie Regentropfen auf einer nanoversiegelten Windschutzscheibe. Aber wer will es Ihnen verdenken? Die Politik macht es Ihnen schließlich auch allzu einfach. Nicht nur, dass der niedersächsische Ministerpräsident VW eine Regierungserklärung zur Abgasaffäre gegenlesen und frisieren lässt: Auch der sogenannte Dieselgipfel mit der Bundesregierung dürfte komplett nach Ihrem Geschmack gelaufen sein. Unbequeme Verbraucherschützer oder die klagefreudigen Umweltverbände saßen nicht mit am Tisch. Dementsprechend ist das, was Sie, Daimler, BMW und Opel zugesagt haben, weder im Sinne der Umwelt noch der Kunden: Updates an der Steuersoftware von etwa 5,3 Millionen Autos der Schadstoffnormen Euro 5 und 6, die rund 2,5 Millionen Autos, die VW ohnehin zurückrufen muss, eingerechnet.
Dem Vorschlag, ältere Dieselautos baulich nachzurüsten, um so deren gesundheitsschädliche Abgase zu reduzieren, erteilten Sie dagegen eine klare Absage. „Weil die Wirkung fragwürdig ist“, behaupten Sie. Und überhaupt wollten Sie Ihre „Ingenieure gerne zukunftsorientiert arbeiten lassen und nicht rückwärtsgewandt an Motoren, die zehn und 15 Jahre alt sind.“
Das, mit Verlaub, ist überraschend für eine Branche, die sich jahrelang an alte Technik klammerte. Oder habe ich da etwas falsch interpretiert? Ich denke da etwa an die Sache mit der Deutschen Post. Die hatte vergeblich nach einem Autobauer gesucht, der mit ihr einen Elektrotransporter für den Einsatz in Innenstädten entwickelt. Letztendlich übernahm die Post die Entwicklung selbst und meldete diese Woche, dass sie die Produktion des Gefährts auf 20 000 Fahrzeuge verdoppeln will – wegen der hohen Nachfrage anderer Firmen. Innovationen aus der deutschen Automobilindustrie erscheinen da wie Laborprojekte, die man kaum auf die Straße bringt.
Ihre Absage an Nachrüstungen zeigt aber noch etwas anderes. Offenbar sind Sie davon überzeugt, dass die Automobilindustrie selbst die Sanktionen wählen kann, die sie für den Dieselbetrug aufgebrummt bekommt: Software-Update für manche Modelle ja, Hardware-Update nein. Dass die Bundesregierung Sie damit durchkommen lässt, finde ich für einen Rechtsstaat schon sehr irritierend.
Auch die Rabattaktionen, die Sie gemeinsam mit den Spitzen anderer Konzerne diese Woche präsentierten, machen die Angelegenheit nicht besser: Wer einen alten Diesel der Abgasnormen Euro 1 bis 4 abgibt und sich dafür einen Euro 6-Neuwagen kauft, bekommt etwa bei VW einen Nachlass von bis zu 10 000 Euro. Abgesehen davon, dass Rabatte beim Neuwagenkauf ohnehin nicht unüblich sind: Ich als Euro-5-Fahrer gucke in die Röhre. Mir bleibt ja höchstens ein Software-Update und das ist – genauso wie der Umstieg auf einen neuen Euro-6-Diesel – keineswegs eine Garantie dafür, dass man vor Fahrverboten sicher ist. Das sagt unter anderem das Umweltbundesamt. Fahrer von beispielsweise Euro-4-Dieseln sind auch nicht besser dran. Die sollen sich – ob sie es sich leisten können oder nicht – nach Ihrem Willen ein neues Auto kaufen.
Seien wir ehrlich: Das nützt vor allem der Autoindustrie. Die Absatzzahlen werden so angekurbelt, die Preise für gebrauchte Diesel wieder angehoben. VW, so war zu lesen, gehört ja durch sein Leasing-Geschäft zu den größten Besitzern von Dieselfahrzeugen im Land. Sinkt deren Restwert weiter, hat nicht nur der einzelne Fahrer, sondern vor allem Ihr Konzern ein Problem.
Glauben Sie also wirklich, dass Sie mit Ihrem bisherigen Krisenmanagement die Auto-Nation besänftigen können? Dass Rabatte das Vertrauen in deutsche Ingenieurskunst wiederherstellen? Was bleibt, ist der Frust der Kunden. Den bekommen die Konzernchefs wohl eher selten direkt ab. Dafür umso mehr die Händler vor Ort.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Stahl, Redakteur
Unsere Politik wird von den Wirtschaftsbossen dirigiert, vor allem denen aus der Automobil Industrie.
Ich bin mir sicher das unsere Ingenieurskunst in Deutschland soweit ist, das man ohne Probleme langlebige und Umweltfreundliche Autos bauen kann. Aber dies ist nicht gewollt, weil man damit auf langer Sicht kein Geld verdienen kann.
Die Frust des Dieselfahrers wird noch größer werden wenn die Regierung den Steuernachlass auf Diesel an den Tankstellen streicht, und man beim Tanken genausoviel bezahlen muss wie bei einem Benziner.
Softwareupdates bei Euro 5 Modellen machen den Motor kaputt, ("versottung") läuft dann nicht mehr richtig und Werkstattbesuche stehen öfter an wie normal. Die Folgeschäden mit den dazugehörigen Kosten trägt der Kunde.
Mag alles sein wie es will, aber eines ist auch klar: wenn die Husten bekommen, kriegt die deutsche Wirtschaft .- und damit auch Ihr alle - eine Lungenentzündung. Mit diesem Bashing werden derzeit zigtausende direkte und indirekte Arbeitsplätze in Gefahr gebracht. Erst feste draufhauen, Rechtsanwälte, Klagen, immer weiter, immer fort ... und dann ? Dann stehen irgendwann Tausende auf der Straße und haben keinen Job mehr. Denn was glaubt ihr denn, wo sich die Konzerne das Geld wiederholen? Über den "kleinen Mann" von der Straße! Dann ist das Geschrei und das Gejammer groß. Dann soll die Politik wieder helfen. Bei den Herstellern betteln, das die keine Bänder schließen und Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.
Aber wie schon gesagt, nur fest weiter so .... Ihr wacht auch noch auf.
Wir brauchen einen kompletten Sinneswantel weg vom großen und dicken Autos als Statussymbol. Mehr Öffentlichen Nahverkehr , Fahrrad Bahn oder halt mal Laufen.
Nicht für jede 500m zum Kindergarten oder Friedhof oder sonstwohin das Auto nehmen!
Das war und ist Betrug – im ganz großen Stil. Kunden, Gesetzgeber und Überwachungsorgane wurden absolut vorsätzlich und systematisch getäuscht. Zum Nachteil der Kunden, der Umwelt und aller Menschen, die diesem Dreck tagtäglich einatmen müssen ...
Aber faszinierend, wie gut die PR (leider nicht nur bei Ihnen) funktioniert.
Das raffgierige, ignorante Management fährt voll gegen die Wand, wir reden von zweistelligen Milliardenbeträgen an Schaden (nur für VW), in den USA sitzen bereits Menschen deswegen im Knast ... und trotzdem gibt es Menschen, die den Täter zum Opfer machen ...
Das ist genau die Denkweise, die derartige Sauereien erst ermöglich. “Die arme Automobilindustrie”. “Das gefährdet Arbeitsplätze”.
Den Quatsch kann man doch nicht mehr hören. Falls irgendwer seinen Job verliert, dann nicht wegen des “Bashings”, sondern wegen des Betrugs!
Ursache und Wirkung sollte man strikt auseinanderhalten!
-> verrückte Welt
Herr Dudenhöfer hat es klar gesagt: Die Auto-Hersteller müssen für Abhilfe sorgen, wenn nicht möglich zurückkaufen, KFZ-Steuer für Diesel auf gleiches Niveau des Benziners und Diesel gleich wie Benzin besteuern. Das ist das mindeste und gerecht für alle!
Politiker, die ebenfalls keine Rückrad haben - abwählen. Die ganzen C-Parteien kungeln mit der Wirtschaft, S-Partei kannst Du auch vergessen, gelb und grün lassen sich ebenfalls kaufen, aber schreien, wenn die Alternativen gewählt werden. In ein paar Wochen ist Möglichkeit dazu. Politikverdrossenheit fängt bei der Politik an!
Er und sein Konzern ist weit davon entfernt Fehler einzugestehen oder auch nur im
Ansatz Wiedergutmachung gegenüber den Kunden zu betreiben.
Das einzige Interesse besteht darin noch mehr Autos zu verkaufen und die Kunden
weiter maximal auszunutzen.
Die Politik muss beim zweiten Dieselgipfel endlich dafür sorgen, dass auch Verbraucherschützer und Umweltverbände mit am Tisch sitzen.
Dobrindt und seine unterfränkische Staatssekretärin Doro Bär, die wie Marionetten der Autoindustrie wirken, werden sicher nicht dafür eintreten. Ihnen fehlt nicht nur Rückgrat, sondern auch Kompetenz.
Ich wünsche mir, dass ich meinen Diesel gegen ein ÖPNV Ticket eintauschen kann. Die Verschrottung von 4 Jahre alten Fahrzeugen ist ein Umweltfrevel. Weniger Fahrzeuge, vor allem in der Stadt hilft schnell und nachhaltig die Luft zu verbessern. Deshalb brauchts deutliche Investitionen in die Fahrradverkehrsinfrastruktur und den ÖPNV.
Nicht nur in der Vergangenheit wurde auf das falsche Pferd gesetzt. Der Raubbau an bewährten Einrichtungen geht (unverändert) weiter. Nur ein Beispiel: warum wird die Steigerwaldbahn nicht reaktiviert? Stattdessen wird alles unternommen, sie praktisch dem Verfall preiszugeben, obwohl es einen Investor gibt, der Interesse an der Übernahme hätte. Somit könnte schon u. a. der Berufsverkehr aus dem südlichen Landkreis von der B 286 weg auf die Schiene gebracht werden. Mit Brennstoffzellen betriebene Züge - umweltfreundlicher geht's wirklich nicht mehr! Dies muss vor allem den Gemeindeoberhäuptern der Anrainergemeinden ins Stammbuch geschrieben werden, die sich vehement gegen die Wiederinbetriebnahme wehren.